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St. Petersburg im 18. Jahrhundert 
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Chemisches Laboratorium
Hospitalstraße

Das Haus in der Hospitalstraße wurde 1782-83 als Chemisches Laboratorium mit Professorenwohnung erbaut.
Der zweistöckige Fachwerkbau hatte ursprünglich eine symmetrische, vermutlich verputzte Fassade, deren Mittelteil mit Rokokotür und Dreiecks-Frontispiz leicht hervortrat.

Das ehemalige Chemische Laboratorium, die ehemalige Müllersche Villa, Hausnummer 1 (heute Junges Theater) und das benachbarte Accouchierhaus gehören zur den Höhepunkten der Göttinger Architekturgeschichte, da sie einen direkten Vergleich zwischen dem Baustil des ausgehenden 18. und dem fortgeschrittenen 19. Jahrhundert erlauben.

Als erster Institutsdirektor lebte und arbeitete hier Johann Friedrich Gmelin. Von 1836 bis zum seinem Tod im Jahr 1882 wohnte und arbeitete der bedeutende Chemiker Friedrich Wöhler im alten Laboratorium.

Julia Lermontowa und Göttingen
Einen Themenkomplex der Ausstellung bilden die Beziehungen der russischen Mathematikerin und ersten Professorin in Europa, Sofja Kowalewskaja, und der russischen Chemikerin Julia Lermontowa (1846-1919) zu Göttingen.
Beide erhielten in Göttingen den Doktorgrad. Während Kowalewskaja bekanntlich in absentia in Göttingen promoviert wurde, verbrachte Lermontowa im Anschluss an ihr Rigorosum nach eigener Aussage "einige Wochen" in Göttingen. Der allen gesellschaftlichen Widerständen zum Trotz beharrlich betriebene wissenschaftliche Werdegang Lermontowas und nicht zuletzt ihre fachwissenschaftliche Bedeutung sind von einem solchen allgemeinen wie spezifisch göttingischem Interesse, dass die Chemikerin im Jahr 2003 durch eine Gedenkplakette an dem Gebäude in der Hospitalstraße geehrt wird.

Die Göttinger Universität verlieh Lermontowa 1874 den Doktorgrad und dies, obwohl Lermontowa ihre Doktorarbeit unter der Förderung des Chemieprofessors August Wilhelm Hofmann in Berlin verfasst hatte. Dieser Umstand hat seinen guten Grund: Es war damals schwierig, eine Universität in Deutschland zu finden, die bereit war, eine Frau zu promovieren. Die Göttinger Universität jedoch hatte bereits im Jahre 1787 eine Frau, Dorothea Schlözer nämlich, promoviert, wenngleich bekanntlich nicht in einem regulären Verfahren. Dem unmittelbaren Vorbild Kowalewskajas folgend, die einen erfolgreichen Antrag auf eine Göttinger Promotion in absentia gestellt hatte und - also wiederum nicht in einem regulären Verfahren - promoviert worden war, reichte Lermontova am 25. Juli 1874 an der Göttinger Universität einen Antrag auf Zulassung zur Promotion ein (Titel der Dissertation: "Zur Geschichte der Methylenverbindungen") und bat in einem Schreiben vom 28. Juli 1874 um den Erlass der mündlichen Prüfung. Beide Anträge wurden in der Göttinger Fakultätsratssitzung am 9. August 1874 diskutiert; die Zulassung zur Promotion wurde befürwortet, der Erlass der mündlichen Prüfung jedoch abgelehnt.

Damit wurde ein Präzedenzfall geschaffen, indem Lermontowa als erste Frau die Zulassung zur regulären Promotion erhielt, auf das sich andere Frauen beziehen konnten. Freilich sollte es noch 20 Jahre dauern, bis mit der Engländerin Grace Emily Chisholm in Göttingen erneut eine Frau promoviert wurde ...

Nachdem Lermontowa am 18. September 1874 der Göttinger Universität mitgeteilt hatte, dass sie bereit sei, sich einer mündlichen Prüfung im Hauptfach Chemie und Nebenfach Physik zu unterziehen, wurde die Prüfung auf den 24. Oktober 1874 festgelegt. Lermontowa wurde in der Wohnung des Dekans Prof. Lotze von Prof. Wöhler (anorganische Chemie), Prof. Hübner (organische Chemie) und Prof. Listing (Physik) geprüft und erhielt das Prädikat "magna cum laude".
Im Anschluss an die Prüfung verlebte sie auf Einladung von Prof. Listing einige Wochen im Hause der Familie des Wissenschaftlers, deren Gastfreundschaft ihr einen unvergesslichen Eindruck hinterließ, bevor sie über Berlin und Moskau nach St. Petersburg abreiste.


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