Richard A. Zsigmondy  


Fachliche Leistung

Substanzen wie Stärke, Gelatine und Eiweiß bilden häufig eine gelartige Form, für die der Name Kolloid geprägt wurde. Die genaue Natur von kolloidalen Systemen blieb lange Zeit ein Rätsel. Während das Verhalten von festen, flüssigen und gasförmigen Stoffen mit Hilfe physikalisch-chemischer Gesetze um 1920 bereits gut beschrieben werden konnte, entzogen sich kolloidale Systeme allen bekannten Theorien. Zsigmondys Pionierleistung bestand darin, dass er mit Hilfe neuentwickelter Techniken den kolloidalen Aggregatzustand zum Gegenstand der physikalisch-chemischen Forschung machte und damit erstmals ein Verständnis für diese ungewöhnliche Form der Materie gewonnen werden konnte.

Schon früh hatte Zsigmondy über Einschlüsse in Gläsern gearbeitet. Mangels geeigneter Methoden war die Erforschung solcher kolloid dispersen Systeme jedoch unzureichend. Man untersuchte das altbekannte Goldrubinglas und Goldsol-Lösungen.
Die Natur des Cassius'schen Goldpurpurs konnte Zsigmondy aufklären. Die Frage, ob diese Systeme homogen oder heterogen sind, blieb dagegen zunächst unbeantwortet.

Zsigmondys wichtigster technischer Beitrag war das Ultramikroskop. Zusammen mit dem Physiker H. F. W. Siedentopf der Jenaer Zeisswerke entwickelte er 1902/1903 dieses Mikroskop, mit dessen Hilfe kleine Teilchen mit einer größeren Auflösung als vorher möglich betrachtet werden konnte. Auf diese Weise konnten die kolloiden Partikel im Dunkelfeld sichtbar gemacht und erstmals quantitativ erfasst werden. So bewies Zsigmondy, dass Kolloide heterogene Systeme sind.
Die direkte Beobachtung von sehr kleinen Teilchen brachte den experimentellen Nachweis dafür, dass Materie aus kleinen Bausteinen besteht. Es war - vor der Entdeckung der Röntgenbeugung - damals noch nicht endgültig bewiesen, dass Atome und Moleküle die chemischen Bausteine der Materie sind. Viele berühmte Chemiker, allen voran Wilhelm Ostwald, zweifelten das Bild des atomaren Aufbaus der Materie an. Zsigmondys Experimente lieferten den endgültigen Beweis.

Seine Erfindung des Ultramikroskops hatte auch einen großen Einfluss auf die Weiterentwicklung der Biochemie. Mit Hilfe seiner Apparatur konnte die Struktur von Proteinen und anderen biologischen Makromolekülen auf völlig neuem Wege untersucht werden. Die kolloiden Goldteilchen zeigten die Brownsche Molekularbewegung in so eindrucksvoller Schönheit, dass davon auch ein wesentlicher Anstoß zur Behandlung dieses Phänomens und damit zugleich zur atomistischen Auffassung der Materie ausging. In seinem Institut in Göttingen wurden im Rahmen dieser Forschungen 1918 Membranfilter und 1922 Ultramembranfilter entwickelt, mit denen sich Kolloide trennen ließen. Seine Lebensarbeit hat Zsigmondy in seinem Lehrbuch über die "Kolloidchemie" (1912) zusammenfassend dargestellt.