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von Kapitel 5

Kapitel 5
Buchhandel und Antiquariat



Die natürlichen Ansprechpartner bei der Beschaffung von Literatur waren und sind für die Bibliothek seit jeher jene Unternehmen, die den Medienvertrieb gewerbsmäßig betreiben: Buchhändler für verlagsfrische und im Sortiment vorgehaltene Titel, Antiquariate für ältere und bereits benutzte Bücher. Noch im 18. Jahrhundert war freilich der übliche Weg für die Veräußerung gebrauchter Werke die Auktion (s. Kap. 4). Eine Festigung des Tätigkeitsbereiches der Antiquare und ihre uns heute ganz geläufige Funktion im Buchhandelsbetrieb begannen sich damals gerade zu entwickeln und erlebten erst am Beginn des 19. Jahrhunderts einen Aufschwung: Voraussetzungen der Existenz von Antiquariaten waren zum Einen die immer größer werdenden Mengen neuer Bücher, die über den Sortimentsbuchhandel verkauft wurden. Vor dem Hintergrund neuer Buchherstellungsverfahren, eines veränderten Leseverhaltens, eines wachsenden Informationsbedürfnisses und des sprunghaft anwachsenden Wissens der Zeit wurden mehr Bücher hergestellt, waren aber viele Bücher auch schneller inhaltlich überholt und wurden ausgesondert. Zum Anderen gewann die funktionale Trennung zwischen Buchhandlung und Antiquariat erst mit der Einführung von Festpreisen für verlagsfrische Bücher so viel Schärfe, dass sich getrennte Geschäftsbereiche entwickeln konnten.

Dieterich
Johann Christian Dieterich

Einer der wichtigsten Partner der Universitätsbibliothek für Literaturbeschaffung vor Ort war in Göttingen die Dieterichsche Buchhandlung, über die die Bibliothek auch so ungewöhnliche Produktionen wie Goethes Farbenlehre beziehen konnte. Johann Christian Dieterich (1722 – 1800) besaß bereits eine Buchhandlung in Gotha, als er in Göttingen sein Geschäft eröffnete, das nicht zuletzt durch die Universität gut lief, zum ersten Haus am Platz wurde und ihn alsbald zur Aufgabe seiner Buchhandlung in Gotha veranlasste. Nachdem er seine Tätigkeit auch auf den Druck von Büchern ausgedehnt hatte, veröffentlichten namhafte Universitätslehrer bei Dieterich. Wichtige und angesehene Periodika aus seinem Hause trugen ihren Teil zum Renommee des Betriebes bei. Im 19. Jahrhundert liefen die Geschäfte zeitweise weniger gut. Der Insolvenz von 1865 folgte jedoch eine Neugründung als Dieterichsche Universitätsbuchhandlung und Antiquariat. Das Verlagsgeschäft ging 1897 nach Leipzig und ist heute in Mainz angesiedelt.

Zu den selbst gesteckten Zielen der Göttinger Bibliothek gehörte es von Beginn an, die zur Anschaffung vorgesehenen Titel in ihrer jeweiligen Originalausgabe zu besitzen. Bei fremdsprachiger Literatur bedeutete dies in der Regel die Beschaffung aus dem Ausland, da die Infrastruktur für den Vertrieb von Büchern in jenen Zeiten bei weitem nicht so leistungsfähig war wie heute. In der Praxis bedurfte es also eines Netzes von Kontakten zu auswärtigen Händlern, die die gewünschten Werke besorgen und nach Göttingen liefern konnten. Für Titel aus dem französischen Sprachraum übernahm diese Funktion die Buchhandlung Treuttel in Straßburg. Johann Georg Treuttel (1744 – 1826) stammte aus dem Elsass, widmete sich nach einem Studium der Theologie dem Buchhandel und übernahm in Straßburg das Geschäft des Buchhändlers Bauer.

Ex libris
Besitzstempel der Bibliothek
Bedingt durch die Wirren der Revolutionszeit gelangte Treuttel nach Paris und eröffnete auch dort eine Buchhandlung. Wie viele seiner damaligen Berufskollegen sah Treuttel im Buch nicht nur das Handelsgut. Vor allem die Bildung seiner Mitmenschen im christlichen Sinne lag ihm am Herzen. Dennoch war er ein erfolgreicher Geschäftsmann und darüber hinaus ein zuverlässiger Lieferant französischer Werke nach Göttingen.

Für antiquarische Erwerbungen sind die internationalen Kontakte zu Händlern bis heute entscheidend geblieben, auch wenn Online-Kataloge und internationale Messen die Marktbeobachtungen inzwischen sehr erleichtern. Die Herkunft mancher Bücher aus namhaften Antiquariaten im In- und Ausland belegen die weltweit geknüpften Erwerbungskontakte der Bibliothek.

(JM)