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Kapitel 5 - Buchhandel und Antiquariat | Übersicht |


46 Die Wiedergewinnung
des Mittelalters im Viktorianismus

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Geoffrey Chaucer:
The works of Geoffrey Chaucer now newly imprinted. Ed. by F. S. Ellis. Ornamented with pictures designed by Eduard Burne-Jones, and engraved on wood by W. H. Hooper. Printed by W. Morris.
Hammersmith: Kelmscott Press, 1896.
Signatur: 2° Poet. Angl. 4346 Rara
Provenienz: Antiquariat Bernard Quaritch, London 1961

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2° Poet. Angl. 4346 Rara (Ausschnitt)
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In seinem Todesjahr legte der englische Kunsthandwerker, Dichter und Sozialreformer William Morris (1834 – 1896) eine Ausgabe der Werke Geoffrey Chaucers (um 1343 – 1400) vor, des bedeutendsten Dichters der mittelenglischen Literatur, die als Kelmscott Chaucer berühmt wurde. Morris, der sich seit seiner Oxforder Studienzeit lebhaft für die mittelalterliche Kunst und Literatur, für Handschriften und Wiegendrucke interessierte, betrachtete die materielle und ästhetische Qualität industriell gefertigter Produkte seiner Zeit als Niedergang und trachtete danach, die handwerklichen und künstlerischen Traditionen des späten Mittelalters wiederzubeleben. Seit 1861 betrieb er eine Werkstatt für Inneneinrichtungen, die dem Arts and Crafts Movement wesentliche Impulse verlieh; 1891 gründete er die Kelmscott Press, die bis 1898 bestand. Ihr charakteristisches Aussehen erhielten die hier gedruckten 53 Werke durch die Verwendung von Schriften, die in Anlehnung an Wiegendrucktypen entworfen worden waren, und von üppigen, im Sinne des Präraffaelitentums bzw. des Jugendstils gestalteten Initialen, Holzschnittbordüren und Holzschnittillustrationen.

Der in fünfjähriger Arbeitszeit entstandene Kelmscott Chaucer gilt als Höhepunkt der Tätigkeit der Kelmscott Press. Er ist in der Chaucer Type gesetzt, einem kleineren gotischen Schrifttyp, und vereint nicht weniger als 87 opulente Holzschnittillustrationen, deren Vorlagen von dem präraffaelitischen Künstler und Studienfreund Morris’ Edward Burne-Jones (1833 – 1898) stammen. Die Gesamtauflage belief sich auf 438 Exemplare.

Bereits 1854, noch während der Oxforder Studienzeit, hatten Morris und Burne-Jones zusammen Chaucers Canterbury Tales gelesen. Die um 1478 erschienenen, unvollendet gebliebenen Erzählungen schildern eine Reise von dreißig Pilgern von London nach Canterbury zum Grab des heiligen Thomas Becket. Um die Reise zu verkürzen, erzählen sie einander Geschichten. Spiegeln die erzählenden Personen bei aller ihrer Individualität die mittelalterliche Ständehierarchie, so bieten ihre Erzählungen selbst das Spektrum der im Mittelalter verbreiteten Literatur von der derben Schwankliteratur bis zum höfischen Roman dar. Aufgeschlagen ist der Beginn des berühmten Prologs, in dessen ersten Zeilen das Erwachen der Natur im Frühling geschildert wird. Die Holzschnittillustration zeigt den Dichter in kontemplativer, inspirierter Pose inmitten einer üppigen Frühlingslandschaft mit zwitschernden Vögeln und blühenden Pflanzen.

(SG)