Kapitel 6 - Von adliger Herkunft | Übersicht |
55 Attische Nächte
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Aulus Gellius:
Noctes Atticae.
Rom: In domo Petri de Maximis [= Konrad Sweynheym und Arnold Pannartz], 11. IV. 1469.
Signatur: 4° Auct. Lat. V, 3983 Inc.
Provenienz: Prinz Georg von Waldeck, 1794
Der römische Grammatiker Aulus Gellius (um 125 – 170) begann mit der Redaktion und Niederschrift seiner Materialsammlung in den „langen Winternächten“ seines Aufenthaltes in Athen – was den zunächst etwas merkwürdig anmutenden Titel des Werkes erklärt. Gellius hatte eine beeindruckende Sammlung von Notizen, Exzerpten, Zitaten aus allen möglichen Büchern und Quellen angelegt, einen umfänglichen Zettelkasten, den er im Jahre 170 in Buchform zusammenstellte. Die moderne Literaturwissenschaft nennt ein solches Vorgehen heute „Buntschriftstellerei“ und kennt eine ganze Reihe von Beiträgern zu dieser Gattung, die durchaus auch als eine entfernte Verwandte der Enzyklopädie angesehen werden kann. In der Regel werden die Attischen Nächte heute auch so benutzt: als eine Art „Steinbruch“ für die unterschiedlichsten altertumswissenschaftlichen Themen.
Gellius’ Werk ist aufgrund seines frühen Todes ein Fragment geblieben; auch in Aufbau und Komposition wirkt es ein wenig fragmentarisch. Im zwölften Buch beispielsweise folgt auf ein Traktat des Philosophen Favorinus über den Wert der Muttermilch eine kritische Auseinandersetzung mit der Ennius- und Cicero-Kritik des Seneca, und an diese schließt sich ein Exkurs über die Herkunft des Wortes lictor an. Zahlreiche weitere Beispiele belegen, dass es sich hier um eine recht willkürlich zusammengestellte Anthologie aus griechischen und römischen Schriftstellern handelt. Man mag die Technik vergleichen mit Lichtenbergs Sudelbüchern; in der Tat hat ja der Göttinger Professor einem seiner Notizbücher den Titel Noctes gegeben.
Die erste Ausgabe wurde von den beiden ita- lienischen Erstdruckern Konrad Sweynheym und Arnold Pannartz in Rom gedruckt. Herausgeber der Noctes Atticae war der Gelehrte Theodoros Gazes, der eine größere Zahl der Druckerzeugnisse von Sweynheym und Pannartz anonym herausgab, hier aber namentlich erwähnt ist. Das Buch ist nicht nur als Erstausgabe des Enzyklopädisten Aulus Gellius von Interesse, sondern auch, weil es den ersten Druck in griechischer Sprache enthält: einen Abschnitt im Umfang von einem Blatt und drei Zeilen aus dem platonischen Dialog des Gorgias. Möglicherweise kam es den beiden Druckern hier hauptsächlich darauf an, Erfahrungen im Druck mit griechischen Lettern zu sammeln.
(HR)