Kapitel 7 - Göttinger Gelehrte | Übersicht |
67 Die Peinliche Gerichtsordnung
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Des allerdurchlauchtigsten, großmächtigsten, unüberwindlichsten Kaiser Karls des Fünften
und des Heiligen Römischen Reichs peinliche Gerichtsordnung.
Mainz: Ivo Schöffer, Februar 1533.
Signatur: 4º Jus crim. I, 1410 Rara
Provenienz: Georg Christian Gebauer, 1773/74
Ein illustrierter Gesetzestext war im 16. Jahrhundert nichts Ungewöhnliches. Rechtsordnungen wie die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (1500 – 1558), auch Carolina genannt, wurden bebildert – zur Abschreckung. Schon im Titelholzschnitt zeigt das Werk ein einschüchterndes Ensemble von Folterinstrumenten: Rad, Daumenschrauben, Streckwerkzeuge und andere. Die Rechtsprechung strafte an Leib und Leben – an die Freiheitsstrafe war noch nicht zu denken. In moderner Terminologie ist die Carolina eine Strafprozessordnung und ein Strafgesetzbuch. Sie enthält Bestimmungen zur Besetzung eines Gerichts, legt fest, wie ein Gerichtsverfahren auszusehen habe und wie welche Delikte bestraft werden sollten.
Die Bedeutung der Carolina für die Rechtsgeschichte ist gewaltig: Sie ist das erste für das gesamte Heilige Römische Reich Deutscher Nation geltende Strafgesetzbuch und sollte der Rechtsvereinheitlichung dienen. Auf den genauen Wortlaut des Gesetzes konnten sich die Vertreter der Reichskreise nur schwer einigen, doch schließlich wurde es 1532 verabschiedet. Das Druckprivileg erhielt der Mainzer Drucker Ivo Schöffer (um 1500 – 1555), der im Februar 1533 die Erstausgabe vorlegte. Bis 1559 fertigten er und seine Erben elf weitere Ausgaben. Als Vorbild für den Text und die (wenigen) Illustrationen der Carolina diente die Bambergische Halsgerichtsordnung, die erstmals 1507 bei Johann Pfeil in Bamberg gedruckt wurde. Von wem die Holzschnitte der Carolina stammen, ist bislang nicht eindeutig ermittelt. Vermutlich stammen die Vorzeichnungen von Martin Kaldenbach und die Holzschnitte von dem Holzschneider Fritz Hammer.
Auch auf die Sprachentwicklung nahm die Carolina Einfluss. Der genaue Gesetzestext fußte ursprünglich auf einem lateinischen Entwurf juristischer Gelehrter, der anschließend in das Deutsche übertragen wurde. Johann Freiherr zu Schwarzenberg und Hohenlandsberg (1463 / 65 – 1528), Hofmeister des Bischofs von Bamberg, nahm sich dieser Aufgabe an und machte die Carolina so zu einem Sprachdenkmal: Begriffe wie „Abtreibung“ oder Wendungen wie „Rechtsmittel einlegen“ und „auflaufende Kosten“ gehören seitdem zu unserem Sprachgebrauch. Nicht erhalten hat sich allerdings die Bedeutung des Wortes „peinlich“, das, abgeleitet von lateinisch „poenae“, für „Strafe“ stand.
(JI)