Kapitel 8 - Auswärtige Wissenschaftler | Übersicht |
82 Helden und Heiden
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Das Heldenbuch.
[Straßburg: Johann Prüss d. Ä., um 1484/85].
Signatur: 4° Poet. Germ. I, 2140 Inc. Rara
Provenienz: Gottfried Thomasius, 1770
Als „Heldenbücher“ werden im heutigen Sprachgebrauch Ausgaben der mittelhochdeutschen Heldenepik bezeichnet. Die älteste überlieferte Handschrift dieser Literaturgattung stammt aus der Zeit um 1300; sie enthält Fragmente aus dem Ortnit, dem Wolfdietrich, dem Eckenlied und der Virginal. Alle weiteren überlieferten Zeugnisse sind erst im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts entstanden. Unmittelbare Vorläuferin des ersten Drucks ist eine wahrscheinlich um 1480 entstandene Handschrift des Straßburger Goldschmieds Diebolt von Hanowe (Wirkungsjahre ca. 1470 / 80), die einst im Besitz der Straßburger Seminarbibliothek war und 1870 verbrannte. Dem Text ist eine Vorrede in Prosa vorangestellt, die einen summarischen Überblick über die wichtigsten Gestalten und Stoffe der mittelalterlichen deutschen Heldendichtung gibt.
Der ohne Angabe von Drucker, Druckort und Drucktermin veröffentlichte Erstdruck ist, wie typographische Vergleiche nahe legen, wohl Johann Prüss dem Älteren in Straßburg zuzuschreiben. Er enthält den Ortnit, den Wolfdietrich, den Rosengarten und den Laurin. Das Werk ist mit 230 Holzschnitten von 156 Druckstöcken versehen – eine Zahl, die nur von wenigen Inkunabeln erreicht wird. Sie illustrieren auf eingängige Weise die dramatischsten und oft genug blutrünstigen Einzelheiten der Erzählungen. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts wurden insgesamt sechs Ausgaben des Heldenbuchs gedruckt, da- runter als zweite Ausgabe eine des professionellen Nachdruckers Johann Schönsperger (1455 – 1521), die 1491 in Augsburg erschien.
Aufgeschlagen ist ein Holzschnitt aus dem Wolfdietrich, der, aus einer alten, in weiter Verzweigung überlieferten Erzähltradition stammend, zu einem der großen literarischen Erfolge des ausgehenden Mittelalters wurde. Unermüdlich werden Riesen, Drachen und andere Ungeheuer unschädlich gemacht, Frauen gefreit, hunderte von Heiden verstümmelt, getötet oder auch getauft – bis Wolfdietrich am Ende eines ereignisreichen und doch tugendhaften Lebens zu einem vorbildlichen Mönch wird.
(HR)