Kapitel 9 - Aus den Bibliotheken privater Büchersammler | Übersicht |
94 Italienische Vergil-Handschrift
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Publius Vergilius Maro:
Opera.
Pergamenthandschrift,
Italien, 15. Jahrhundert.
Signatur: 8° Cod. Ms. philol. 116 Cim.
Provenienz: Johann Georg Wilhelm Köhler, 1792
Mit der Erfindung des Buchdrucks unter Verwendung beweglicher Lettern durch Gutenberg und der raschen Ausbreitung dieser Technik in anderen europäischen Ländern verschwand die herkömmliche Art der mittelalterlichen Buchherstellung keineswegs von der Bildfläche. Lange Zeit standen gedruckte Bücher und handschriftlich vervielfältigte Kodizes nebeneinander und gelegentlich in direkter Konkurrenz zueinander. So ist es keineswegs erstaunlich, dass um 1470 herum noch Handschriften in der hier gezeigten Art entstanden. Über das Zustandekommen der Handschrift wissen wir das Folgende aus der lateinischen Schlussschrift, die heute zwar kaum noch lesbar ist, aber schon im 18. Jahrhundert von den damaligen Besitzern der Handschrift wiedergegeben wurde: Der Priester Georg aus Novara habe diese Werke Vergils in Rom bei der Basilika des Apostels Petrus, das meiste aber bei der Heiligen Kirche des berühmten Märtyrers Georg im Land von Bergamo abgeschrieben, als Paul II. Papst (1464 – 1471) und Christoforo Moro Doge der Republik Venedig (1462 – 1471) waren. Damit ist der Zeitpunkt der Entstehung auf die Jahre zwischen 1464 und 1471 einzugrenzen.
Georg stellte auf 210 Pergamentblättern die größeren und kleineren Werke Vergils zusammen, fügte auch Vergil zugeschriebene Gedichte der Anthologia Latina hinzu. Auffallend sind die im Vergleich zu anderen italienischen Handschriften eher ungewöhnlichen Initialen. Ihre individuellen Verzierungen zeigen zumeist florale Elemente oder erinnern an Edelsteine, wie hier zu sehen ist: An dem in einem Quadrat eingeschriebenen großen „A“ rankt ein Weinstock, eingefasst von geometrischen Verzierungen. Diese Initiale markiert den Beginn des ersten Buches der Aeneis Vergils, des römischen Nationalepos. Vergil schilderte in diesem Werk die Flucht des Helden Aeneas aus Troia und seine abenteuerliche Reise bis nach Italien. Von ihm leiteten die Römer ihre Herkunft ab. Die kleinere Initale „A“ darüber leitet ein kurzes Gedicht ein, das aus einer kleinen Folge von Versen aus der Anthologia Latina stammt. Zu jedem Buch der Aeneis sind hier kurze, dem römischen Dichter Ovid zugeschriebene Inhaltsangaben in Gedichtform verfasst.
Im 18. Jahrhundert gehörte die Handschrift der in Ansbach und Jena ansässigen Familie Köhler. 1792 übernahm sie die Universitätsbibliothek. Christian Gottlob Heyne erwähnte sie in der Einleitung zu seiner Vergilausgabe.
(JM)