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Kapitel 4
Wer bietet mehr? Ersteigert auf Auktionen



Heyne
Christian Gottlob Heyne (1729 – 1812)

Bereits in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens entwickelte die Göttinger Universitätsbibliothek eine differenzierte Erwerbungspolitik, die nicht nur auf den Kauf der aktuellen deutschen Neuerscheinungen bei lokalen und regionalen Buchhandlungen konzentriert war, sondern die benötigte Literatur auch direkt im Ausland zu erwerben suchte. Bereits in dieser Phase wurde angestrebt, durch antiquarische Erwerbungen den Grundbestand der Bibliotheca Buloviana zu ergänzen. Christian Gottlob Heyne erläuterte dies rückblickend in seinem Rechenschaftsbericht aus dem Jahre 1810: „Die Ausfüllung der Lücken aus frühern Zeiten ist meistens nur von einem glücklichen Zufall und aus Bücher-Auctionen zu erwarten“. Die Prinzipien der Erwerbungstätigkeit beschreibt er zusammenfassend: „Also werden in der Regel nur solche Bücher gesucht und gewählt, worin die menschlichen Kenntnisse, wissenschaftliche, technische, practische, ein Fortrücken, Fortgang, oder auch nur einen einzelnen Schritt vorwärts, gemacht haben.“

In London unterstützte der hannoversche Diplomat Wilhelm Philip Best (1712 – 1785) die Bibliothek, indem er ihr das Kaufangebot des Buchhändlers Thomas Osborne (getauft 1704?, † 1767) übermittelte, der 1742 die große Büchersammlung von Robert Harley, des ersten Earl of Oxford, erwarb. Bei der Herstellung des fünfbändigen Auktionskatalogs zur Harley-Bibliothek versicherte sich der geschäftstüchtige Osborne der Mithilfe von Samuel Johnson (1709 – 1784), dem berühmten Verfasser des Dictionary of the English Language (1755).

Manual
Erwerbungen auf einer Auktion Thomas Osbornes (1753)
Die Zusammenarbeit zwischen Osborne und Johnson war nicht konfliktfrei, und es wird berichtet, dass eine der Streitigkeiten damit endete, dass Johnson seinem Auftraggeber einen Band an den Kopf schleuderte und ihn damit zu Boden streckte. Die Göttinger Bibliothek erwarb zwischen 1749 und 1755 bei jeder Osborne-Auktion Hunderte von Titeln, so dass sich bereits zwanzig Jahre nach ihrer Gründung ein Schwerpunkt in der englischen Literatur entwickeln konnte.

Bereits im 18. Jahrhundert begann man im In- und Ausland, Gelehrtenbibliotheken auf Auktionen zu veräußern. Auch diese Quelle nutzte die Universitätsbibliothek für den zielgerichteten Bestandsaufbau und zur Schließung noch vorhandener Lücken (s. Kap. 7 und 8). Die in diesem Abschnitt vorgestellten Auktionskäufe des 18. Jahrhunderts stammen aus den Bibliotheken von Büchersammlern verschiedener Länder:

- Petrus Meerman, Auktion Den Haag 1754
- Johannes Nettis (1707 – 1777), Augenarzt in Leiden, Auktion Leiden 1774
- Pieter Burman d. J. (1713 – 1778), Philologe und Dichter, Auktion Leiden 1779
- Pastor Pappe aus Pechau bei Magdeburg, Auktion Magdeburg 1786.

Die aktive Teilnahme an Auktionen hatte einen weiteren Nebeneffekt: Die Bibliothek erwarb eine Vielzahl an gedruckten Auktionskatalogen des 18. Jahrhunderts, in denen Anstreichungen und Notizen den einzelnen Erwerbungsvorgang dokumentieren. Erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden in Deutschland Auktionsfirmen, die in regelmäßigen Abständen ihre Versteigerungen abhielten und zu diesem Zweck gedruckte und bebilderte Kataloge vorlegten. Zwei Beispiele aus dem 20. Jahrhundert beschließen dieses Kapitel: die Ersteigerung eines Rechenbuchs von Adam Ries beim Auktionshaus Gerda Bassenge in Berlin (1968) und die einer frühen Eulenspiegel-Ausgabe bei Hartung & Karl in München (1974).

(HR)