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Kapitel 5 - Buchhandel und Antiquariat | Übersicht |


43 Göttingen und Goethes Farbenlehre

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Johann Wolfgang von Goethe:
Zur Farbenlehre. Erster Band. Nebst einem Hefte mit sechzehn Kupfertafeln, Tübingen, in der J. G. Cottaschen Buchhandlung 1810. Entwurf einer Farbenlehre. Des ersten Bandes, erster, didaktischer Theil. Enthüllung der Theorie Newtons. Des ersten Bandes zweyter, polemischer Theil. Zur Farbenlehre. Zweyter Band. Tübingen, in der J. G. Cottaschen Buchhandlung 1810. Materialien zur Geschichte der Farbenlehre. Des zweyten Bandes Erster, historischer Theil.
Signatur: 8° Phys. III, 4127 Rara
Provenienz: Dieterichsche Buchhandlung, 1810

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8° Phys. III, 4127 Rara (Ausschnitt)
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„Wann der Blick an heitern Tagen
Sich zur Himmelsbläue lenkt,
Bey’m Siroc der Sonnenwagen
Purpurroth sich niedersenkt,
Da gebt der Natur die Ehre,
Froh, an Aug’ und Herz gesund,
Und erkennt der Farben Lehre
Allgemeinen ew’gen Grund.“

Diese Verse sandte der fast 78-jährige Goethe (1749 – 1832) einem jungen Bewunderer seiner Farbenlehre, nicht ohne hinzuzusetzen: „Ich brauche nicht zu sagen: halten Sie fest daran; es hält Sie fest, Sie werden nicht loskommen.“ Wie auch Goethe nicht davon losgekommen ist: Von dem Augenblick an, da er, durch ein Prisma auf eine weiße Wand blickend, Newtons Lehre für falsch befand, hielt ihn das „Farbenwesen“ bis in seine letzten Lebenswochen gefangen. Was er erkannt zu haben glaubte, hat er der Nachwelt in seinem Opus magnum Zur Farbenlehre überliefert, das er für wichtiger hielt als sein poetisches Schaffen. Für Goethe war das Licht einfach und homogen, es konnte weder in farbige Bestandteile zerlegt, noch aus solchen zusammengesetzt werden. Alle Experimente, die das Gegenteil zu beweisen schienen, waren in seinen Augen falsch. Als er den renommierten Göttinger Physiker Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799) davon zu überzeugen suchte, als er „das ekelhafte Newtonische Weiß mit Gewalt verfolgte“, brach Lichtenberg ab „über diese Dinge zu schreiben und zu antworten.“ Kurz zuvor noch hatte er mit großem Interesse und Vergnügen Goethes Untersuchung der farbigen Schatten verfolgt und mit ihm darüber korrespondiert.

Hatte Goethe auch vergeblich um Lichtenbergs Beifall geworben, so fand er doch später in Göttingen Beistand und Hilfe. Als er im Sommer 1801 nach Göttingen kam, hatte er eine Liste von Büchern bei sich, die er in der Bibliothek zu finden hoffte. Und er wurde von dem „allgelahrten Göttingen“ nicht enttäuscht. „Zur Geschichte der Farbenlehre habe ich auf der Bibliothek recht viel und glücklich zusammengearbeitet“, kann er dem Freunde Meyer nach Weimar melden. Und die Göttinger Bibliothek kann sich rühmen, dass sie Goethe aus ihren Schätzen einen großen Teil der Materialien zu dieser Geschichte hat präsentieren können.

Die Tafel XII aus dem Hefte mit Kupfertafeln soll Newtons Experiment 14 von Bk. I. Pt. I der Opticks illustrieren. Newton demonstriert dort, dass Fliegen oder kleine dunkle Körper, durch ein Prisma betrachtet, klar und deutlich erscheinen, wenn sie mit homogenem (mono- chromatischem) Licht bestrahlt werden, dagegen undeutlich und verschwommen, wenn sie mit Tageslicht beleuchtet werden. Goethe moniert, dass Newton „bloß dunkle Körper in dem sogenannten homogenen Licht beobachtet und beobachten kann, dass unser Versuch hingegen eine Mannichfaltigkeit von Fällen darbietet.“ Schon die Beschriftung der Tafel mit „Newtonische Mucken“ (eigensinnige Launen), zeigt Goethes polemische Absicht.

(HZ)