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Kapitel 6 - Von adliger Herkunft | Übersicht |


56 Das Breviarium Windeshemense
im Kloster Volkhardinghausen

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Breviarium Windeshemense.
Antwerpen: Gerard Leeu, 1488.
Signatur: 8° Cod. Ms. theol. 235c
Provenienz: Friedrich von Waldeck, 1799

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8° Cod. Ms. theol. 235c (Ausschnitt)
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Das vom Gottesdienst unabhängige offizielle Gebet, das für Kleriker und Mönche obligatorisch war, richtete sich schon im frühen Mittelalter nach festgelegten Gebetsstunden. Zunächst waren das die Terz (gegen 9 Uhr), Sext (gegen 12 Uhr) und Non (gegen 15 Uhr), und später kamen nach und nach die Matutin bzw. Laudes zum Sonnenaufgang, die Prim bei Tagesanbruch und das Complet als Tagesschlussgebet nach Sonnenuntergang hinzu. Im römischen Brevier haben sich dann die folgenden sieben Horen oder Gebetsstunden durchgesetzt: Matutin mit Laudes, Prim, Terz, Sext, Non, Vesper und Complet. Im Brevier sind alle für das Stundengebet notwendigen Texte versammelt: Es enthält Bibeltexte, Szenen aus Heiligenlegenden, Auszüge aus den Kirchenvätern, Hymnen und Ähnliches und ist nach der Ordnung des Kirchenjahres – man unterscheidet den Sommerteil (Pars aestivalis) und den Winterteil (Pars hiemalis) – und nach den Gebetsstunden eingeteilt.

Das Breviarium Windeshemense wurde für die Kongregation im holländischen Kloster Windesheim bei Zwolle gedruckt. Es enthält außer dem Winterteil ein Kalendarium sowie ein Psalterium mit Commune Sanctorum. Der aus Gouda stammende Gerard Leeu druckte von 1487 bis zu seinem Tode im Jahr 1492 in Antwerpen. Unter seinen Drucken finden sich außergewöhnlich viele kleinformatige Ausgaben, wie das Breviarium Windeshemense von 1488.

An den Anfangsseiten der Hauptkapitel sind sogenannte Blattweiser angebracht, die das Auffinden einer bestimmten Textseite erleichtern sollen − kleine, an den Blatträndern angeklebte Lederknötchen. Der kalbslederne Einband ist mit Streicheisenlinien und mit verschiedenen Stempelprägungen geschmückt, die es erlauben, seinen Hersteller zu ermitteln: Der Einband wurde im 15. Jahrhundert in der Werkstatt des Jordanus zu Volkhardinghausen, in der Nähe des fürstlichen Schlosses Arolsen, angefertigt. In dem kleinen Dorf befand sich seit dem 13. Jahrhundert ein Nonnenkloster, das Mitte des 15. Jahrhunderts in ein Augustiner-Chorherrenstift umgewandelt wurde. Dieses Stift schloss sich an die von Holland ausgehende Windesheimer Kongregation an, so dass ein Breviarum nach Windesheimer Ritus hier durchaus zu erwarten ist. Aus dem Kloster in Volkhardinghausen gingen zahlreiche Handschriften und Bücher in den Besitz der Fürsten von Waldeck über, und 1799 schenkte Friedrich von Waldeck der Göttinger Universitätsbibliothek das Breviarium.

(HR)