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Kapitel 7 - Göttinger Gelehrte | Übersicht |


68 Das schönste Gesangbuch der Lutherzeit

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Geystliche Lieder. Mit einer newen vorrhede D. Mart. Luth.
Leipzig: Valentin Bapst, 1545.
Signatur: 8° Poet. Germ. II, 2515 Rara
Provenienz: Georg Christian Gebauer, 1773/74

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8° Poet. Germ. II, 2515 Rara (Ausschnitt)
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Dem systematischen Aufbau einer evangelischen Frömmigkeit dienten seit dem Frühjahr 1529 Gemeindegesangbücher, deren Lieder von Martin Luther zusammengestellt und teilweise selbst verfasst worden waren, unter ihnen für das deutsche Kirchenlied so wichtige Texte wie „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“, „Ein feste Burg ist unser Gott“ oder auch „Vom Himmel hoch, da komm ich her“. Das erste erhaltene lutherische Gesangbuch wurde 1533 bei Josef Klug († 1552) in Wittenberg gedruckt. Die in den folgenden zwölf Jahren erschienenen Wittenberger Ausgaben wurden 1545 durch die von Valentin Bapst († 1556) in Leipzig gedruckten Geystlichen Lieder und ihre Nachfolgewerke abgelöst. Sowohl das Wittenberger als auch das Leipziger Gesangbuch sollten „eine fast unabsehbare Wirkung auf die Gesangbuchentwicklung der Folgezeit“ (Jenny) haben und selbst römischkatholische Gesangbücher beeinflussen.

Das Bapstsche Werk von 1545, das letzte zu Lebzeiten Luthers in den Druck gegebene Gesangbuch, gilt als das umfangreichste und am schönsten ausgestattete seiner Zeit; das einzige vollständig erhaltene Exemplar ist im Besitz der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek. Nicht nur die klare Schrifttype und die sauber geschnittenen Noten, sondern auch die ornamentalen Seitenrandleisten und die Holzschnittillustrationen des Monogrammisten HA lassen seinen besonderen künstlerischen Wert erkennen. Luther selbst, von Bapst um eine neue Vorrede gebeten, gab in diesem letzten Beitrag zum kirchlichen Singen – ohne sich einen Seitenhieb gegen die römische Kirche zu versagen – seiner Anerkennung dieser Leistung Ausdruck:

„Darumb thun die drucker sehr wol dran / das sie gute lieder vleissig drucken / und mit allerley zierde / den leuten angeneme machen / damit sie zu solcher freude des Glaubens gereitzt werden / und gerne singen. Wie denn dieser druck Val[en]tin Bapsts / sehr lustig zugericht ist / Gott gebe / das damit dem Römischen Bapst der nichts denn heulen / trawern und leid in aller welt hat angericht / durch seine verdampte / untregliche und leidige gesetze / grosser abbruch und schaden geschehe / Amen.“

Das Buch enthält in zwei Teilen, den „Geistlichen Liedern“ und den „Psalmen und Geistlichen Liedern“, insgesamt 128 Kirchenlieder, dazu Gebete und illustrierte Psalmen, die sich inhaltlich eng auf die ihnen zugeordneten Lieder beziehen. Aufgeschlagen ist ein Holzschnitt, der Psalm 18, Vs. 6 illustriert.

(SG)