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Kapitel 10
In Dankbarkeit verbunden –
Schenkungen Ehemaliger



Asch
Georg Thomas von Asch (1729 – 1807)

Im Jahre 1772 traf in Göttingen ein Schreiben aus Russland ein, das folgenschwere Konsequenzen haben sollte: Der russische Baron Georg Thomas von Asch (1729 – 1807), der von 1747 bis 1750 an der Georgia Augusta Medizin studiert hatte und in Russland zu hohen Ämtern im russischen Gesundheitswesen aufgestiegen war, brachte seine tiefe Dankbarkeit der Hochschule und ihrer Bibliothek gegenüber zum Ausdruck:

„C’est avec une satisfaction toute particulière ... que je me rapelle avoir été il y a vingt demi ans, citoyen de Votre illustre academie: que c’est aux leçons des hommes les plus célèbres de ces temps là ainsi qu’au libre accès dans Votre Bibliothèque que je dois les connoissances qui m’ont fait parvenir ... au grade de Premier Medecin de l’Armée Impériale de Russie”.
Mit diesem Brief sandte Asch als Zeichen seiner Verbundenheit eine erste Kiste mit Büchern und Handschriften nach Göttingen. Die Sendung bildete den Beginn einer bis zum Tode Aschs währenden Korrespondenz mit Christian Gottlob Heyne, in deren Verlauf der Alumnus der Göttinger Universität eine Vielzahl von seltenen und kostbaren Büchern und Drucken, Handschriften, Karten (unter ihnen unikale Karten der russischen Sibirienexpeditionen), Kunstwerken und Forschungsgegenständen aller Art nach Göttingen sandte. Sie verdanken sich den weitreichenden Beziehungen des russischen Mediziners zu einem regelrechten Netzwerk von im Russischen Reich wirkenden Wissenschaftlern, aber auch seiner eigenen Tätigkeit als Generalstabsarzt während des 1. Russisch-Türkischen Krieges. Die in der Universitätsbibliothek ursprünglich als Bibliotheca Aschiana aufgestellten etwa 2.000 Bücher, 1883 / 84 in den allgemeinen Bestand eingearbeitet, bilden den größten Teil der Schenkungen und begründeten den Ruf der Göttinger Bibliothek als einer einzigartigen Sammlung der slawischen Literatur des 18. Jahrhunderts. So erscheint es kaum übertrieben, wenn Heyne in seinem Nachruf auf Asch vermerkt:
„Immer wenn uns die Meldung erreichte, dass neue Schätze ... bereitet und abgesandt waren, dann haben schon alle gejubelt, – welche Erwartungen, welche Ungeduld. Wenn sie ankamen, wie groß war dann die Bewunderung der Freigebigkeit dieses Mannes, wie haben sie ihn gelobt. Durch die ganze Akademie ist dann dieses Lob gedrungen“.

Asch sollte zwar der (bislang) größte Förderer der Göttinger Universitätsbibliothek, aber selbstredend nicht ihr einziger bleiben. So erfuhr die Kartensammlung der Bibliothek im Jahre 1887 eine beträchtliche Erweiterung. Fünf Jahre vor seinem Tod hatte ihr der Direktor der Bremer Navigationsschule Arthur Breusing (1818 – 1892) seine Sammlung kostbarer Atlanten und Karten zum Geschenk gemacht. Die Sammlung ging auf sein starkes Interesse an der Geschichte der Geographie und Kartographie zurück, einem Themengebiet, zu dem er zahlreiche Veröffentlichungen verfasste. Breusing hatte von 1841 bis 1847 an der Georgia Augusta studiert und sich neben mathematischen und astronomischen Studien auch der Philologie und anderen Wissensgebieten gewidmet. 1861 war er hier zum Doktor der Philosophie promoviert worden.

Im beginnenden 20. Jahrhundert war es der amerikanische Bankier John Pierpont Morgan (1837 – 1913), dem die Göttinger Bibliothek wertvolle Bestandszuwächse verdankt. Der aus einer wohlhabenden Bostoner Familie stammende Morgan studierte 1856 Mathematik und Chemie an der Göttinger Universität, die er nach eigenem Bekunden für „the greatest and finest in Germany“ hielt. Nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten begann seine beispiellose Karriere als Bankier, die ihn schließlich zu einem der wohlhabendsten und einflussreichsten Männer im Lande machte. Schon früh begann er, sein Vermögen in den Ankauf wertvoller Kulturgüter aus Europa zu investieren, und ließ aufwändig gestaltete Kataloge seiner Sammlungen anfertigen. Größere Summen seines Vermögens verwandte Morgan zugunsten künstlerischer Projekte. So ermöglichte er dem Photographen Edward Sheriff Curtis (1868 – 1952) die Drucklegung seines Werkes The North American Indian. Als Gegenleistung erhielt John Pierpont Morgan 25 Exemplare der limitierten Auflage, von denen er die meisten an Bibliotheken verschenkte. Das Exemplar mit der Nr. 8 ging an die Göttinger Bibliothek. Im Jahre 1912 veranlasste Morgan schließlich, dass der Bibliothek ein Scheck über $ 50.000 zugewiesen werden solle. Mit dem Kapital, das einem Gegenwert von knapp 200.000 Reichsmark entsprach, wurde 1913 an der Bibliothek die John Pierpont Morgan Foundation begründet, deren Zinsen der Anschaffung amerikanischer und englischer Bücher dienen sollten. In einer Zeit, in der es kaum möglich war, den Literaturbedarf der Universität zu befriedigen, konnte so die seit dem 18. Jahrhundert entstandene, außergewöhnlich reichhaltige Sammlung angloamerikanischer Literatur weiter aufgebaut werden: Zwischen 1913 und 1920 wurden mehr als 2.500 Titel erworben, darunter auch eine Reihe antiquarischer Ergänzungen. Leider sollte sich die Stiftung als kurzlebig erweisen: Die Zeichnung von Kriegsanleihen auf das Kapital im Ersten Weltkrieg, die Inflation der Zwischenkriegsjahre und die Verwendung des Geldes für Sammlungen des Winterhilfswerkes im Zweiten Weltkrieg dezimierten das Stiftungsvermögen immer mehr. Das verbleibende Sondervermögen wurde 1967 aufgelöst.

Ihre wichtigste Schenkung der Nachkriegszeit erhielt die Göttinger Bibliothek im Jahre 1953 mit der Sammlung des 1951 verstorbenen Ministerialdirektors Oskar Mulert (1881 – 1951), des früheren Präsidenten des Deutschen und Preußischen Städtetages. Die Oskar-und-Ilse-Mulert-Stiftung enthält etwa 1.000 Drucke der Reformationszeit und mehrere Inkunabeln, darunter drei hochdeutsche Bibeln des 15. Jahrhunderts. Zusammen mit den Autographa Lutheri (s. Kap. 11) bilden sie eine der umfassendsten Spezialsammlungen von zeitgenössischen Ausgaben Luthers.

(SG/HR)