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Kapitel 10 - In Dankbarkeit verbunden – Schenkungen Ehemaliger | Übersicht |


111 Kaiserbiographien in einer
italienischen Handschrift

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Gaius Suetonius Tranquillus:
De vita et moribus Caesarum.
Pergamenthandschrift,
Italien, um 1480.
Signatur: 2° Cod. Ms. philol. 161 Cim.
Provenienz: Johannes Christoph August Blauel, 1837

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2° Cod. Ms. philol. 161 Cim. (Ausschnitt)
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Diese prachtvolle Handschrift enthält die Kaiserbiographien Suetons (ca. 75 – ca. 150), der am römischen Kaiserhof Karriere gemacht und verschiedene Sekretariatsstellen bekleidet, vor allem die Leitung der kaiserlichen Kanzlei mitsamt ihrer Korrespondenz beaufsichtigt hatte – eine sehr einflussreiche und mit Blick auf seine anschließende Betätigung als Schriftsteller zentrale Position. Den Wert seiner Darstellungen zu den Herrschern von Caesar bis Domitian macht der Reichtum an Details aus, die der Bücherwurm Sueton – Plinius nennt ihn scholasticus – akribisch sammelnd und dokumentierend referierte. Der Fülle an Information steht freilich ein Minimum an Einsicht gegenüber. Sueton war kein großer Historiker, sondern beflissener Biograph mit der „Sichtweise eines Kammerdieners“. Immerhin ist sein Werk aber unterhaltend und befriedigte zu allen Zeiten ein gewisses voyeuristisches Interesse der Leserschaft.

Die um 1480 herum entstandene Handschrift ist in mehrfacher Hinsicht ein herausragendes Werk und eines der Glanzstücke der Bibliothek. Maßgeblich beteiligt war an ihrer Her- stellung der paduanische Kalligraph Bartolomeo Sanvito, der am Ende des 15. Jahrhunderts in Rom im Umfeld des Pomponius Laetus, eines Pioniers auf dem Gebiet der Forschungen zur Antike und Begründer eines Accademia genannten Kreises von Altertumsfreunden, nachzuweisen ist.

Von zeitloser Schönheit und unglaublicher Frische sind bis heute die Zierseiten der Handschrift, von denen die 12 Biographien jeweils eingeleitet werden. Darauf sind regelmäßig der Name des Kaisers als Überschrift, der Beginn des Textes mit einer kunstvollen Zierinitiale und die Wiedergabe eines Münzportraits angeordnet. Benutzt wurden von Sanvito die Farben Gold, Ultramarinblau, Weinrot, Olivgrün und Purpurviolett. Es entspricht dem in der Accademia gepflegten Geist, wenn hier der Versuch unternommen wird, einen antiken Text mit authentischen, passenden Elementen zu schmücken. Dazu zählen die nach der Art einer römischen capitalis quadrata ausgeführten Initialen, vor allem aber die Münzbilder der Kaiser. Und in der Initiale „E“, mit der die Nerobiographie beginnt, erkennt man ein weiteres Antikenzitat: einen bocksbeinigen, bärtigen und gehörnten Pan, für den wahrscheinlich eine der Panfiguren der Sammlung Della Valle in Rom als Vorbild diente. Die qualitätvolle Handschrift wurde 1837 aus dem Besitz des Pfarrers Blauel (1766 – 1862) aus Obernjesa für einen nicht genannten Preis angekauft. Blauel hatte übrigens als Student in Göttingen bei Christian Gottlob Heyne gewohnt.

(JM)