85. Deutscher Bibliothekartag


Die Herausforderung der Bibliotheken durch
elektronische Medien und neue Organisationsformen


Vortragsveranstaltungen


Kurzfassungen
Themenkreise I - XXII



Betreuung: Anderhub, Saleh
HTML-Bearbeitung durch: Stefan Budel (UB Dortmund)
Göttingen, 06. bis 10.06.1995



Übersicht über die Themenkreise


I. Netzwerke I
II. Document-Delivery
III. MAB
IV. Elektronische Medien I: Erschließung
V. Die Herausforderung aus Sicht englischer Bibliotheken
VI. RSWK für den Online-Katalog
VII. Netzwerke II: Praxis
VIII. EDV-Bibliothekssysteme in Universitäten
IX. Elektronische Medien II: Erwerbung
X. Bibliotheksbau
XI. Öffentliche Bibliotheken als Eigenbetrieb
XII. Kreisreform
XIII. Das Schiff im Sturm steuern - Zieldefinition für öffentliche Bibliotheken
XIV. Netzwerke III: Internet und zukünftige Informationsstrukturen
XV. Altes Buch und Neue Medien
XVI. Nachlaßbearbeitung mit EDV
XVII. Migration der deutschen Bibliotheksverbünde
XVIII. EDI - ein Weg zur Leistungssteigerung
XIX. Organisation und EDV
XX. Verlagsarbeit im elektronischen
XXI. Die virtuelle Bibliothek
Liste der Referate ohne Abstracts


Themenkreis I, 07.06.95: 9.oo-10.3o Uhr

Übersicht:
Dienstleistungen im europäischen Netz (Prof. Klaus-Dieter Lehmann, Frankfurt/M)
SUBITO - ein Schlagwort und was dahinter steht (Dr. Michael Chr. Hirsch, Bonn)
Organisation und Funktionalität der Literatur- und Informationsdienste (Prof. K.-D. Lehmann, Frankfurt/M)
Dokumentlieferung: kurzfristige Lösungen (Berndt Dugall, Frankfurt/M)

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Dienstleistungen im europäischen Netz

Prof. Klaus-Dieter Lehmann, Frankfurt/M

Eine europäische Bibliothekspolitik als zentral definierte Verantwortung muß in allererster Linie die Entwicklung einer entsprechenden technischen Informationsinfrastruktur zum Ziel haben. Dabei kommt der Vernetzung besondere Bedeutung zu. Darauf können die bibliothekarischen Dienstleistungen aufbauen.

Dargestellt werden die Netzanforderungen an europäische Bibliotheksdienstleistungen:

Ausgehend von der technischen Infrastruktur wird das Spektrum von Bibliotheksdienstleistungen beschrieben, wie es insbesondere durch das 3. und 4. Rahmenprogramm des Telematics-Programm der Europäischen Union gefördert und etabliert wird. Dabei werden Dienstleistungen von Nationalbibliotheken und Universitätsbibliotheken besonders berücksichtigt.

Nationalbibliotheken: Archivierung, Zugriff und bibliographische Kontrolle von elektronischen Publikationen, Modelle für kooperative nationalbibliographische Dienstleistungen in Europa und Optimierung des Vertriebs auf Netzen, die Rolle der Nationalbibliotheken als Knoten in einem verteilten Rechnernetz.

Universitätsbibliotheken: Suche in vernetzten OPACs, Volltextretrieval bei elektronischen Publikationen, Verknüpfen von Suchen, Bestellen und Liefern von Dokumenten, Navigieren durch strukturierte elektronische Dokumente, elektronische Textzentren, Pilotprojekte zur Planung und schrittweisen Realisierung einer virtuellen Bibliothek.

Die professionellen Anforderungen ändern sich durch das Aufgabenspektrum. Aus- und Fortbildung müssen darauf reagieren, um die Bibliothekarinnen und Bibliothekare in den geschilderten Servicebereichen zu qualifizieren.

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SUBITO - ein Schlagwort und was dahinter steht

Dr. Michael Chr.Hirsch, Bonn

SUBITO, die Bund-Länder-Initiative zur Beschleunigung der Literatur- und Informationsdienste.

Die Bedeutung der wissenschaftlichen Information für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Tugend einer Information: bequemer Zugang, zielgenaue und rasche Recherche, Relevanz für die eigene Arbeit, bequeme Bestellung, rasche Lieferung an den Arbeitsplatz und niedrige Kosten. Die Probleme, vor denen heute die Wissenschaftlichen Bibliotheken stehen, wenn sie eine derartige Dienstleistung anbieten wollen: Barrieren zur Fachinformation; steigende Zeitschriftenpreise, real sinkende Erwerbungsetats. Bemühung um Arbeitsteilung und Schwerpunktbildung zwischen den Bibliotheken.

Wachsende Bedeutung der Fernleihe, Probleme der roten Fernleihe: hohe Kosten, Langsamkeit.

Ziel von Bund und Ländern: ein neues Informationssystem, das die Möglichkeiten der modernen Elektronik und der Kommunikationstechnik nutzt. Spektrum von Recherche über Bestellung bis Lieferung. Richtiger Zeitpunkt: erste Erfahrungen mit DBI-LINK, JASON, TIBQUICK, RAPDOC u.a., Direktbestellsysteme, kommerzielle Anbieter.

SUBITO als eine Dienstleistung für Bibliotheken, die diese in die Lage versetzt, ihren Benutzern auch solche Informationen zugänglich zu machen und rasch zu beschaffen, über die sie selbst nicht verfügt. SUBITO wird die alte Fernleihe allmählich verdrängen. SUBITO soll kein Hyper-Informationssystem werden, sondern die bestehenden staatlichen Ressourcen und Informationsdienste ergänzen und zu einer leistungsfähigen Verbunddienstleistung zusammenfassen. Innerhalb von SUBITO werden die deutschen Lieferbibliotheken im Wettbewerb zu ausländischen Bibliotheken und kommerziellen Datenbank-Anbietern stehen.
Stufenweiser Ausbau von SUBITO: Sofortmaßnahmen, Zeitschriftenartikel, Monographien, elektronische Dokumente usw. Leistungs- und Finanzströme zwischen Zugangs- und Lieferbibliotheken. Die Lieferleistung wird der Bibliothek honoriert. Die Hochschule zahlt für ihre Studenten und Bediensteten. Keine Subvention für Leistungen an Nicht-Hochschulangehörige Organisation und Zeitplan der SUBITO-Gremien.

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Organisation und Funktionalität der Literatur- und Informationsdienste

Prof.Klaus-Dieter Lehmann, Fankfurt/M

Literaturversorgung für Lehre und Forschung kann immer weniger nur von der jeweils zu-ständigen Bibliothek geleistet werden. Eine ständig zunehmende Titelzahl von Publikationen (besonders bei Zeitschriften), neuartige Veröffentlichungen und sinkende Etats schränken die autonome Literaturversorgung ein.
Kooperative Strukturen haben in Deutschland Tradition. Die jetzige Form des Leihverkehrs ist jedoch überfordert. Auch die bisherigen kommunikationstechnischen Verfahren schöpfen die vorhandenen Ressourcen nicht effizient aus. Defizite ergeben sich aus dem Fehlen einer systemübergreifenden Kommunikation und einem unzureichenden Funktionsumfang.
Computer und Netz bilden zusammen ein neues Medium. Die Verknüpfung von Literaturrecherche, Literaturnachweis, Literaturbestellung, Dokumentlieferung auf der Grundlage offener Schnittstellen erlauben neue Konzepte für kooperative bibliothekarische Dienstleistungsangebote:
Die Bund-Länder-Initiative Subito zur Beschleunigung der Literatur- und Informationsdienste hat sich diese Entwicklung zur Aufgabe gemacht.

Subito gliedert sich in drei Phasen:

  1. Integriertes Nachweis-, Bestell- und Liefersystem für Zeitschriftenartikel
  2. Integriertes Nachweis-, Bestell- und Liefersystem für Monographien
  3. Dokumentlieferung für elektronische Publikationen.

Derzeit wird Phase 1 geplant, Zeithorizont 1996.
Subito ist eine Produktlinie.

Die Dienstleistung ist folgendermaßen definiert:

Für den Subito-Zugang gilt:

Die Bibliotheksverpflichtungen sehen wie folgt aus:

Moderne Informationsinfrastruktur für verbesserte und neuartige bibliothekarische Dienstleistungen sind kein Notprogramm, sondern ein notwendiges Strukturprogramm. Sie darf deshalb auch nicht als Kompensations für unzureichende Grundausstattung der Bibliotheken mißbraucht werden, sondern muß als leistungsfähige Weiterentwicklung genutzt werden.

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Dokumentlieferung: kurzfristige Lösungen (SUBITO: AG 2)

Berndt Dugall, Frankfurt a.M.

Die Aufgabenstellung der Arbeitsgruppe 2 konzentrierte sich auf die Erarbeitung von Vorschlägen, mit denen die Lieferung von Dokumenten (Fernleihe) beschleunigt und gleichzeitig für die Benutzer/innen transparenter gestaltet werden kann. Ausgangspunkt waren dabei die bestehenden Gegebenheiten, wobei die vorhandenen Strukturen als grundsätzlich veränderbar angesehen wurden. Da die AG2 jedoch einhellig keine Chance auf die kurzfristige, flächendeckende Realisierung ausschließlich elektronischer Lieferdienste sieht, diese auch kurzfristig nicht für zwingend geboten erachtet, wurde das von der AG2 angestrebte Ziel in der zuverlässigen Erbringung einer Dienstleistung (hier Erledigung von Bestellungen innerhalb von 48 Std, nach Möglichkeit in der von Benutzern gewünschten Form) gesehen.
Die dazu erarbeiteten Vorschläge sehen folgende Gegebenheiten vor:

Struktur der Dienstleistung
Bestellungen von Benutzerseite können wahlweise über eine bestellende Bibliothek oder direkt von Benutzern an Lieferbibliotheken gesandt werden. Ebenso ist die Belieferung des Benutzers - zumindest in allen Fällen, in denen die Materialien zum Verbleib bei dem Endnutzer dienen - direkt oder auch über eine gewünschte Bibliothek möglich. Dahinter steht die Idee, die Anzahl der Schritte von der Bestellung bis hin zur Lieferung zu reduzieren. Dieser Vorschlag koppelt sich bewußt und absichtlich von den bestehenden Leihverkehrsstrukturen ab und favorisiert ein Modell, welches über international tätige Dokumentlieferdienste bereits existiert.
Um die Transparenz für Benutzer sicherzustellen, sollte die liefernde Bibliothek die Bearbeitung innerhalb von 48 Stunden - gerechnet ab Eingang der Bestellung - garantieren, bzw.im Falle einer Nichterledigung den Besteller darüber in Kenntnis setzen. Eine Weiterleitung der Bestellung an eine andere möglicherweise als Lieferant in Frage kommende Bibliothek ist nicht beabsichtigt.

Teilnehmende Bibliotheken
Grundsätzlich geht die Arbeitsgruppe davon aus, daß jede Bibliothek einen solchen Service leisten kann, wenn Sie über die notwendigen Strukturen verfügt. Ein solcher Dienst kann sich jedoch nur dann wirkungsvoll entfalten, wenn die jetzt den Leihverkehr wesentlich tragenden Bibliotheken sich dabei nicht ausschließen. Deshalb wurde der Vorschlag erarbeitet, in einem ersten Schritt zumindest all diejenigen Bibliotheken zu einer Beteiligung zu bringen, die schon jetzt im Rahmen des Deutschen Leihverkehrs mehr als 50.000 Bestellungen pro Jahr erhalten (und erledigen).
Teilweise verfügen diese Bibliotheken schon über besondere (kostenpflichtige) Service-leistungen, z.T. müßten sie jedoch für die Teilnahme an einem neuen Dienst erst noch gewonnen werden.
Darüber hinaus wäre es entscheidend, die Zahl der an DBI-LINK teilnehmenden Bibliotheken schnell zu erhöhen, da auf diese Weise eine direkte Beschleunigung der Dokumentlieferung erreichbar scheint.

Bestellform
Voraussetzung für die schnelle Umsetzung einer beschleunigten Dokumentlieferung ist nach einhelliger Auffassung das Aufsetzen auf bestehenden Strukturen. Ziel muß es deshalb sein, die existierende Vielfalt sinnvoll zu nutzen und zu kanalisieren, nicht aber, ausschließlich eine - zudem vielleicht noch wenig verbreitete Möglichkeit - zu favorisieren.
Die AG hat sich deshalb dafür ausgesprochen, Direktbestellungen zunächst in Form einer schriftlichen Bestellung per Post und per Fax ausdrücklich zuzulassen. Beide Formen sind auch in wesentlichen Teilen der Hochschulen immer noch als bevorzugte Varianten anzusehen. Dafür wurde ein kombiniertes Bestellformular entwickelt. Gleichzeitig soll jedoch auch die elektronische Bestellform über e-mail als Alternative angeboten werden, wobei auf bestehenden Lösungen (TIBMAIL) aufgesetzt werden soll. Die grundsätzlich ebenfalls ins Auge gefaßte Variante über DATEX-J wird dagegen eher zurückhaltend beurteilt, weil die wenigen Bibliotheken, die bisherper Post, per Fax und die elektronische Lieferung (FTP) als gleichrangig nebeneinanderstehende Lösungen angesehen werden. einen solchen Service anbieten, keine hohe Nutzungsrate haben.

Dokumentlieferung
Grundsätzlich sollen die Lieferung per Post, per Fax und die elektronische Lieferung (FTP) als gleichrangig nebeneinanderstehende Lösungen angesehen werden. Internationale und nationale Erfahrungen haben jedoch gezeigt, daß die weitaus überwiegende Zahl der Nutzer (noch) Fax oder Post gegenüber rein elektronische Formen bevorzugt.
Für die Fax-Lieferung sollen die Bibliotheken mit Fax-Kopierern ausgestattet werden, die eine einmalige Zwischenspeicherung der gewünschten Dokumente erlauben und eine zeitversetzte Stapelübertragung (Ausnutzung kostengünstiger Nachttarife) zulassen. Solche Geräte sind in der Praxis erprobt und bedeuten eine Investition in der Größenordnung von ca. 15.000 DM pro Anwendung. Auf diese Weise ist es möglich, die Endnutzer direkt zu bedienen. Die Versendung über FTP sollte jedoch ebenfalls angeboten werden, wenn die Besteller diese Form ausdrücklich wünschen.
Bei der Lieferung umfangreicher, nur für Leihzwecke gedachter Dokumente (z.B. Monographien), wird dagegen die Direktbelieferung an Endnutzer überwiegend skeptisch beurteilt.

Kosten
Da die Kosten- und Gebührenregelungen der einzelnen Bibliotheken länderweise große Unterschiede aufweisen, hält es die AG für ausgeschlossen, kurzfristig zu einer Harmonisierung zu kommen. Im Sinne eines schnellen Starts eines SUBITO-Programms müßte in Kauf genommen werden, daß die kostenrechtlichen Gegebenheiten von Bibliothek zu Bibliothek variieren.

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Themenkreis II, 07.06.95: 9.oo-10.3o Uhr

Übersicht:
Brave New World (Stephen Vickers, Bosten Spa)
Information als Ware (Albert Bilo, Düsseldorf)
Sind kostenpflichtige Online-Kataloge ein Eigentor? (Dr. M. Mallmann-Biehler, Konstanz)

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Brave New World - Elektronische Dienstleistungen am Beispiel der von der British Library initiierten nationalen Projekte

Stephen Vickers, Boston Spa

Neue Technologien bringen Veränderungen mit sich, die so bedeutend sind wie die Entwicklung des Druckes mit beweglichen Lettern. Sie verändern radikal die Art, wie Wissen entsteht, wie es gespeichert und weitergegeben wird, und sie verändern ebenfalls die Rolle sowie das Verhältnis zwischen Autoren, Verlegern und Bibliotheken.

Das British Library Document Supply Centre hat immer schon Automatisierung und neue Technologien genutzt, um seine Effizienz und die Kosteneffektivität interner Abläufe zu steigern, damit dem Kunden mehr Flexibilität geboten werden kann und um den Umfang der Servicemöglichkeiten zu erweitern. Neue Techniken sind bei fast jedem Schritt in der Kette zwischen Kunde und Lieferant angewandt worden.

Der Vortrag beschreibt einige dieser neueren Veränderungen, da sie

beeinflussen.

Das Document Supply Centre verwendet diese neuen Technologien, um einen kohärenten und integrierten Serviceansatz zu entwickeln, der den Endnutzern eine Kombination von Suche in seinen Current Awareness Datenbanken, eine automatische Bestellfunktion, die Lieferung innerhalb von zwei Stunden (oder eine negative Antwort) samt integrierter Bezahlung ermöglicht.

Obwohl das Document Supply Centre genau weiß, wie es seine Dienstleistungen weiter ausbauen möchte, so sind doch noch einige Hindernisse zu überwinden. Einige dieser Hindernisse hängen mit den Technologien selbst zusammen, andere mit dem juristischen Rahmen, innerhalb dessen die Services geleistet werden können. Andere wiederum sind bedingt durch die Bedürfnisse und Erwartungen des Benutzers. Der Vortrag befaßt sich mit der Notwendigkeit des Fortschritts in eben diesen Bereichen, ohne den Bibliotheken und ihre Nutzer die Vorzüge, die diese neuen Technologien mit sich bringen, wohl kaum genießen können.

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Information als Ware: Kosten- und leistungswirksames Marketing für Hochschulbibliotheken

Albert Bilo, Düsseldorf

Hochschulbibliotheken unterliegen auf dem gegenwärtig sich dynamisierenden Informations-markt einer wachsenden Konkurrenzsituation. Sie müssen im Verteilungswettbewerb um Hauhaltsmittel und in Konkurrenz mit neuen Informationsanbietern (elektronische Dienste) ein marktorientiertes Dienstleistungsangebot bieten. Mit dem Angebot elektronischer Medien als Informationsquelle ist ein neuer Markt für die Ware "Information" entstanden. Document-Delivery, Lieferung und Bereitstellung von Information als zentrale Dienstleistung von Hochschulbibliotheken bedarf betriebswirtschaftlicher Konzepte, damit sich Qualität in diesem Markt behauptet. Aus diesen Gründen sind Erkenntnisse über den Informationsmarkt, Analysen der Benutzerbedürfnisse und die Festlegung von Zielen und Zielstrategien unabdingbar. Die neue Aufgabenstellung fordert neue Konzepte und Organisationsformen heraus.

Die vorliegende Literatur zum Marketing, zum Thema Leistungsmessung oder Controlling in Nonprofit - Unternehmen liefert eine Reihe von Ansätzen, aber eine praxisbezogene Umsetzung und eine Prüfung, ob diese für den erwerbswirtschaftlichen Bereich durch die Betriebswirtschaftslehre entwickelten Handlungsstrategien für Bibliotheken hinreichend tragfähig sind, steht aus.

Der Vortrag wird die auf diesem Hintergrund für die Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf erarbeiteten Überlegungen einer kosten- und leistungswirksamen Marketingstrategie vorstellen. Diese Überlegungen zielen auf die Aufstellung eines Maßnahmenkataloges, der die seit vielen Jahren formulierten Vorschläge zum Thema zu konkretisieren versucht. Thesenartig formuliert werden dabei die folgenden Bereiche einbezogen:

Die bestehende Nachfrage nach elektronischen Diensten wird durch die Hochschulbibliotheken erkannt, wahrgenommen, gesteuert und strukturiert. Sie besitzen die Kenntnisse, um diese Seite des Informationsmarktes als qualitative Ergänzung zur gedruckten Information anzubieten.

Die Qualität des Dienstleistungsangebotes der Bibliotheken wirkt auf die Effizienz des Studien- und Forschungsbetriebes und wird als Grad der Benutzerzufriedenheit gemessen. Die unter dem Stichwort "Qualitätsmanagement" eingeführten Instrumente sind anzuwenden. Bestandsaufbau, Erwerbungsprofil und die Analyse der Ausleihstatistik liefern hier ebenso Ansatzpunkte wie Buchdurchlaufzeiten oder Öffnungszeiten.

Es ist nicht nur die Nachfrage zu befriedigen, sondern es ist auch Nachfrage zu schaffen. Positiv ausgedrückt bedeutet dies, Bibliotheken haben auch die Informationen und Arbeitsressourcen anzubieten, die der "Kunde" noch nicht kennt oder die er nicht erwartet. Der Bibliothekar als Informationsspezialist ist Dienstleister im arbeitsteiligen Prozeß des Wissenschaftsbetriebes. Mit Schulungen und Lehrveranstaltungen durch die Fachreferenten wird Information und werden die neuen Informationsquellen vermittelt.

Die Zielfestlegung und die Zielvereinbarung ist Ausgangspunkt einer Marketingstrategie. Die Vereinbarung von Zielen für jeden Arbeitsplatz und im Rahmen einer Gesamtplanung gewährleistet, daß die Marketingstrategie auch eingesetzt und verwirklicht wird. Ein Marketingkonzept bewirkt die Veränderung von Organisationsstrukturen innerhalb der Bibliothek, ist Führungsinstrument und aktiviert Mitarbeiterpotentiale. Mit dieser Wirkung auf die "Unternehmenskultur" wird ein Prozeß der Personalentwicklung initiiert.

Die Bibliothek bietet in einem abgestuften System verschiedene Dienstleistungen an. Die Abstufung besteht in einer differenzierten Selbstverpflichtung, Leistungen in einem zu vereinbarenden zeitlichen und gebührenmäßigen Rahmen zu erbringen. Diese Kalkulierbarkeit der Informationsbereitstellung schafft Kundenzufriedenheit und ist Instrument der Marketingstrategie. Ebenso wie die Zielvereinbarung wird die Form der Vereinbarung auch für betriebinterne Abläufe angewendet. Die regelmäßige Abfrage und Prüfung, inwieweit die Vereinbarung gegenüber dem Benutzer oder bei den internen Geschäftsgängen eingehalten wurde, bilden einen internen Kontrollmechanismus, der Marketing kosten- und leistungswirksam macht.

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Sind kostenpflichtige Online-Kataloge ein Eigentor?

Dr. Marion Mallmann-Biehler, Konstanz

Zettelkataloge, lokale und teilweise auch regionale und überregionale Online-Kataloge sind kostenlos nutzbar. Einige Verbundkataloge sowie die über die Fachinformationszentren zugänglichen Datenbanken lassen sich nur entgeltplichtig nutzen.

Bundes- und Länderministerien vertreten die Ansicht, daß ein Teil der Ausgaben für den Betrieb der Datenbanken über Entgelte eingeholt werden muß. Mit der Entgeltpflicht ist jedoch eine Nutzungsbeschränkung verbunden, die die Zugänglichkeit zu deutschen Bibliotheksbeständen sowohl innerhalb, aber vor allem auch außerhalb Deutschlands erheblich begrenzt.

Die Verwaltungsvorgänge, um Dateien eingetragener Benutzer zu aktualisieren, Rechnungen auszugeben und den Zahlungseingang zu überwachen, erfordern einen Aufwand, den nur größere Institutionen wie Fachinformationszentren leisten können. Die Verwendung von Kreditkarten läßt sich zumindest in absehbarer Zeit nicht in deutschen Einrichtungen einführen. Auch andere Systeme wie die Smart-Card scheinen keine Lösung des Problems zu sein. Aber ist es überhaupt sinnvoll, bibliographische Daten kostenpflichtig anzubieten?

Über das Internet können weltweit Datenbanken von Bibliotheken und Verbundsystemen kostenlos abgefragt werden. Schließen sich die deutschen Verbundsysteme aus diesen Kommunikationsdiensten wie Gopher, World Wide Web etc. aus, so werden ihre ohnehin anders strukturierten Literaturdaten für die internationale Bibliothekswelt ohne Belang sein.

Die deutschen Verbundsysteme haben im Vergleich zu denen des Auslands bisher ein geringes Dienstleistungsspektrum. Selbst die Monographien sind größtenteils noch nicht einheitlich erschlossen und Fernleihsysteme erst im Ansatz sichtbar, so daß sie wenigstens ihre Daten auf den Netzen anbieten sollten.

Innerhalb Deutschlands haben sich schon jetzt gravierende Probleme für entgeltpflichtige Bibliotheken und Benutzer ergeben: beim Südwestdeutschen Bibliotheksverbund sind die vom Land Baden-Württemberg finanzierten Einrichtungen berechtigt, kostenlos zuzugreifen; die anderen Teilnehmer, vor allem aus Sachsen, Rheinland-Pfalz etc., müssen je nach tatsächlicher Nutzung Entgelte entrichten. Die Verbundarbeit erfordert standardisierte redundanzfreie Eingaben, die aufwendiger als das einfache Eingeben in autonome lokale Systeme sind. Daraus ergibt sich: wer sorgfältiger arbeitet, muß mehr Entgelt zahlen.

Die zuständigen Gremien und Ministerien sollten daher auf nutzungsbezogene Entgelte für Verbundkataloge verzichten, um Bibliotheken und deren Benutzern den Online-Zugriff zu erleichtern statt zu erschweren.

Ein möglicher Ansatz läge darin, Recherchen grundsätzlich frei anzubieten, während die Teilnahme an der Kooperation Sach und Formalerschließung mit pauschalisierten Entgelten bezahlt werden müßte. Auch die separaten Entgelte für Fernleihbestellungen und Bücherautos könnten hier miteinfließen, um eine effiziente Verwaltung zu ermöglichen.

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Themenkreis III, 07.06.95: 9.oo-10.3o Uhr

Übersicht:
Relevanz von Kategorien anhand ihrer Häufigkeit in DB-MAB (HR Dr.Karl F.Stock, Graz)
MAB2, UNImarc, USMARC: strategische Überlegungen zur Formatdiskussion (Dr.Stefan Gradmann, Göttingen)

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Relevanz von Kategorien anhand ihrer Häufigkeit in DB-MAB

HR Dr.Karl F.Stock, Graz

Eine Durchforstung der aufgeblähten Kategorienschemata und Regelwerke ist notwendig. Rückschlüsse auf Notwendigkeiten und Überflüssiges in Kategorienschemata, Datenformaten und Regelwerken sind möglich, wenn bibliographisch-bibliothekarische Datenbanken in Bezug auf Häufigkeiten der einzelnen Datenfelder analysiert werden.

Für die Erfassung bibliographischer Daten wurden zu Beginn der Sechzigerjahre einfache Katagorienschemata entwickelt. Um 1968 entstand das MARC-Format und um 1972 das MAB-Format. Für jede Katalogisierungsregel und bibliographisch-bibliothekarische Entität waren entsprechende Datenfelder vorgesehen. Daraus ergaben sich diese kategorienreichen Schemata. Ist dieser Reichtum an Kategorien auch zweckmäßig und notwendig, oder wurde da nicht maßlos übertrieben? Vieles, was damals noch gar nicht ins Auge gefaßt wurde, hat man inzwischen auf Grund der Anwendungserfahrungen in weiteren Subschematas für Erwer-bungs-, Verwaltungs- und Ausleihtransaktionsdaten festgelegt, manches Feld aber, das damals wichtig erschien, wurde bis heute noch nie belegt.

Zahlreiche Experten entwerfen ihre Regelwerksbestimmungen ohne Rücksicht auf den wirklichen Bedarf und orientieren sich selten an praktischen Überprüfungen ihrer Ideen.Wie kann man aber feststellen, was wirklich notwendig und unverzichtbar ist von über 350 Kategorien, die wiederum auf so und so vielen Regelwerksparagraphen beruhen und diesen oder jenen Einfluß auf die Verkomplizierung der Datenformate, der Massenspeicherausnutzung und des Bearbeitungsaufwandes sowie der Rückstände haben? Das Optimum gilt es zu finden, das irgendwo zwischen den wenigen Kategorien auf der einen und den allzu vielen auf der anderen Seite liegen muß. Wir können nun im nachhinein durch Analyse besser feststellen, was zweckmäßiger und notwendig ist, als die Entwickler dieser Schemata, die nur auf Grund ihrer konventionellen Erfahrungen sich zu den Möglichkeiten eines brauchbaren Modells vortasten und auch entscheiden mußten. Solange wir selbst daran interessiert sind und uns bemü en, unsere Projektergebnisse zu überprüfen und zu evaluieren, und gegebenenfalls auf Grund dieser Evaluierungen zu verbessern und weiterzuentwickeln, solange haben wir es selbst in der Hand, daß wieder ein ausgewogenes Produkt entsteht. Denn der Druck und Zwang von außen zur Verschlankung führt nur zu Extremen, die uns auf Grund der Detailunkenntnis derjenigen, die uns dazu auffordern, zu weitreichenden Schwierigkeiten führen können. Nur wir selbst können die richtige Mitte unseren bisherigen Erfahrungen, mit den Erkenntnissen aus der Anwendung und den daraus resultierenden Ideen ansteuern.

An zwei bibliographischen Katalogisierungskomplexen, die Kategorienschema, Datenformat und Regelwerk betreffen, soll eine statistische Analyse aufzeigen, welche Kategorien in Wirklichkeit tatsächlich so oft vorkommen, daß man sie beibehalten soll und welche ohne gravierende Folgeprobleme weggelassen werden.

In dieser Untersuchung werden solche Kategorien, die 50 % und mehr als Belegungshäufigkeit erreichen, als unbedingt notwendig eingestuft. Kategorien mit Belegungshäufigkeiten von
1-49 % werden als wichtig, und solche unter 1 % als nicht wichtig bewertet. Da diese Werte in den Auswertungstabellen nachgeprüft werden können, können leicht auch andere Bereiche für die entsprechenden Wichtigkeiten festgelegt werden, was an dieser Auswertungs- und Bewertungsmethode an sich nichts ändert.

Bevor jedoch über die Wichtigkeit oder Unwichtigkeit von Kategorien Entscheidungen getroffen werden, müssen auch die Datenbestände von Bibliotheken und Verbundkatalogen, die bei der Katalogisierung tatsächlich MAB oder ein anderes Kategorienschema verwenden, in gleicher Weise analysiert werden.

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MAB2, UNImarc, USMARC: strategische Überlegungen zur Formatdiskussion

Dr.Stefan Gradmann, Göttingen

Datenaustauschformate - nicht nur für bibliographische Daten - orientieren sich wesentlich an drei Paradigmata: an der inhaltlichen Strukturierung der in einem abstrakten Datenmodell codifizierten Objekte (Inhaltsebene), an dem DV-technischen Kontext, in dem die zu übermittelnden Informationen verarbeitet werden sollen (Verarbeitungsebene) und an den tech-schen Rahmenbedingungen für die eigentliche Datenübertragung (Übertragungsebene). Schließlich müssen Austauschformate banalerweise den spezifischen Anforderungen der austauschenden Partnerinstitutionen Rechnung tragen.

Die Grundstrukturen des in Deutschland maßgeblichen Austauschformates MAB sind in den achziger Jahren angelegt worden. Seitdem sind in der Verarbeitungs- und in der Übertragungsebene ganz erhebliche Veränderungen erfolgt. Zudem agieren die potentiellen Austauschpartner inzwischen auf sehr unterschiedlichen funktionalen Ebenen mit je spezifischen Verarbeitungsanforderungen: hier sind vor allem die nicht mehr isoliert, sondern im regionalen Funktionskontext der Verbundsysteme agierenden Lokalsysteme zu nennen. Mit der Vorlage von MAB2 hat der MAB-Ausschuß solchen Veränderungen Rechnung getragen, entsprechend insgesamt positiv ist auch die Reaktion der Verbundsysteme und der in deren Funktionskontext eingebundenen Lokalanwender.

Kritik kommt vor allem vonseiten der öffentlichen Bibliotheken. Zum einen kommen die Vorteile des Neuansatzes für diesen Anwenderkreis kaum zum Tragen, weil er (noch!) nicht in gleicher weise von den angedeuteten Veränderungen auf der Übertragungs- und Verarbeitungsebene betroffen ist. Dementsprechend schwerer wiegen für diesen Anwen-derkreis dann der mit der Formatumstellung verbundene Aufwand und die daraus resultierenden Kosten.

Schließlich stellt sich die Frage, ob anstelle des Übergangs nach MAB2 nicht die Anwendung eines international gängigen Austauschformats ins Auge gefaßt werden sollte.

In diesem Diskussionskontext versucht der Vortrag drei Hauptthesen herauszuarbeiten: