Die Hochschule für Bibliotheks- und Informationswesen in Stuttgart hat Anfang Mai einen Tag der offenen Tür veranstaltet, zu dem in erster Linie Schüler der Oberstufenklassen aus Stuttgart und Umgebung eingeladen waren. Während einer CD-ROM-Demonstration wurde ich von einer Mutter, die mit ihrer Tochter sich die Hochschule anschaute, gefragt, ob es notwendig sei, diese Art von Medien in Bibliotheken anzubieten. Beide hatten Probleme, nicht nur für das CD-ROM-Produkt sondern auch für die Informationstechnologien, wie sie an diesem Tag im Haus präsentiert wurden, einen adäquaten Platz in der Bibliothek zu finden. "Das habe ich schneller nachgelesen..." oder "Wissen Sie, meine Tochter liest gerne..." waren Sätze, mit denen ich während des Gesprächs konfrontiert wurde.
Diese kurze Begebenheit macht deutlich, wie wichtig die Aufklärung über unseren Beruf - und darüber hinaus, wie aufschlussreich ein Tag der offenen Tür für potentielle Studieninteressenten sein kann.
Themenkreise, wie sie in diesen Tagen in Erlangen diskutiert werden, ob nun "elektronische Dokumentbestellung und -lieferung", "Finanzierung und Kostenrechnung" oder "Marketing und Sponsoring" zeigen auf, dass die Bibliotheken heute keine Bibliothekare brauchen, die sich belesen und still hinter ihren Büchern verstecken wollen, sondern konstruktive Mitarbeiter, für die Informationstechnologie und Dienstleistungszentrum keine Fremdwörter sind. Dieser Typus von Bibliothekar entspricht aber leider nicht dem Bild des Berufes, wie es sich hartnäckig in der Gesellschaft hält und das - wie sich am Tag der offenen Tür zeigte - ausschlaggebend für die Berufsentscheidung von Abiturienten sein kann. Es ist mehr als dringlich, das traditionelle Bild des Berufes, das in der Gesellschaft vorhanden ist, zu revidieren. Um technologische Neuerungen in den Bibliotheken umzusetzen, braucht es aufgeschlossene Mitarbeiter, um "Bibliotheksmanagement nach Maß", wie es im Themenkreis Nr. VI vorgestellt wird, zu realisieren, ist Kundenorientierung gefragt, und um sich mit Fragen der Kostenrechnung oder des Marketings auseinandersetzen zu können, ist Kompetenz gefordert. Da reicht es für die Berufsfindung nicht aus, wenn man gerne liest.
Die Kommission Ausbildung und Beruf des VdDB sieht es als eine ihrer Aufgaben an, sich für ein neues Bild des bibliothekarischen Berufes in der Gesellschaft zu engagieren und Strategien für eine Öffentlichkeitsarbeit zu entwerfen, die die Verbreitung eines adäquaten Berufsbildes fördern.
Zusammen mit der VdDB-Kommission Neue Technologien lud sie im Dezember letzten Jahres zu einem Workshop ein, der im Rahmen des Internationalen Kongresses "Informationsspezialisten zwischen Technik und gesellschaftlicher Verantwortung" stattfand. Der Kongress wurde von der Hochschule für Bibliotheks- und Informationswesen in Stuttgart veranstaltet.
Die Bibliothekare haben bereits über sich und darüber, wie sie gerne gesehen werden wollen, fleissig publiziert, d.h. wie gut wir sind bzw. wie gut wir sein wollen, können wir vielfach nachlesen. Doch wie werden wir z.B. in den Bereichen der Gesellschaft gesehen, die über unseren Beruf informieren? Welche Informationen brauchen sie, um unsere Arbeit als Informationsspezialisten der Gesellschaft und für die Gesellschaft wirkungsvoll und kompetent vermitteln zu können? Diese Fragen waren uns Anlass, gezielt Multiplikatoren für unseren Workshop einzuladen, um mit ihnen Strategien für eine effektive Öffentlichkeitsarbeit zu erarbeiten. Deshalb fand der Workshop auch unter Ausschluss der Kongressöffentlichkeit statt; das Ergebnis des Workshops und weitere Anstösse zu neuen Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit sollten dann einem grösseren Publikum hier in Erlangen vorgestellt werden. Aus finanziellen Gründen gingen die Einladungen zum Workshop in erster Linie an Teilnehmer aus der Region Stuttgart, was in Folge bei der Zusammensetzung des Podiums hier in Erlangen seinen Niederschlag gefunden hat. Aus Stuttgart sind angereist: Frau Beutinger, Frau Fischbach, Herr Vodosek und ich.
Unserer Einladung zum Workshop folgten neben Frau Beutinger von der IHK in Stuttgart je eine Vertreterin bzw. ein Vertreter des Arbeitsamtes, der Gewerkschaft, des Landtags, der Ausbildungsstätten, des VBB und aus dem Kreis der Bibliotheksbenutzer. Hinzu kamen noch eine Studentin der HBI, die an einem Projekt über Öffentlichkeitsarbeit an wissenschaftlichen Bibliotheken teilnahm und zwei Kolleginnen, die in ihren Bibliotheken mit dem Thema Öffentlichkeitsarbeit konfrontiert sind. Eingeladen waren auch Vertreter der Presse. Leider konnten wir trotz mehrerer Rückfragen niemanden zur Mitarbeit gewinnen - symptomatisch? Wir hätten im Workshop außerdem noch gerne einen Gestaltungsexperten begrüßt, denn die Verpackung ist ein nicht zu unterschätzender Faktor bei der Übermittlung von Information. Doch leider mußte unser Gast kurzfristig absagen. Wir freuen uns, dass es heute geklappt hat und wir eine Expertin in unserer Runde haben.
Als Einstieg in die Diskussion interessierte uns zunächst, wie sich die nicht-bibliothekarischen Teilnehmer unseren Arbeitsalltag vorstellen.
Die Antworten, die
mittels eines Brainstormings gesammelt wurden, warfen ein breites Spektrum von meist
negativen Vorstellungen auf. Sie reichten von "grauer Maus" und "kontaktscheu" über
"ordnungsliebend" bis zu "Beamtenmentalität". Ist heutzutage der Einsatz von
Kommunikations- und Informationstechnologien für eine effektive Betriebsführung die
conditio sine qua non, so hat der Bibliotheksbenutzer noch immer den Eindruck, dass
die Bibliotheken "EDV-los" sind. Es herrscht das Bild vor, dass Bibliothekare mit
modernen Entwicklungen der "Außenwelt" kaum in Berührung kommen und
Bibliotheken Ökotope der Ruhe in einer lauten, technisierten Welt sind.
Die Teilnehmer kritisierten die Abgeschlossenheit der Bibliothekswelt nach außen, sprachen von Bibliotheken als 'Bewahr-Stätten' und forderten eine 'gläserne Bibliothek' mit mehr Pep bei der Ausgestaltung und Transparenz ihrer Arbeitsabläufe. Sie kritisierten, dass die Bibliotheken sich gegenüber ihren Kunden verschliessen, ihre Aufgaben, die sie als Institutionen wahrnehmen, noch immer mit einem Schleier verhüllen und daraus ein Geheimnis machen. Dieses Verhalten verstärkt die Schwellenangst, die von den nichtbibliothekarischen Teilnehmern des Workshops thematisiert wurde.
Das Meinungsbild zeigt deutlich, dass Bibliothekare und ihre Institutionen nicht
ausreichend in der Lage sind, sich und ihre Tätigkeitsbereiche adäquat zu vermitteln.
Im nächsten Schritt wollten wir daher von den Teilnehmern wissen, was wir
unternehmen müssen, um die Diskrepanz zwischen unserem täglichen Handeln und
dem Berufsbild in der Öffentlichkeit aufzuheben. Wir teilten die Workshop-Runde in
zwei Kleingruppen:
Die Ergebnisse dieser beiden Arbeitsgruppen wurden anschließend im Plenum vorgetragen und gemeinsam konkrete Handhabungen für neue Wege der Öffentlichkeitsarbeit formuliert. Mit eine der Grundvoraussetzungen, um diese neuen Wege beschreiten zu können, ist nach Meinung der Teilnehmer die Fähigkeit, Phantasie zu entwickeln und in Aktionen umzusetzen.
Dem Strategienpapier, das an diesem Nachmittag erarbeitet wurde, liegt die Idee zugrunde, die Öffentlichkeitsarbeit nicht nur innerhalb der Bibliothekswelt zu verbessern. Neben einer konstruktiven Zusammenarbeit untereinander muss eine vielfältige und vielschichtige Zusammenarbeit mit den Multiplikatoren für unser Berufsbild angestrebt werden. Wir haben auf der einen Seite die Bibliotheken und ihre Mitarbeiter, die Ausbildungseinrichtungen und die Berufsverbände und auf der anderen Seite das Arbeitsamt, die Schule, die Volkshochschule und die Universität, die Presse, die Wirtschaft, die Politik und die Gewerkschaften.
Das Ziel, das formuliert wurde, ist, auf institutioneller Ebene eine enge Kooperation zwischen allen Sparten und Bereichen zu realisieren. Dieses Aufeinanderzugehen ist die beste Grundlage für einen optimalen Informationsfluss, der alle Beteiligten über das Berufsbild und seine Weiterentwicklung umfassend informiert. Wir wollen mit unserer Initiative helfen, diese Zusammenarbeit in kleinen Schritten zu verwirklichen, um dann in nicht allzu ferner Zukunft das zu erreichen, was wir uns wünschen, nämlich die Deckung unseres Selbstbildes mit dem Fremdbild der 'Außenwelt'.
Jeder Betrieb ist so gut wie seine Mitarbeiter. Oder bleiben wir beim Programm des diesjährigen Bibliothekartages: am Freitag findet eine Veranstaltung statt, die sich mit dem Thema des Mitarbeiters als dem wichtigsten Kapital eines Betriebes auseinandersetzt.
Die Wechselwirkung zwischen Institution und Mitarbeiter im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit ist eklatant. Tritt der Mitarbeiter im Auskunftsbereich dem Kunden verschlossen und unfreundlich gegenüber, wird dieses Verhalten auch auf die Institution übertragen. Legt die Institution keinen Wert auf eine positive Aussenwirkung, wird auch der Mitarbeiter gegenüber dem Kunden nicht allzuviel an diesem Bild korrigieren können. Corporate Identity soll nicht nur ein Schlagwort sein, sondern auch umgesetzt werden.
Wichtig ist ein guter Kontakt zwischen den Ausbildungseinrichtungen und der Wirtschaft. Die Wirtschaft tritt immer stärker als Arbeitgeber der Absolventen auf, da der Öffentliche Dienst nicht mehr den Stellenpool zur Verfügung stellen kann, wie das vor Jahren der Fall war. Das Gespräch zwischen den zukünftigen Arbeitgebern und der Hochschule kann vielfältig gestaltet sein. Es kamen aus der Runde der Teilnehmer Ideen wie
Die Attraktivität einer Hochschule für die Unternehmen kann sich auszahlen: so können Leistungen der Hochschule für Unternehmen z. B. im Rahmen des Sponsoring wieder zurückfliessen.
Politik und Hochschule - diese Verbindung ist gerade heute im Rahmen der Diskussion um die Informationsgesellschaft von grosser Wichtigkeit. In Bund- und Länder-Kommissionen werden Einsatz und Nutzen neuer Informations- und Kommunikationstechnologien in allen Bereichen der Gesellschaft im Rahmen von Vorlagen für die politische Entscheidungsfindung formuliert. Hier müssen Vertreter der Hochschulen als Experten gehört werden. Sie bilden die Informationsspezialisten von morgen aus und wissen um Entwicklungen und Einsatzmöglichkeiten der neuen Medien.
Ein wichtiges Instrument, um aktuell eine breite Öffentlichkeit zu informieren, ist selbstverständlich die lokale Presse, zu der intensive Kontakte gepflegt werden sollen. In der Fachpresse sollte eine Rubrik etabliert werden, in der regelmäßig über Entwicklungen in den Hochschulen berichtet wird. Darüber hinaus soll in Zeitungen und Zeitschriften publiziert werden, die Schnittstellen zum Bibliothekswesen aufweisen. So könnte z. B. in Multimedia-Zeitschriften auf die Ausbildung, ihre Inhalte oder den Beruf hingewiesen werden.
Die Nichtbibliothekare unter den Teilnehmern übten Kritik an der für Außenstehende nicht zu durchschauenden Aufsplitterung der Informationsberufe. Sie stellten Fragen wie: Was unterscheidet Bibliothekare von Dokumentaren von Archivaren von Informationsspezialisten? Wo ist der Unterschied zwischen öffentlicher Bibliothek und wissenschaftlicher Bibliothek? Was tun Vertreter des höheren Dienstes was Vertreter des gehobenen Dienstes nicht tun? Sie fordern im ersten Schritt ein Berufsbild für den Diplom-Bibliothekar ÖB/WB, das zuvorderst die Gemeinsamkeiten wie z. B. die Informationsvermittlung aufzeigt und anschließend die Spezialisierungsmöglichkeiten aufführt. Sie wünschen sich eine klare, stringente Darstellung mit Schwerpunkt bei der Beschreibung der berufsbezogenen Fähigkeiten. Die Berufsinformationen sollen aktuell gehalten und den Entwicklungen ständig angepasst werden.
Es wurde die Vision artikuliert, ein einziges, gemeinsames Berufsbild für das gesamte Spektrum der Informationsberufe zu entwerfen. Unterstützt wurde der Gedanke vom Vertreter der Gewerkschaft. Er forderte die Bibliothekare auf, die Aufsplitterung in verschiedene Berufsgruppen, Sparten und Verbände aufzuheben. Nur wenn die Informationsberufe sich zu einer grösseren Einheit zusammenschliessen, werden sie sich Gehör für ihre Forderungen nach Änderung der tariflichen Strukturen verschaffen und die Wertigkeit des Berufes innerhalb des Gesamtgefüges Öffentlicher Dienst verbessern.
In diesem Zusammenhang wurde ein durchaus diskussionswürdiger Vorschlag für die Loslösung des Bibliothekars vom Image des Buchverwalters eingebracht: eine neue treffendere Berufsbezeichnung.
Unser nächster Schritt auf dem Weg zu einem neuen Bild des Berufes ist die Zusammenarbeit mit der Hochschule für Bibliotheks- und Informationswesen in Stuttgart. Vertreterinnen der Kommission haben sich Anfang April mit Vertretern der Hochschule zu einer Arbeitsgruppe getroffen und Ideen gesammelt, wie ein Test der vorgestellten Strategien für Ausbildungseinrichtungen in der Praxis durchgeführt werden kann. Die Hochschule hat sich bereit erklärt, mit denen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln Ideen umzusetzen.
Das Gespräch mit den Multiplikatoren bestärkt uns in unserem Engagement, für ein neues Bild des bibliothekarischen Berufes in der Gesellschaft einzutreten.
Wir müssen unsere Leistungsfähigkeit nach aussen deutlich machen, zeigen, dass wir schon heute 'aufgeschlossen, kundenorientiert und kompetent' sind. Unser Beruf wird dadurch eine neue Wertigkeit erfahren.
Das neue Bild des bibliothekarischen Berufes in der Gesellschaft soll den potentiellen Nachwuchs werben, für die dieser Beruf aufgrund seines negativen Images bisher nicht attraktiv war.
Eine effektive Öffentlichkeitsarbeit kann uns neue Arbeitsmärkte erschliessen und den Beruf für Arbeitgeber interessant machen, die uns bisher mit unserer Kompetenz suchten, aber nicht wussten, dass es uns gibt.
Schliesslich können Sponsoren gewonnen werden, die uns bei der Umsetzung neuer Ideen unterstützen.
In einer kürzlich erschienenen IFLA-Studie wurde festgestellt, dass sich bezüglich Status und Image der Bibliothekare in den letzten 25 Jahren nichts geändert hat. Wir wünschen uns, dass die nächste IFLA-Studie schon bald über neue Tendenzen im Ansehen und in der Wertigkeit unseres Berufes berichten kann.
Monika Boehm-Leitzbach