Aktuelle Tendenzen zur Neustrukturierung der Informationsversorgung an deutschen Universitäten
Berndt Dugall, Frankfurt/Main
Der Wandel in der Informationsversorgung und die vielerorts sinkenden Sachmitteletats haben gerade bei den Entscheidungsträgern in deutschen Hochschulen zu erheblicher Unsicherheit geführt. Davon sind zunehmend auch die Bibliothekssysteme betroffen, deren vielfach gewachsene Struktur nicht mehr nur punktuell, sondern grundlegend in Frage gestellt wird. Dies konzentriert sich in besonderer Weise auf zweischichtige Bibliothekssysteme, deren weitere Existenz in der bisherigen Form sich viele Hochschulen nicht mehr leisten können oder wollen.
Die zunehmende Einführung von Globalhaushalten erweist sich in diesem Zusammenhang nur bedingt als hilfreich, da meist nur in der Anfangsphase ein Kreativitätspotential freigesetzt wird, welches auf Dauer aber nicht ausreicht, finanzielle Kürzungen zu kompensieren.
Inzwischen werden an einer Reihe von Hochschulen teilweise gegenläufige Konzepte zur Neustrukturierung der Bibliothekssysteme diskutiert und auch realisiert, die in einer "Momentaufnahme" dargestellt werden sollen. Dabei reicht die Palette der eingeleiteten Maßnahmen von neuen Formen der Beschaffung (Konsortialbildung) über eine Neudefinition von Bibliotheksstrukturen (zentral versus dezentral) bis hin zu der Einbeziehung von oder gar Verschmelzung mit Hochschulrechenzentren. Auch bisher eher am Rande liegende Maßnahmen, wie z.B. die Aufgabe von Lehrbuchsammlungen als ausleihbare Bestandsgruppe zugunsten einer reinen Präsenzhaltung werden inzwischen in Hochschulgremien ernsthaft erwogen. Zudem erweist sich die Hinwendung zur "digitalen Bibliothek" in der Realität als zusätzliche "Kostenfalle", die erhebliche Investitionen bei Sach- und Personalmitteln erfordert.
Aus diesen Entwicklungen ergeben sich aber nicht nur Konsequenzen im Hinblick auf die effektive Struktur von Hochschulbibliothekssystemen, sondern es schließen sich auch Fragen zu den zukünftigen Aufgaben des Berufsstandes an, die über reine Organisations- und Beschaffungsmodelle weit hinausgehen.
Bibliotheken im Umbruch: Wissenschaftliche Bibliotheken auf dem Weg ins Jahr 2010
Dr. Wolfram Neubauer, Zürich
Die Entwicklung globaler, elektronischer und virtueller Informationsmärkte beginnt zunehmend ein über die Jahrhunderte relativ stabiles kommunikatives Geflecht zu verändern: ein Netzwerk bestehend aus Autoren, Verlagen, Druckern, Buchhändlern, Bibliotheken und Konsumenten, also Leserinnen und Lesern.
Parallel hierzu verändert sich selbstverständlich auch das institutionelle Geflecht der an diesem Kommunikationsprozeß beteiligten Einrichtungen. Somit haben die mit elektronischen Netzen und virtuellen Bibliotheken realisierbaren Kommunikationsmöglichkeiten erhebliche Auswirkungen auf die Wissensproduktion, auf die Herstellung, Distribution und kommerzielle Verwertung von Wissensprodukten (also beispielsweise von Büchern und Zeitschriften) sowie auf die Archivierung von einmal produziertem Wissen.
Das wichtigste Merkmal dieser virtuellen Bibliotheken sind die Orts- und Zeitunabhängigkeit des Zugriffs, wobei die Umsetzung des damit verbundenen Paradigmenwechsels für traditionelle Bibliotheken und andere Informationseinrichtungen in keinster Weise trivial ist. Bisher im wissenschaftlichen Bibliothekswesen nahezu unbekannte Phänomene gilt es nun unmittelbar zu berücksichtigen:
Die gegenwärtig in Bibliotheken ablaufenden bzw. sich abzeichnenden Veränderungsnotwendigkeiten auf allen Ebenen sind Teil einer grundsätzlichen Neuorientierung des gesamtgesellschaftlichen Informations- und Kommunikationsbereiches. Nur das Erkennen dieser Entwicklungsprozesse und die aktive Mitgestaltung der notwendigen Entscheidungsprozesse wird wissenschaftliche Bibliotheken davor bewahren, ihre Bedeutung für Wissenschaft und Forschung zu verlieren.
Hochschulbibliotheken: Strukturwandel im ein- und zweischichtigen System. Universitätsbibliothek Bochum - Strukturwandel durch Kooperation
Dr. Erdmute Lapp, Bochum
Weitere Kooperationen mit Multimedia-Initiativen auf dem Campus sind in Vorbereitung.
Fachhochschulbibliotheken - eine Bestandsaufnahme 1971 - 1981 - 1991 und ihre Perspektiven
Manfred Walter, Berlin
Die Fachhochschulbibliotheken (FhB) sind ein relativ junger Bibliothekstyp, der in seinen unterschiedlichen Merkmalsausprägungen keine adäquate Vorgängereinrichtung in Deutschland hatte. Es verwundert also nicht, wenn das Erscheinungsbild dieses Bibliothekstyps als relativ blaß eingestuft wurde, so daß ein abgerundetes Gesamturteil noch nicht hergestellt werden konnte. Ausschlaggebend für diese Einschätzungen sind zweifellos die tieferliegenden bildungspolitischen Ausgangsbedingungen. Vor dem Hintergrund der Strukturprobleme der Universitäten Ende der sechziger Jahre, wurden Anfang der siebziger Jahre die Fachhochschulen (Fh) aus Ingenieurschulen, höheren Wirtschaftsfachschulen und Akademien gegründet. Weiterhin sahen sich die Fh den bildungspolitischen Vorgaben verpflichtet, mit ihrer Konsolidierung zugleich ihre Aufhebung durch die Integration in die Gesamthochschulen zu betreiben. Schließlich unterschieden sich die Fh sowohl von der inhaltlichen Ausrichtung als auch von der Anzahl der Studenten ganz erheblich voneinander. Hieraus wird deutlich, daß die Erkenntnisprozesse über die FhB in der bibliothekarischen Öffentlichkeit nicht von den bildungspolitischen Konturen der sie tragenden Fh und ihres entsprechenden Bildungsauftrags zu trennen sind.
Auf dieser bildungspolitischen Folie wird der Strukturwandel der FhB, als einschichtige Bibliothekssysteme, schlaglichtartig in drei Entwicklungsphasen beschrieben. Die Gründungsphase Anfang der siebziger Jahre mit ihrem hochschul- und bibliothekspolitischen Aufbruch. Der Konsolidierungsphase in den achtziger Jahren, in der sich die Fh und ihre Bibliotheken ihren festen Platz innerhalb des tertiären Bildungssektors erobern und schließlich die Ausbauphase und Neuorientierung in den neunziger Jahren. Dieser letzte Abschnitt wird vornehmlich durch den Aufbau eines neuen Bildungssystems in den neuen Bundesländern des wiedervereinigten Deutschland geprägt. Den vorläufigen konzeptionellen Endpunkt dieser erfolgreichen Entwicklungsgeschichte - von der unselbständigen "Dozentenbücherei" zur wissenschaftlichen Hochschulbibliothek - bildet zweifellos das Planungspapier "Bibliotheken ´93", in dem die FhB - entsprechend ihrer Bedeutung für die Informationsversorgung im tertiären Bildungssektor - ihre adäquate Berücksichtigung finden.
Zum Abschluß sollen die strategischen Perspektiven der FhB unter dynamischen Umweltbedingungen angedeutet werden.