Virtuelle Universität: 
eine neue Generation netzbasierter Bildungssysteme

G. Schlageter, P. Buhrmann, F. Laskowski, S. Mittrach
FernUniversität Hagen
Feithstraße 140
D-58084 Hagen
E-Mail: gunter.schlageter@fernuni-hagen.de
WWW: http://vu.fernuni-hagen.de

Zusammenfassung

Das vorliegende Papier stellt in knapper Form das Konzept der virtuellen Universität vor. Das Arbeiten mit der virtuellen Universität wird anhand von Anwendungsszenarien veranschaulicht, Erfahrungen aus dem bisherigen Einsatz werden vorgestellt. Das System basiert auf dem Internet/WWW, im Zentrum der Architektur stehen Datenbankserver zur Verwaltung der komplexen Informationsstrukturen. Die Architektur sichert Offenheit und Skalierbarkeit.
1 Das Konzept der virtuellen Universität
2 Anwendungsszenarien einer virtuellen Universität
3 Realisierung der virtuellen Universität
4 Erfahrungen
5 Implementierungsaspekte
6 Zusammenfassung
Literatur

1 Das Konzept der virtuellen Universität

Das Konzept der virtuellen Universität bietet alle für die Studierenden relevanten Funktionen einer Universität über Kommunikationsnetze (primär Internet) an. Die Herausforderung besteht in der Entwicklung eines homogenen Systems, das alle Funktionen integriert und dem Benutzer seine individuelle Sicht auf den komplexen Informationsraum "Universität" bietet. Anders als häufig dargestellt gehören zu einer virtuellen Universität nicht nur der Zugang zu Lehrmaterialien, sondern ebenfalls Der Personal Computer wird zugleich Anbieter von Lehrmaterial, Auskunftsterminal und Kommunikationszentrum.

Grundlage der virtuellen Universität sind die Hypermedia- und Kommunikationstechnologie: Die virtuelle Universität ist für die Studierenden über das Internet zu jedem Zeitpunkt und von jedem Ort aus erreichbar. Alle Lehrmaterialien stehen als hypermediale Dokumente in der virtuellen Universität zur Verfügung. Als Lehrmaterialien werden z. B. Computer Based Trainings, Videos, Animationen, Simulationen und Textkurse verwendet. Die Materialien werden über Hyperlinks miteinander verknüpft, so daß der Studierende ein Netzwerk von Lehrmaterialien vorfindet. Große Lernmodule (etwa Multimedia-Produkte) werden nicht über das Netz, sondern über CD-ROM ausgeliefert. Diese enthalten jedoch alle Links und Kommunikationsanbindungen. Updates werden über das Netz eingespielt. In vielen Fällen, insbesondere bei stark textbasierten Kursen, bietet sich weiterhin das Printmedium zur Auslieferung an, die elektronische Version wird dann eher für Suchzwecke etc. verwendet.

Im Gegensatz zu den bisherigen Ansätzen in der netzbasierten Fernlehre werden in der virtuellen Universität neben der reinen Verbreitung der Lehrmaterialien auch alle anderen für die Studierenden relevanten Funktionen über das Netz angeboten. Administrative Tätigkeiten wie Rückmeldung oder Kursbelegung werden in der virtuellen Universität online durchgeführt. Eine Bibliothek ist mit Online-Recherche und online verfügbaren elektronischen Artikeln und Büchern integriert. Rundschreiben werden als elektronische Nachrichten versendet, Aushänge an schwarzen Brettern sind allen Studierenden über das Netzwerk zugänglich. Natürlich ist der Bereich der Forschung einbezogen: Veröffentlichungen, Forschungsgebiete, Diplomarbeitsthemen, Interessen der Wissenschaftler usw. sind präsent.

Synchrone und asynchrone Kommunikationsmöglichkeiten sind in das System eingebunden. Sie werden zur Kommunikation der Studierenden mit Mitarbeiter der Universität und zur Kommunikation zwischen Studierenden selbst genutzt. Es existieren Diskussionsgruppen zu Themenfeldern privater und fachlicher Art. Lehrveranstaltungen werden über das Netzwerk betreut. Bei Bedarf ist der Betreuer oder Kommilitone via Videokonferenz oder elektronischer Post erreichbar. Werkzeuge zur Gruppenarbeit stehen in breitem Maße zur Verfügung. Sie werden z. B. zur Durchführung von Praktika oder Seminaren eingesetzt, in denen die Studierenden Probleme in Gruppenarbeit lösen.

Die Hypermedia- und die Kommunikationstechnologie stehen in der virtuellen Universität nicht nebeneinander, sondern sind integriert. Dies manifestiert sich zum einem in der virtuellen Universität als Ganzes, die als Hypermedia-System über das Netz für die Studierenden zugänglich ist, zum anderen an den Inhalten selbst. Die Kommunikationsfunktionen sind in den hypermedialen Dokumenten integriert. So ist z. B. der Übungsbetrieb in die Lehrmaterialien eingebunden und wird über das Netz abgewickelt. Die Integration bleibt, wie schon erwähnt, auch dann erhalten, wenn die Kurse aus Gründen der Leitungskapazität als CD-ROM ausgeliefert werden. Zur Nutzung einfacher Kommunikationsfunktionen, wie z. B. dem Einsenden einer Übungsaufgabe, reichen geringe Bandbreiten in jedem Falle aus.

Durch den Einsatz dieser Kommunikationsmöglichkeiten eröffnen sich neue Perspektiven für die Studierenden: Für die Studierenden besteht die Möglichkeit, über die verschiedensten Kommunikationsformen miteinander in Kontakt zu treten. Damit wird an der FernUniversität trotz der räumlichen Zerstreuung der Studierenden durch elektronische Kommunikation eine mit Präsenzuniversitäten vergleichbare Situation erreicht. Fragen zu Kursinhalten und Probleme im Studium können in studentischen Arbeitsgruppen diskutiert werden. In den Arbeitsgruppen können sich die Studierenden gemeinsam auf Prüfungen vorbereiten. Die Kombination von synchronen und asynchronen Kommunikationsformen führt zu hoher Flexibiliät in der individuellen Zeiteinteilung: Anders als bei den Konzepten des "virtual classroom" stehen synchrone Lehrveranstaltungen nicht im Mittelpunkt des Konzeptes, sie werden nur dort eingesetzt, wo sie effektiv und nützlich sind.

Wesentliches Ziel bei der Realisierung des Konzeptes ist die Verfügbarkeit in der Fläche (Internet!) sowie niedrige Kosten für den Teilnehmer (Standard-PC ohne teure Zusatzausstattung!). Um das System sowohl technologisch wie anwendungsbezogen offen zu halten, werden soweit möglich vorhandene Werkzeuge und Standards benutzt. Insbesondere ist das System offen für die Nutzung breitbandigerer Netze.

Anhand von Anwendungsszenarien soll die Arbeit an der virtuellen Universität nun veranschaulicht werden.


2 Anwendungsszenarien einer virtuellen Universität

Im Mittelpunkt eines Szenarios steht der Benutzer des Systems. Benutzer des Systems sind zum einen die Studierenden oder Lernenden zum anderen die Tutoren sowie Autoren von Kursen. Neben den am reinen Lehrbetrieb interessierten Benutzern soll die virtuelle Universität auch Informationen für Wissenschaftler und für Personen, die an einem Studium an der FernUniversität interessiert sind, bereitstellen. Weitere Benutzergruppen wie z.B. die akademische Verwaltung oder Adminstratoren werden im folgenden nicht betrachtet.

Szenario 1: Gäste

Der Benutzer möchte sich informieren, welche Studiengänge und Weiterbildungsmaßnahmen angeboten werden. Er begibt sich dazu in den Informationsbereich und findet Informationen zur FernUniversität, den Fachbereichen und erhält Zugang zu Broschüren, die die Möglichkeiten und Zulassungsvoraussetzungen zu einzelnen Studiengängen beschreiben. Falls notwendig, kann er Kommunikationsmöglichkeiten nutzen, um Fragen an einen Berater innerhalb der FernUniversität zu senden. Der Benutzer findet Interesse an den Weiterbildungsangeboten, worüber er sich im Weiterbildungsbereich genauer informiert. Für sein Interessensgebiet Objektorientierte Datenbanken findet er einen multimedialen Kurs, für den nach erfolgreicher Teilnahme an einer Klausur ein Zertifikat der FernUniversität ausgestellt wird. Eine Demonstrationsversion des Kurses überzeugt ihn, und er bestellt den Kurs über ein angebotenes Online-Formular.

Szenario 2: Studierende

Zu Beginn seiner Arbeitssitzung schaut der Studierende zunächst in sein elektronisches Postfach und überprüft, ob Briefe von der Universität oder Kommilitonen bei ihm angekommen sind. In einem Schreiben wird angekündigt, daß die Anmeldephase für Seminare und Kurse des kommenden Semesters begonnen hat. Er geht daraufhin in den Bereich Lehre des Systems und informiert sich über die im kommenden Semester angebotenen Lehrveranstaltungen. Da er das Thema Datenbanken in seinem Studium vertiefen möchte, sucht er mittels einer integrierten Suchfunktion zunächst alle Lehrveranstaltungen, die dieses Thema in irgendeiner Weise berühren. Von den zum Thema Datenbanken angebotenen Veranstaltungen sucht er den Kurs "Objektorientierte Datenbanken" und das Seminar "Datenbanken im Internet" aus. Er konsultiert außerdem die integrierte Studienberatung, um einen Hinweis auf noch fehlende Pflichtveranstaltungen in seinem Studium zu erhalten. Bevor er nun Zugriff auf seine ausgewählten Lehrveranstaltungen bekommt, muß er sich zunächst online im Administrationsbereich des Systems für diese Veranstaltungen anmelden. Begibt er sich später erneut in den Bereich Lehre, hat er sofort Zugriff auf alle relevanten Unterlagen zu seinen Lehrveranstaltungen. In einem einführenden Artikel der Betreuer seines Seminars ist ein Verweis auf eine Veröffentlichung enthalten, die direkt über die Bibliothek abgerufen werden kann. Er holt sich diese Veröffentlichung. Anschließend macht er einen Aushang an dem diesem Seminar zugeordneten Schwarzen Brett, um Kommilitonen zur Zusammenarbeit zu finden.

Im Verlauf des Semesters hat sich eine Arbeitsgruppe zum Seminar gebildet. Die Gruppe nutzt intensiv elektronische Kommunikation zum Austausch von Arbeitspapieren und Informationen. Der Studierende möchte nun aber an dem Kurs "Objektorientierte Datenbanken" weiterarbeiten. Er schaut dazu zunächst in der Diskussionsgruppe dieses Kurses nach, ob seine Frage von gestern bzgl. Mehrfachvererbung bereits beantwortet ist. Er findet eine Antwort einer Studierenden, die die gleichen Probleme hatte. Sie hat eine kurze Erklärung geschrieben und verweist auf ein Buch, in dem das Konzept der Mehrfachvererbung besser dargestellt ist. Ihm reicht aber schon die beigefügte Erklärung. Er bedankt sich kurz bei der Kommilitonin und kann nun mit der Bearbeitung der Übungsaufgaben zum Thema Mehrfachvererbung anfangen. Die Lösung der Aufgaben sendet er über das Netz an die Universität. Bevor er nun seine Arbeit für heute beendet, versucht er noch einige Kommilitonen aus seiner Seminararbeitsgruppe in der Cafeteria zu treffen, um mit ihnen ein nächstes Treffen zu planen, bei dem es nicht nur um das Fernstudium geht.

Szenario 3: Tutoren und Autoren

Der Benutzer des Systems ist Betreuer eines Kurses innerhalb der virtuellen Universität. Zu Beginn seiner Arbeitssitzung schaut er ebenfalls zunächst in sein elektronisches Postfach und arbeitet die eingegangene Post ab. Ankündigungen von Terminen und Fristen kann er direkt über einen Verteiler allen Teilnehmern des Kurses als elektronische Nachricht zukommen lassen. Um die Verteilung von Einsendeaufgaben der Studierenden muß er sich nicht kümmern, da diese durch einen Automatismus der Postfachverwaltung an die Korrektoren weitergeleitet werden. In dem diesem Kurs zugeordneten schwarzen Brett finden vielfältige Diskussionen zum Inhalt des Kurses statt. Ein Großteil der Fragen wird durch die Studierenden selbst beantwortet. Der Betreuer übernimmt nur die Aufgabe, häufig gestellte Fragen zu sammeln, und in geeigneter Form zur Verfügung zu stellen. Er greift ein, wenn Fragen lange Zeit unbeantwortet bleiben oder falsch durch die Gruppe beantwortet werden. Zu einem verabredeten Zeitpunkt steht er online den Studierenden zur direkten Beantwortung von Fragen zur Verfügung. Kommen häufig Fragen zu einer Stelle im Kursmaterial vor, so fügt der Tutor an dieser Stelle im Kurs eine weiterführende Erklärung ein, die fortan allen Studierenden zur Verfügung steht. Ferner informiert er den Autor des Kurses, der diese Stelle entsprechend umarbeiten kann.

Szenario 4: Wissenschaftler

Der Benutzer des Systems ist an den Forschungsaktivitäten in der FernUniversität interessiert. Dies kann sowohl ein Studierender auf der Suche nach einem Diplomarbeitsthema als auch ein Forscher anderer Einrichtungen sein, der Veröffentlichungen zu bestimmten Themengebieten sucht. Der Benutzer wählt daher den Bereich Forschung der virtuellen Universität und sucht mit Hilfe einer Suchmaschine nach Schlagworten. Die gefundenen Informationen enthalten einen Überblick über die Forschungsaktivitäten in diesem Bereich, erlauben das Abrufen von Veröffentlichungen zu dem Thema und bieten die Möglichkeit, auf elektronischem Wege mit den Mitarbeitern des Lehrgebietes zu kommunizieren. Da der Benutzer an einer Diplomarbeit zu diesem Thema interessiert ist, schreibt er eine elektronische Nachricht an einen Mitarbeiter des Lehrgebietes. Dieser schlägt ihm einen Termin vor und empfiehlt ihm, die online verfügbaren Veröffentlichen zur Vorbereitung des Gesprächs durchzuarbeiten.


3 Realisierung der virtuellen Universität

Auf Basis des World-Wide Web ist ein Prototyp entwickelt worden [BMS96b], das System ist seit WS96/97 im Einsatz. Abbildung 1 zeigt die Einstiegsseite im World-Wide Web zur virtuellen Universität. Die virtuelle Universität gliedert sich in folgende funktionale Bereiche: Lehre, Bibliothek, News, Cafeteria, Büro, Forschung, Shop sowie Information. Diese Aufteilung ist eine funktionale Strukturierung, die sich an den Bedürfnissen der Benutzer orientiert. Sie weicht bewußt ab von den sonst typischen Präsentationen entlang der Aufbau-Organisation der Universität (Dezernate, Fachbereiche, Lehrgebiete, zentrale Einrichtungen etc.): Studierende wollen sich für eine bestimmte Lehrveranstaltung anmelden (Bereich Büro) und am laufenden Lehrbetrieb teilnehmen (Bereich Lehre und News), wollen Informationen finden (Bereich Information), miteinander kommunizieren (Bereich Cafeteria), Material bestellen (Bereich Shop) usw.

Abbildung 1: Einstiegsseite der virtuellen Universität im World-Wide Web

Die Elemente der Oberfläche sind:

Persönliche und studienbezogene Informationen und Benutzerprofile werden in der Benutzerverwaltung der Virtuellen Universität abgelegt. Die studienbezogenen Informationen enthalten Angaben über den bisherigen Studienverlauf, Benutzerprofile über die Hard- und Software des Benutzers sowie Kommunikationspräferenzen. Mit Hilfe dieser Informationen wird für jeden Benutzer die virtuelle Universität aus einer ihm angepaßten Sicht dargestellt. Z.B. werden die Informationen aus dem Online-Belegungsverfahren (Abbildung 2) auch verwendet, um dem Benutzer nur die für ihn relevanten Lehrveranstaltungen zu präsentieren (Abbildung 3). Durch diese Individualisierung wird der große Informationsraum überschaubar, eine Studienberatung und andere individuelle Leistungen können realisiert werden. 

Abbildung 2: Belegung von Lehrveranstaltungen. Aktuell belegte Kurse sind markiert. Die Liste wird entsprechend den Benutzereinstellungen generiert.

Abbildung 3: Nach dem Betreten des Bereichs Lehre werden sofort die vom Benutzer belegten Kurse angezeigt (Individualisierung)


4 Erfahrungen

Die bisherigen Erfahrungen auf Basis der seit 1996 im Testbetrieb befindlichen Prototypen sind außerdordentlich ermutigend. Die Studierenden nahmen die virtuelle Universität geradezu begeistert an; in besonderer Weise sind sie angetan von der Vielfalt der Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten sowie den komfortablen Funktionen in den Bereichen Bibliothek und Büro. Die Pilotveranstaltungen sind i.d.R. überbucht, die Nachfrage nach Zugangserlaubnis zur Virtuellen Universität ist sehr hoch.

Die Arbeitsumgebung des Studierenden zu Hause hat sich verändert: Der Kontakt zu den Betreuern wurde lebendiger, es ergaben sich vielzählige studentische Arbeitsgruppen (beispielsweise durch Absprachen der Studierenden am Ende einer Online-Übungsstunde oder in den Diskussionsforen zum virtuellen Seminar).
Die komfortableren Funktionen in den Bereichen Bibliothek und Büro ermöglichten den Studierenden, nahezu alle Aktivitäten über das Netz abzuwickeln: von der Kursbearbeitung, der begleitenden Literaturrecherche bis hin zur Klausuranmeldung. Zeitaufwendige Bibliotheksrecherchen konnten so entfallen. Auch studentische Anmerkungen in den Diskussionsgruppen zu den Kursen gaben hilfreiche Hinweise für die Bearbeitung.

Unter lebhafter Beteiligung der Studierenden wurden erste Pilotveranstaltungen in der Virtuellen Universität durchgeführt, unter anderem Übungs- und Sprechstunden sowie Praktika. Insbesondere Studierende aus weiter entfernten Regionen begrüßten das Online-Angebot im Bereich der virtuellen Lehrveranstaltungen. Aufwendige Anreisen konnten so entfallen.
Im Rahmen der Lehrveranstaltung virtuelles Seminar wurde die Erfahrung gemacht, daß die Studierenden viel intensiver miteinander arbeiten, Literaturquellen austauschen, Seminarvorträge gemeinsam inhaltlich abgrenzen usw. Diese Aspekte wurden traditionell vom Betreuer koordiniert und entschieden, die Studierenden lernten sich erst während der Präsenzphasen kennen. Eine speziell für das Seminar eingerichtete soziale Ecke ermöglicht den Teilnehmern, sich als Person vorzustellen. Dieser Bereich fand bei den Teilnehmern großen Anklang.
Online-Übungsstunden, insbesondere zur Vorbereitung von Klausuren, fanden bei den Studierenden ebenfalls großen Anklang. Sie gaben den Studierenden die Möglichkeit, ihre eigenen Probleme mit kompetenten Partnern zu diskutieren, aber auch anderen Studierenden zu helfen.

Bemerkenswert ist, daß sich die Betreuungsarbeit des Tutors in diesem Umfeld verändert: er ist nicht mehr derjenige, der alles weiß und von jedem Studierenden persönlich gefragt wird, sondern er ist Moderator und Organisator, der Fragen, Hinweise, Diskussionsergebnisse sammelt und veröffentlicht und nur in Einzelfällen in die studentische Diskussion eingreift.

Erste Auswertungen von Studierendenreaktionen - die seit dem Wintersemester 1996/97 systematisch erhoben werden - zeigen, daß die Studierenden durch die Virtuelle Universität eine erhebliche qualitative Verbesserung ihres Studiums insbesondere in bezug auf Aktualität und Qualität der Lehrmaterialien und im Hinblick auf Minderung der Isolierung durch Nutzung der Kommunikationsservices empfinden oder erwarten.


5 Implementierungsaspekte

Das Virtuelle Universitäts System basiert auf einer Client/Server Architektur. Alle Netzwerkprotokolle setzen auf der TCP/IP Protokoll Suite [Post81], [PoRe87] auf. Der Zugang erfolgt in der Regel über den WWW Server. Clients können über das lokale Netz, über einen Remote Access Service oder über das Internet auf die virtuelle Universität zugreifen. Der WWW Server ist über ein lokales Netzwerk (LAN) mit einem Datenbank-Server, einem FTP Server sowie mehreren Servern für Kommunikations- und Kooperationsfunktionen verbunden (Abbildung 4). Die Aufgaben der Server werden im folgenden kurz vorgestellt.

Basis des Systems sind ein "unsicherer" und ein "sicherer" WWW Server. Sie bilden die grundlegende Schnittstelle zur virtuellen Universität. Der "unsichere" WWW Server verwendet zur Kommunikation mit den Clients das HTTP Protokoll. Alle Daten gehen also im Klartext über das Netz. Aus diesem Grund wird der "unsichere" WWW Server nur für die frei verfügbaren Informationen der virtuellen Universität verwendet. Der "sichere" WWW Server wird für alle funktionalen Bereiche der virtuellen Universität verwendet, die eine Authentifizierung des Benutzers verlangen. Der "sichere" WWW Server sendet alle Informationen verschlüsselt. Der Datenbankserver enthält die Dokument-Datenbank und die Benutzer-Datenbank. Beide WWW Server leiten Anfragen an den Datenbankserver weiter. Der Datenbankserver verarbeitet die Anfrage, konvertiert die Daten ggf. in das HTML-Format und sendet das Ergebnis an den WWW Server zurück. Zur effizienten Übertragung von Dateien wird ein FTP Server [PoRe85] betrieben.

Zur Nutzung der in den Dokumenten integrierten Kommunikationsfunktionen sind entsprechende Server integriert. Der Mail Server stellt für jeden Benutzer der virtuellen Universität ein Postfach zur Verfügung. Der News Server stellt Diskussionsgruppen zur Verfügung. Der Chat Server erlaubt online Kommunikation zwischen den Benutzern der virtuellen Universität. Der Video Server bietet Mehrpunkt-Audio-/Videokonferenzen auf Basis des UDP/IP Protokolls [Post80], [Whit96]. Alle bisher betrachteten Kommunikationsdienste stehen eigenständig für die Benutzer der virtuellen Universität zur Verfügung.

Der Java Communication Server integriert alle bisher beschriebenen Kommunikationsdienste und unterstützt die Benutzer beim Finden von Kommunikationspartnern in der virtuellen Universität. Der Server ist in Java [ArGo96], [BuKr96] realisiert und nutzt die JDBC Schnittstelle [Sun96], um Informationen aus der Datenbank abzufragen. Der Java Communications Server verwendet ein zustandsorientiertes Protokoll, um die aktuellen Benutzer des VUS zu verwalten. Das zustandsorientierte Protokoll ermöglicht es, zwischen den zur Zeit aktiven und passiven Benutzern zu unterscheiden. Jeder Benutzer kann ein individuelles Kommunikationsprofil definieren, das in der Benutzer-Datenbank der virtuellen Universität abgelegt wird. Das Kommunikationsprofil enthält Angaben über die Hardware- und Softwareausstattung des Benutzers (z. B. breitbandiger/schmalbandiger Zugang, Videokonferenz-Software) und über die individuellen Kommunikationswünsche des Anwenders (z. B. "Partner zur Vorlesung Datenbanksysteme gesucht"). Mit Hilfe von Anfragen an die Kommunikationsprofile und einer einfachen Chat Funktion können sich die Anwender über bestimmte weiterführende Kommunikationsdienste einigen. 

Abbildung 4: Server der virtuellen Universität


6 Zusammenfassung

Mit Hilfe des vorgestellten Ansatzes wird den Studierenden eine sehr kostengünstige Anbindung an die virtuelle Universität mit bisher nicht gekannter Flexibilität und Benutzerfreundlichkeit angeboten. Nicht nur bietet die virtuelle Universität alle studienrelevanten Funktionen in integrierter Weise - sie bietet darüberhinaus jedem Benutzer seine persönliche Sicht auf die Universität. Die bisherigen Erfahrungen im Lehrbetrieb sind außerordentlich positiv.


Literatur

[ArGo96]
K. Arnold, J. Gosling: The Java Language, Addison-Wesley, 1996
[BM97] Berkel, T.; Mittrach, S.: Internet Technologies for Teleteaching - Report on an Internet-Based Seminar in the Virtual University -. ICCE97-Konferenz in Malaysia, 12/97
[BuKr96] P. Buhrmann, T. Kretzberg, Java lernen - Interaktiv im World Wide Web, Addison-Wesley, 1996
[BMNSS97] Buhrmann, P.; Mittrach, S.; Neuhaus, U.; Schlageter, G.; Schönwald, O.: Das Java Communication Environment: Eine Java-gestützte Kommunikationsumgebung am Beispiel der Virtuellen Universität. Zeitschrift Informatik, Sonderheft Java, 06/97
[BMS96a] Buhrmann, P.; Mittrach, S.; Schlageter, G.: Telematics for Distance Education - The Virtual University System -. Zeitschrift für Hochschuldidaktik, 03/96
[BMS96b] Buhrmann, P.; Mittrach, S.; Schlageter, G.: The FernUniversität as a Virtual University - Concepts, Experiences, Developments -. Online Educa Conference, Berlin, 11/96
[BMS97] Buhrmann, P.; Mittrach, S.; Schlageter, G.: Conception and Development of a Netbased Communication and Cooperation Environment for a Virtual University. Neties97-Konferenz, Ancona, Italien, 10/97
[HaSc94] F. Halasz, M. Schwartz: The Dexter Hypertext Reference, Communications of the ACM, Vol. 37, No. 2, 1994
[KMS93] F. Kappe, H. Maurer, N. Scherbakov: Hyper-G: A Universal Hypermedia System, Journal of Educational Multimedia and Hypermedia 2,1, 1993
[MyRo96] J. Myers, M. Rose: Post Office Protocol - Version 3, RFC 1939, ftp://ds.internic.net/rfc, 1996
[OiRe93] J. Oikarinen, D. Reed: Internet Relay Chat Protocol, RFC 1459, ftp://ds.internic.net/rfc, 1993
[PoRe87] J. Postel, J. Reynolds: Official Internet protocols, RFC 1011, ftp://ds.internic.net/rfc, 1987
[Simp94] W. Simpson: The Point-to-Point Protocol (PPP), RFC 1661, ftp://ds.internic.net/rfc, 1994
[Sun96] Sun Microsystems Inc.: JDBC: A Java SQL API, Version 1.0, 1996
[Tane92] A. S. Tanenbaum: Computer-Netzwerke, Wolfram's Fachverlag, 1992
[Whit96] White Pine Software, Inc.: White Pine Reflector, Conference Administrator, 1996

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