MATEO - Mannheimer Texte Online

Elektronisches Publizieren bei MATEO.

Vortrag gehalten beim Symposium "Informationsinfrastruktur im Wandel" von 15.-16. September 1997 in Göttingen

von Frank Swiaczny

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihr Interesse an unserem Projekt MATEO - Mannheimer Texte Online. In Vertretung von Frau Dr. Gebauer, die ursprünglich im Programm angekündigt war, werde ich Ihnen einen Einblick in das elektronische Publizieren bei MATEO geben.

In den nächsten 15 Minuten kann ich nur einige Ausschnitte unserer Arbeit präsentieren. Die wichtigsten Punkte können Sie der Gliederung entnehmen. Sollten Sie noch weitere Fragen haben, stehe ich Ihnen anschließend gerne zur Verfügung.

Unter der URL www.uni-mannheim.de/mateo liegt unser Angebot im Netz auf, so daß Sie sich selbst einen Einblick in unsere Arbeit verschaffen können. Sie werden dort auch die Präsentationsfolien meines Vortrages finden.

MATEO wird als Initiative Einzelner seit April 1996 gemeinsam vom Dokumentations- und Datenbankzentrum, dem Rechenzentrum, dem Rektorat und der Universitätsbibliothek getragen.
Alle Entscheidungen werden von den Vertretern der an MATEO beteiligten Einrichtungen gemeinsam getroffen. Die laufenden Geschäfte führt zur Zeit die Leiterin des Dokumentations- und Datenbankzentrums.

Die Philosophie von MATEO als Online-Verlag ist es, der wachsenden Bedeutung des Mediums Internet Rechnung zu tragen. In Ergänzung zu den traditionellen Publikationsmethoden stellen wir wissenschaftliche Texte und graue Literatur der internationalen scientific community auch in elektronischer Form zur Verfügung.
Als Verlag arbeitet MATEO kostendeckend, wir erheben daher für unser Angebot entsprechende Entgelte, sofern wir die Kosten nicht durch Sponsoren decken können.

MATEO besteht aus einer neuen und einer alten Abteilung. Die Arbeit der neuen Abteilung wird z.Z. wesentlich vom Dokumentations- und Datenbankzentrum getragen, die der alten Abteilung von der Universitätsbibliothek mit Unterstützung des Rechenzentrums. Das Rechenzentrum ist darüber hinaus auch für den Betrieb des WWW-Servers zuständig.

In der neuen Abteilung werden Monographien, Dissertationen, Aufsätze, Vorträge und Arbeitspapiere überwiegend im Volltext veröffentlicht. Neben diesen Arbeiten von Wissenschaftlern bieten wir auch den Diplom-, Magister- und Staatsexamenskandidaten die Möglichkeit, ihre Prädikatsarbeiten zu publizieren.
Die Möglichkeiten zur Veröffentlichung einer Arbeit bei MATEO sind dabei grundsätzlich nicht auf die Angehörigen der Universität Mannheim beschränkt, auch wenn diese natürlich die wichtigste Zielgruppe für MATEO darstellen.
Bei der Auswahl der zu veröffentlichenden Arbeiten gibt es keine inhaltlichen Beschränkungen. MATEO geht bei der Veröffentlichung davon aus, daß bei Dissertationen und bei Arbeiten von promovierten Wissenschaftlern diese selbst mit Ihrem Namen für die Qualität der Veröffentlichung stehen. Für die Veröffentlichung einer Diplom-, Magister- oder Staatsexamensarbeit fordern wir eine Befürwortung durch den betreuenden Prüfer.

Die alte Abteilung von MATEO, die Editio Theodoro-Palatina, widmet sich der Digitalisierung von alten Drucken aus dem Bestand der Universitätsbibliothek. Der Bestand umfaßt ca. 28.000 Bände aus der Zeit zwischen 1470 und 1750. Der Name der alten Abteilung wurde in Anlehnung an die von Kurfürst Karl Theodor 1763 in Mannheim gegründete Academia Electoralis Theodoro-Palatina gewählt.
Den gegenwärtigen Bestand an digitalen Faksimilewiedergaben können Sie der Folie entnehmen. Die Schwerpunkte der Edition stellen derzeit die Themenbereiche Geschichte der Buchkunst, Geschichte Mannheims und der Kurpfalz sowie Frauengeschichte und Frauenliteratur der frühen Neuzeit dar.
Das Ziel der Edition ist es, die schwer verfügbaren Raritäten aus Renaissance und Barock einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Hiervon profitieren selbstverständlich auch Lehre und Studium. Der Forschung bringt die Editio ebenfalls eine Arbeitserleichterung, da sie dazu beiträgt, Bibliotheksreisen zu sparen. Als weiterer Vorteil der elektronischen Faksimile ist die Schonung der Bestände der Universitätsbibliothek zu nennen, da durch die Veröffentlichung bei MATEO in der Regel nicht mehr direkt am Original gearbeitet werden muß.

Hier sehen Sie eine Beispielseite der Editio Theodoro-Palatina aus den Privilegien Karl Ludwigs für die Einwohner Mannheims aus dem Jahr 1663. Die Abbildung zeigt selbst als komprimiertes GIF-Bild noch zahlreiche Details des Originals.
Neben dem Internetangebot, das ständig erweitert wird, liegen diese Seiten auch als CD-ROM vor; hierauf komme ich noch einmal zurück.
Neben den Faksimileabbildungen wird jedes Werk der Edition mit ergänzenden Informationen und Kommentaren versehen, die vor allem an interessierte Laien und Studierende gerichtet sind.
Bei der Digitalisierung werden hochauflösende TIFF-Bilddateien erzeugt, die für die weitere Verwendung archiviert werden. Für die Publikation in MATEO finden komprimierte GIF-Bilder Verwendung, die sich an der Qualität der Ausgabegeräte Bildschirm und Drucker orientieren.

Die Realisierung des MATEO-Angebots basiert vollständig auf den Möglichkeiten des World-Wide-Web. Im Mittelpunkt unseres Angebots steht die MATEO-Homepage, auf der wir alle wichtigen Informationen und unser gesamtes Angebot präsentieren.
Die kostenpflichtigen Texte können auf unserer Homepage per e-mail bestellt werden und werden dann als Attachement per e-mail gegen Rechnung geliefert.
Die Volltexte, die wir kostenlos zur Verfügung stellen können, werden bevorzugt direkt im HTML-Format angeboten, so daß sie mit dem Internetbrowser gelesen werden können. Wo dies nicht möglich ist, z.B. weil sich komplizierte Formeln oder änliches nicht im HTML-Format darstellen lassen, verwenden wir möglichst gängige Dateiformate, die wir auf unseren Seiten dann zum donwnloading auf den eigenen Rechner anbieten.

Da nicht alle potentielle Leser auch die Möglichkeit haben, das Internet preisgünstig zu nutzen, bieten wir in der Reihe MATEO Monographien ausgewählte online-Publikationen auch als Volltexte auf Diskette an. Auch hier bevorzugen wir das HTML-Format, da entsprechende Internetbrowser heute bei vielen Betriebssystemen zur Standardausstattung gehören und somit ein plattformübergreifender Quasistandard vorhanden ist.
Mit dieser Form der Publikation betreten wir auch den Grenzbereich zwischen online-Publikation und klassischem Verlagsgeschäft. Die preiswerte Produktion der Disketten nach Auftragseingang ermöglicht es uns, diesen Service anzubieten, ohne daß uns weitere Kosten entstehen. Für unsere Autoren besteht der Vorteil darin, daß wir mit dem "publishing on demand" sowohl eine ISBN-Nummer beantragen können als auch über die Abgabe von Pflichtstücken an die Deutsche Bibliothek und die Landesbibliotheken für den Nachweis in den relevanten Katalogen und Bibliographien sorgen.
Wie schon angesprochen, haben wir die umfangreichen elektronischen Faksimiledarstellungen der Editio Theodoro-Palatina auf einer CD-ROM veröffentlicht, um auch Personen ohne leistungsfähigen Internetanschluß den Zugang zu ermöglichen.
Ein weiteres Projekt, das gerade abgeschlossen wurde, ist die Bibliographie zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Deutschen Südwestens, die im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung bei MATEO exklusiv online publiziert wird

An die Autoren stellt die online-Veröffentlichung bei MATEO neue Anforderungen, da wir erwarten, daß der Autor eine veröffentlichungsreife Datei vorlegt. In der Regel empfehlen wir darüberhinaus auch die Umsetzung der Arbeit in das HTML-Format. Hierzu haben wir eine Musterarbeit erstellt, an die sich die Autoren in wesentlichen Layoutfragen halten sollen.
Bei der Umsetzung der meist als Textdateien vorliegenden Arbeiten in das HTML-Format unterstützen wir die Autoren. Für Autoren, die nicht in der Lage sind, die Umsetzung in das HTML-Format selbst durchzuführen, können wir in Ausnahmefällen Teile der Umsetzung gegen eine Beteiligung an den Kosten übernehmen. Leider sind wir jedoch nicht in der Lage, ein vollständiges Lektorat zu bieten.
Mit zunehmender Verbreitung unseres Angebotes gelingt es uns, schon im Vorfeld Kontakt mit potentiellen Autoren aufzunehmen. Wir können so schon früh Einfluß auf die technische Realisierung der Arbeit nehmen. Zwischenzeitlich erreichen uns von Seiten der Autoren auch Anfragen, ob Abweichungen von unserem Layoutstandard möglich sind, um neue Darstellungsformen realisieren zu können. Dies zeigt uns, daß die neuen Möglichkeiten bei der Veröffentlichung im Internet für die Autoren attraktiv sind.

Die Finanzierung von MATEO erfolgt grundsätzlich kostendeckend. Während der Anlaufphase wird die Digitalisierung der alten Drucke noch durch die Universität Mannheim gefördert. Im nächsten Jahr werden wir jedoch auch hier versuchen, kostendeckend zu arbeiten.
Um möglichst viele kostenlose Angebote ermöglichen zu können, versuchen wir derzeit durch Werbung auf unseren WWW-Seiten zusätzliche Einnahmen zu erwirtschaften.
Für einen Teil unseres Angebots erheben wir Nutzungsentgelte. Neben Dissertationen sind vor allem unsere Publikationen auf Diskette und CD-ROM kostenpflichtig. Um eine große Verbreitung zu ermöglichen, sind wir bestrebt, möglichst preisgünstig anzubieten.
Bei den Dipolm-, Magister- und Staatsexamensarbeiten beteiligen wir die Autoren mit einem Betrag von 20.- DM für zwei Jahre an unseren Kosten, die Arbeiten sind dann kostenlos einzusehen. Mittlerweile haben aber auch einige andere Autoren den Wunsch nach für den Leser kostenfreier Veröffentlichung ihrer Arbeit geäußert und die Veröffentlichungskosten übernommen.
Gegenwärtig steht der weiteren Verbreitung kostenpflichtiger Angebote im Internet noch das Fehlen einer einheitlichen "Internetwährung" entgegen. Wir liefern daher unsere kostenpflichtigen online-Publikationen gegen Rechnung.

Die Perspektiven unserer weiteren Arbeit lassen sich in die quantitative Erweiterung des Angebots auf der einen Seite und in die qualitative Verbesserung des Angebots auf der anderen Seite differenzieren.
Im Mittelpunkt unserer Anstrengungen stehen die Verbesserung der Inhaltserschließung und der multimedialen Präsentation.
Für die Zukunft ist u.A. geplant, die digitalisierten alten Drucke der Editio Palatina-Theodoro durch Texterkennung in elektronischen Fließtext zu überführen, um sie einer automatischen Inhaltserschließung zugänglich zu machen. Hierzu sind Forschungsprojekte in Vorbereitung.
Die Verbesserung der multimedialen Präsentation von MATEO hängt wesentlich von den Entwicklungen des Internets und des HTML-Standards ab, auf dem unser gesamtes Angebot basiert. Hier verfolgen wir die Entwicklung und nehmen Verbesserungen an unserer Präsentation vor. Vor allem im Bereich der Präsentation sehen wir Vorteile der elektronischen Medien gegenüber dem Buch. Gerade im Wissenschaftsbereich lassen sich für Animationen, Bild- und Tonübertragung sowie interaktive Angebote und Datenbankauswertungen sinnvolle Nutzungsmöglichkeiten finden, die vor allem den jüngeren Autoren, die mit den entsprechenden Techniken bereits vertraut sind, neue Gestaltungsmöglichkeiten bieten.
Mit der Verbesserung des Angebots hoffen wir, auch die Akzeptanz der elektronischen Medien bei Autoren und Lesern zu erhöhen.

Neben der Finanzierung der unentgeltlichen Angebote stellt die derzeit noch mangelnde Akzeptanz elektronischer Medien bei den Wissenschaftlern die größte Hürde für den weiteren Ausbau von MATEO dar. Noch immer ziehen es die Autoren in der Regel vor, bei angesehenen Verlagen oder Zeitschriften zu publizieren. Bei den Dissertationen haben wir außerdem noch das Problem, daß aufgrund der zur Zeit gültigen Promotionsordnungen in vielen Fällen die Publikation einer elektronischen Fassung nicht zur Erfüllung der Veröffentlichungspflicht ausreicht.
Wir hoffen aber, daß sich sowohl die Buchhändlervereinigung als auch die Deutsche Bibliothek in Zukunft der online-Publikationen annehmen und wir dadurch die online-Publikation besser etablieren können. Im Bereich der grauen Literatur hat sich dieses Medium ja schon seit längerer Zeit bewährt.
Sollten wir mit unseren Zielen erfolgreich sein, und wenn man die Entwicklung im Bereich der Universitäten aber auch bei den kommerziellen Anbietern in den letzten Monaten betrachtet, ist dies nicht unwahrscheinlich, wird sich die Publikationsmenge weiter erhöhen.
Für die Bibliotheken wird dies aber bedeuten, daß sowohl hinsichtlich der Archivierung von online-Publikationen, die vielleicht in zahlreichen Fassungen aufgelegt werden, aber vor allem auch bei der Inhaltserschließung neue Wege gefunden werden müßten. Die traditionelle Inhaltserschließung wird der sich explosionsartig vermehrenden Informationsmenge, selbst bei verstärkter Arbeitsteilung, künftig kaum noch gerecht werden können.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

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