Herausforderungen für die Hochschulen und ihre Informations- und Kommunikationseinrichtungen
15/16 September 1997;
Universität Göttingen
Künftig wird die Hochschule erfolgreich sein, in der z.B.
die Studenten multimedia-gestützt flexibel, zeit- und ortsunabhängig lernen können,
die Verwaltung die Papierformulare durch Dienstleistungsangebote im Netz ersetzt hat,
die Bibliothek neben den gedruckten Informationen schnelle Lieferdienste und komfortablen Zugang zu elektronischen Publikationen in virtuellen Bibliotheken bietet und
Wissenschaftler und Studenten dies alles und noch viel mehr von ihren vernetzten Arbeitsplätzen im Institut oder von zu Hause über eine ausreichende Anzahl schneller Wählzugänge des Rechenzentrums nutzen können.
Heute arbeiten die Infrastruktureinrichtungen Bibliothek, Rechenzentrum, Medienzentrum und die Fachbereiche weitgehend nebeneinander. Eine den modernen Ansprüchen der Wissenschaftler und Studenten genügenden Ausnutzung von Datennetzen, der darauf aufbauenden Netzdienste und der vielfältigen elektronischen Informationsquellen ist nur effizient möglich, wenn die Leistungen der Hochschulbibliothek mit den Aufgaben einer aus dem Hochschulrechenzentrum entstehenden Zentraleinrichtung für Informationsverarbeitung und Kommunikation verknüpft werden. Die zentralen Einrichtungen für audiovisuelle Medien, die zunehmend Audio- und Videodaten digital produzieren und verarbeiten, sind beim Aufbau neuer Informationsinfrastrukturen für Forschung und Lehre einzubeziehen.
Gemischt besetzte Arbeitsgruppen der Dienstleistungseinrichtungen sollten gemeinsam mit Arbeitskreisen der Fachbereiche (z. B. elektronische Fachinformation, elektronisches Publizieren an der Hochschule, Einsatz von Multimedia) Anforderungen und Dienstleistungskonzepte entwerfen.
3. Die bei der Gestaltung der Informationsinfrastruktur auftretenden Probleme werden vor
allem neue Anforderungen an das Personal von Bibliotheken, Rechenzentren, Medienzentren und der Fachbereiche stellen.
Die Kompetenzen und Qualifikationen der Mitarbeiter müssen zusammengeführt werden, um neue Dienstleistungskonzepte zu realisieren. Außerdem müssen die Infrastruktureinrichtungen ihr Personal laufend weiterqualifizieren und für die notwendigen Veränderungen motivieren. Die für die Umsetzung nötige Qualifikation muß auch bei Lehrenden und Studierenden entwickelt werden. In den Fachbereichen sollten dazu Informationsbeauftragte benannt werden, die als Dialogpartner und beim Transfer von Information und Know-how zu ihren Kollegen und Studierenden fungieren. Rechenzentrum, Bibliothek und Medienzentrum sollen ein gemeinsames am Bedarf der Fachbereiche orientiertes Kursangebot entwickeln und so laufend die Fortbildung zur Nutzung neuer Medien und Techniken sicherstellen.
4. Innerhalb der Hochschulen ist ein die Fachbereiche integrierendes Informationsmanagement
aufzubauen. Hochschulleitungen, Fachbereiche und zentrale Einrichtungen sollten
einen Hochschulentwicklungsplan "Information und Kommunikation" erarbeiten.
Der Hochschulentwicklungsplan "Information und Kommunikation" muß die Ziele, die Umsetzungsschritte und angemessene Kontrollmöglichkeiten enthalten. Er sollte insbesondere berücksichtigen:
die Bereitstellung von Informations- und Kommunikationsdiensten auf dieser Infrastruktur,
das Informations-Ressourcen-Management mit der Beschaffung, Erschließung, Bereitstellung, Vermittlung und die Archivierung von Information, Dokumenten, Fakten und Quellen,
die Entwicklung neuer Formen der Informationsverarbeitung und -darstellung,
die Beratung zur Nutzung der Dienste, Informationen und Dokumente,
die Unterstützung bei der Dokumentation und Produktion von wissenschaftlicher Information,
die Planung der Investitionen für Modernisierung und Ersatzbeschaffung,
die Entwicklung des Kostenmanagements (z.B. interne Verrechnungssysteme, entgeltpflichtige Mehrwertdienste).
5. Der Aufbau der elektronischen Dienstleistungen muß von Bibliotheken, Rechen- und
Medienzentren gemeinsam getragen werden.
Im Rahmen des Dienstleistungsspektrums sind gemeinsam betriebene Benutzerberatungs- und Kompetenzzentren aufzubauen, die dem fortschreitenden Entwicklungsstand der Computertechnik und der zunehmenden Dezentralisierung ihrer Nutzung gerecht werden. Beratung ist zwingend verbunden mit eigenem ausgeprägten Know-how und mit Referenzinstallationen auf den unterschiedlichsten Gebieten. Mit der Erarbeitung von Empfehlungen, der Zusammenfassung von Erfahrungen, der Verbreitung von neuesten aufbereiteten Erkenntnissen für die Nutzer sind Aufgabenlinien entstanden, die in der Vergangenheit für die genannten Dienstleistungseinrichtungen einer Hochschule nicht unbedingt typisch waren. Besonders große Bedeutung kommt dabei - auch wegen des raschen Entwicklungstempos der neuen Möglichkeiten – einer umfassenden und transparenten Öffentlichkeitsarbeit zu.
Insbesondere erforderlich sind:
Unterstützung bei der Benutzung fachübergreifender Software (z. B. für statistische Methoden oder chemische Strukturmodelle),
programmiertechnische Beratung und anwendungsorientierte Unterstützung der Benutzer, insbesondere auf den Gebieten der Grafik, Präsentationstechnik, Visualisierung und Animation,
Beratung und Unterstützung der Wissenschaftler beim elektronischen Publizieren (Textformatierung, -gestaltung und -konvertierung, Einbindung von Grafiken, Planung digitaler Editionsvorhaben u. a.),
Beratung und Unterstützung der Wissenschaftler bei der Konzeption und Produktion multimedialer Lehr- und Lernprodukte, bei der Durchführung von Teleteaching-Veranstaltungen und virtuellen Seminaren,
Unterstützung, ggf. auch Planung, Implementierung, Anpassungsentwicklung und Betreuung von EDV-Anwendungen im Verwaltungsbereich der Universität.
Es ist die Voraussetzung dafür, daß die Hochgeschwindigkeitskommunikation, ausgehend direkt
von den Arbeitsplätzen der Wissenschaftler und Studenten, innerhalb der Institute und zentralen
Einrichtungen, zwischen den Instituten einer Hochschule, den Hochschulen eines Landes und zu
weltweiten Partnern aus der Wissenschaft und Wirtschaft gesichert ist.
Moderne computergestützte Dienste, so z. B. grafik- und multimediaorientierte Informations- und
Kommunikationsdienste, erfordern ein dynamisches Wachstum des Volumens und der
Geschwindigkeit des Datenverkehrs zwischen den genannten Bereichen. Die technische Infrastruktur der
passiven Verkabelung und der aktiven Kommunikationsgeräte muß dementsprechend ausgelegt
sein.
Die Verantwortung für deren Planung, Betrieb und Wartung liegt bei den Zentren für
Informationsverarbeitung und Kommunikation, den heutigen Rechenzentren.
7. Ein vielschichtiges Dienstespektrum ist anzubieten.
Es läßt sich in drei Niveaustufen gliedern:
Basisdienste, wie
File-Service, mit dem Ziel des Aufbaus eines hierarchisch organisierten File- und Archivierungskonzeptes, um den Nutzer von administrativen Arbeiten, wie Back-up oder Archivierungsaufgaben, zu entlasten.
Peripherie-Service, mit dem Ziel des Angebotes von besonderen Ressourcen der Datenein- bzw. -ausgabe, wie Spezialdrucker, Scanner u.ä.
Netzwerk-Management-Service, mit dem Ziel des durchgehenden Managements für das gesamte Netz und seine Schnittstellen nach außen.
Telematik- und Telekooperations-Service, mit Leistungen beginnend bei Electronic Mail, über Multimedia-Mail bis zu Teleconferencing.
Verwaltungsdatenverarbeitung, mit dem Ausbau des vorhandenen Systems der integrierten computergestützten Bearbeitung von Verwaltungsprozessen.
Dabei kann es sich um Texte, Bilder, Multimediaprodukte, Datenbanken mit Sekundärinformationen oder Fakten, Software u. a. handeln. Sie können aus der eigenen Hochschule stammen; sie werden teilweise von Verlagen als CD-ROM oder on-line zur Verfügung gestellt, können aber auch direkt von den Autoren im Internet angeboten werden. Für diese Informationen gilt es,
bedarfsgerecht für die Digitalisierung gedruckt vorliegenden Materials und seine Bereitstellung über das Netz zu sorgen,
den Nachweis von Dokumenten durch entsprechende Metadaten zu garantieren,
die Bereitstellung vor Ort, in Verbünden national oder weltweit zu ermöglichen und
die dauerhafte Archivierung durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu gewährleisten.
Wissenschaftler nutzen bereits die Möglichkeit zur elektronischen Publikation im Netz. So entstandene
Dokumente lagern zumeist dezentral auf den Servern der Fachbereiche, sie sind in der
Regel nicht mit Metadaten erschlossen, nicht in allgemein zugänglichen Katalogen nachgewiesen,
ihre mittel- und langfristige Verfügbarkeit kann nicht garantiert werden.
In enger Kooperation sollten Bibliotheken und Rechenzentren für diese wissenschaftlichen Texte,
aber auch für die Erstellung z. B. von Dissertationen, ein Beratungsangebot machen und für den
Nachweis in Suchmaschinen und Katalogen erschließen sowie dauerhaft im Netz auf speziellen
Dokumentenservern archivieren und bereitstellen.
10.Eine zunehmend flächendeckende und in ihrer Leistungsfähigkeit stark ansteigende
Vernetzung ermöglicht und erfordert auch eine verstärkte regionale und überregionale
Zusammenarbeit der Infrastruktureinrichtungen.
Durch Absprachen und Arbeitsteilung zwischen den Hochschulen und ihren Infrastruktureinrichtungen
kann das Dienstleistungsangebot weiter verbessert und im Sinne virtueller Bibliotheken,
Rechenzentren und Medienzentren schwerpunktmäßig aufgeteilt werden. Die lokale
Infrastruktureinrichtung übernimmt damit auch zunehmend Vermittlungsfunktionen für verteilt angebotene
Dienstleistungen.
Über die Zusammenarbeit der Informationsinfrastruktureinrichtungen hinaus ist die gemeinsame
Entwicklung z.B. von Standards, neuen Publikationsformen auch mit der Industrie, Verlagen,
Computerherstellern usw. erforderlich. Hierfür wird ein loser Zusammenschluß in Form einer
"Initiative für digitale Information" ähnlich der amerikanischen "Coalition for networked
information" auch in Deutschland angestrebt.