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Prinzipien zur Lizenzierung
Richtlinien und Checkliste für Bibliotheken



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Gegenwärtige Situation

  • Seit vielen Jahren leiden die Bibliotheken unter der „Zeitschriftenkrise", in der Form, daß sie sich nicht nur einem stetigen Anstieg der Anzahl von Zeitschriftentiteln, sondern auch einem strukturellen Anstieg der Zeitschriftenpreise zwischen 7 bis 15% pro Jahr gegenübersehen.

  • Um mit dieser Entwicklung umgehen zu können haben Bibliotheken
      - auf unterschiedlichste Weise versucht, ihre Budgets zu erhöhen
      - Zeischriftenabbestellaktionen durchgeführt
      - ihren Monographienerwerbungsetat gekürzt, was in vielen Bibliotheken zu einer erheblichen „Verarmung" ihrer Sammlungen geführt hat.
    Es ist offensichtlich, daß dieser Weg in eine Sackgasse führen muß, da die stagnierenden Bibliotheksetats in keiner Weise Schritt halten können mit der Preisentwicklung natur- und geisteswissenschaftlicher Informationen.



Möglichkeiten

  • Die Universitätsbibliotheken begrüßen die Entwicklungen, die durch Informationstechnologien ermöglicht werden, insbesondere die Zugangsmöglichkeiten zu elektronischen Informationen via Internet.
    Sie sehen in dieser Entwicklung eine wichtige Möglichkeit,
      - die internationale Kommunikation zwischen Forschern zu verbessern;
      - einen effizienten Endnutzerzugang zu relevanten Forschungsergebnissen in elektronischer Form anzubieten;
      - einen kosteneffizienteren Zugang zu natur- und geisteswissenschaftlichen Zeitschriften zu schaffen.



Hindernisse
  • Abgesehen von den angesprochenen strukturellen Problemen stellen die Bibliotheken einen auffallenden Trend auf seiten der Verlage fest, Speicher- und Informationszugangsbarrieren zu errichten sowie Lizenzvereinbarungen für den elektronischen Zugang zu Zeitschriften vorzulegen, in denen Gebühren erhoben werden, die Kopienlieferung behindert wird und Nichtstornierungsklauseln enthalten sind.

  • Die Stellung der Bibliotheken innerhalb der Urheberrechts-Gesetzgebung ist im digitalen Zeitalter gefährdet. Die Ausnahmerechte der Bibliotheken bzw. ihrer Benutzer im Bereich gedruckter Informationen werden durch die Verlage in Frage gestellt.

  • Einige Verlage bauen umfangreiche Datenbanken mit „ihren" Materialien auf. Ein mögliches Szenario wäre die direkte Bereitstellung dieser Informationen für den Endnutzer zu Preisen, die weit über diejenigen der gegenwärtigen Fernleihgebühren hinausgehen. Dies könnte den freien Informationsfluß, die wissenschaftliche Kommunikation und die öffentliche Bildung gefährden.

  • In vielen Fällen sind die technischen Konzepte der Verlage (und ihrer Zwischenhändler) (noch) nicht miteinander kompatibel und berücksichtigen nicht das Bedürfnis nach integriertem, homogenem und vom Lieferanten unabhängigen Informationszugang.



Präambel
  • Bibliotheken erkennen die Rolle der Verlage im Bereich gedruckter und elektronischer Veröffentlichungen an und erwarten im Gegenzug, daß die Rolle der Bibliotheken von den Verlagen anerkannt wird.
    Sowohl im Bereich gedruckter wie digitaler Medien besteht die Notwendigkeit das Gleichgewicht zwischen Autorenrechten und den Bedürfnissen einer breiten Öffentlichkeit, insbesondere Bildung, Forschung und Informationszugang, zu wahren, wie dies im WIPO Urheberrechtsvertrag gefordert ist.

  • Die Verwendung elektronischer Informationen kann Herausgeberkosten reduzieren, die Verbreitung vereinfachen und die wissenschaftliche Kommunikation verbessern.
    Gegenwärtig befinden sich Bibliotheken und Verlage in einer Übergangsphase, die beträchtliche Investionen sowohl von den Bibliotheken/Universitäten wie von den Verlagen verlangen.
    Die Bibliotheken sind bereit, mit den Verlagen bei der Entwicklung elektronischer Publikationen zusammenzuarbeiten.

  • Kooperationen zwischen Bibliotheken und Verlagen sollten gefördert werden, um eine optimale Streuung wissenschaftlicher Informationen im elektronischen Zeitalter anzukurbeln und akzeptable Bedingungen und Vereinbarungen für das elektronische Publizieren auf lange Sicht zu entwickeln.



Der bibliothekarische Ansatz
    Holländische und deutsche Universitätsbibliotheken möchten eine gemeinsame Politik definieren und einige allgemeine Prinzipien formulieren, um der Strategie der Verleger in bezug auf den Zugang zu elektronischen Zeitschriften und Lizenzvereinbarungen zu begegnen:

    I. Allgemeine Prinzipien

    1. Die Bibliotheken verhandeln mit den Verlagen und Zwischenhändlern als Konsortium/geschlossene Nutzergruppe.
    Die Mitglieder des Konsortiums werden keine neuen bilateralen oder multilateralen Vereinbarungen mit den Verlagen treffen, es sei denn, sie befinden sich in Übereinstimmung mit den hier aufgestellten Prinzipien.

    2. Das Konsortium/die geschlossene Nutzergruppe hat zum Ziel, elektronischen Zugang zu den wissenschaftlichen Zeitschriften, die sie gegenwärtig beziehen, zu gewähren.
    Es/sie ist bereit, zu diesem Zweck Lizenzvereinbarungen mit den Verlagen abzuschließen.

    3. Priorität genießt der Erwerb digitaler Materialien, die die größtmögliche Einsparung erbringen, weil sie einer größtmöglichen Anzahl von Studiengängen und Studenten zugute kommen.

    4. Die Bibliotheken beabsichtigen, so viele Abonnements (gedruckter und/oder elektronischer Formen) wie möglich aufrechtzuerhalten, werden jedoch ab sofort keine Nichtstornierungs-Klauseln mehr akzeptieren, die darauf zielen, eine Minimalgrenze für abonnierte oder lizenzierte Zeitschriften festzusetzen.

    II. Zugang und Benutzung

    5. Die Bibliotheken sollten in der Lage sein, ihren Studenten, den Fachbereichen und ihren Mitarbeitern, unabhängig von deren Standort, sowie anderen regulären und registrierten Nutzern auf ihrem Gelände Zugang zu gewährleisten.

    6. Lizenzen sollten den „fairen Gebrauch" aller Informationen für nichtkommerzielle, Bildungs-, Lehr- und wissenschaftliche Zwecke durch alle autorisierten Nutzer zulassen, inklusive uneingeschränkter Lesemöglichkeiten, Downloading und Drucken, soweit sie im Einklang mit den Vorgaben des gültigen Urheberrechts sind.

    7. Universitätsbibliotheken sollten die Erlaubnis erhalten, imRahmen der rechtlichen Bestimmungen Papier-, Fax- oder E-mail-Kopien der vom Verlag gelieferten Daten für nichtkommerzielle Fernleihzwecke zu erstellen. Sie sind bereit, gesonderte Bedingungen für die Fernleihe elektronischer Informationen zu diskutieren.

    8. Die Bibliotheken werden externen Nutzern keinen offenen Zugang zu von den Verlagen gelieferten Volltextmaterialien anbieten.

    9. Die Lizenzvereinbarung sollte Dauerrechte an einmal bezahlten Informationen beinhalten, inklusive Rückerstattungen für Zeitschriften, die ursprünglich in der Vereinbarung aufgenommen waren, jedoch nachträglich herausgenommen wurden.
    Eine Kopie der Datei kann vom Lizenznehmer zu Archivierungszwecken und zur fortwährenden Nutzung behalten werden.

    III. Speicherung, Formate und Integration

    10. Die Verlage werden gebeten, die elektronischen Dateien der Zeitschriftenartikel/Zeitschriften im Volltext zu liefern, die die Konsortialbibliotheken abonniert haben. Die Daten werden je nach Präferenz der einzelnen Bibliotheken gespeichert: lokal, verteilt auf Server der Konsortialpartner, auf einem durch die Konsortialpartner bestimmten Zentralserver, auf einem Verlags-Server oder durch eine Kombination der genannten Möglichkeiten.

    11. Der lizenzierte Inhalt sollte von allen aktuell unterstützten Betriebssystemen und Netzwerkumgebungen aus zugänglich sein; dieser Zugang soll auf gültigen Standards, wie sie von Bibliotheken benutzt werden, basieren (z.B. Z39.50).

    12. Die elektronischen Daten (bibliographische Daten, Abstracts und Volltext) sollten in Formaten, z.B. „real PDF, HTML oder SGML, je nach Präferenz der Bibliotheken, geliefert werden.

    13. Lizenzen sollten das Recht der Bibliotheken, Daten in ihre lokalen Infrastrukturen und Informationsdienste zu integrieren, nicht beschränken.

    14. Die Bibliotheken lehnen proprietäre Lösungen von Verlagen oder Zwischenhändlern ab. Sie legen Wert auf eine Unterscheidung von Inhalt und Präsentation, eine Trennung von Daten und Anwendungen, um die Möglichkeiten der Integration von elektronischen Daten in bestehenden Bibliotheksdiensten zentral und lokal voll nutzen zu können.

    IV. Dienste und Kosten

    15. Die Bibliotheken erwarten von den Verlagen und Zwischenhändlern, daß sie die bibliographischen Daten und Abstracts der von ihnen abonnierten Zeitschriften den Bibliotheken/dem Konsortium/der geschlossenen Nutzergruppe in elektronischer Form liefern.
    Im Informationszeitalter kann die elektronische Lieferung als ein integraler Bestandteil regulärer Zeitschriftenabonnements/elektronischer Lizenzen angesehen werden.
    Diese Daten sollten prinzipiell ohne Zusatzkosten zur Verfügung gestellt werden.

    16. Die elektronischen Daten (bibliographische Daten, Abstracts und Volltext) sollten vorzugsweise vor der Printversion, zumindest jedoch zeitgleich mit dieser verfügbar gemacht werden.

    17. Für den Fall, daß elektronische Dateien zusätzlich zur Printversion benötigt werden, sind die Konsortiumsmitglieder bereit, eine zusätzliche Gebühr in Höhe von 7,5% für die elektronische Datei der von ihnen abonnierten Zeitschriften für den Zeitraum eines Jahres zu bezahlen.
    Nach Ablauf dieses Jahres sollten die elektronischen Verzeichnisse ohne/mit begrenzten Zusatzkosten zugänglich sein/geliefert werden.

    18. Sollten Bibliotheken nur die elektronische Lizenz unter Aufgabe ihres Abonnements der Printversion wünschen, so sollte der Preis 80% der Kosten für die Printversion nicht überschreiten.

    19. Über die Vereinbarungen über elektronische Lizenzierung hinaus sind die Konsortialbibliotheken/die Bibliotheken der geschlossenen Nutzergruppe bereit, mögliche Dienstleistungen zu diskutieren, wie z.B.
    - den Kauf zum Selbstkostenpreis einer vorselektierten Anzahl von Artikeln anhand einer Liste von weniger häufig genutzten Zeitschriftentitel und
    - die „transaktionale" Lieferung (pay-per-view) von Artikeln aus wenig genutzten Zeitschriftentiteln.

    V. Nutzungsinformationen

    20. Die Anonymität individueller Benutzer sowie die Vertraulichkeit ihrer Suche muß in vollem Umfang gewährleistet sein.

    21. Es ist zwingend notwendig, daß die mit den Verlagen abgeschlossene Lizenzvereinbarung den einzelnen Bibliotheken das Recht und die Möglichkeit garantiert, Benutzunghäufigkeiten aufzeichnen und die für die Sammlungsentwicklung relevanten Managementinformationen sammeln zu können.

    22. Die Bibliotheken erklären sich bereit, diese Managementinformationen auf globaler Ebene mit den Verlagen auszutauschen.

    VI. Sonstiges

    23. Eine Lizenzvereinbarung sollte den Verlag verpflichten, die Bibliotheken zu verteidigen und zu entschädigen, sie nicht haftbar zu halten für Verfahren, die auf der Anklage beruhen, daß die Nutzung einer Quelle in Übereinstimmung mit der Lizenz in die Patent- oder Urheberrechte Dritter eingreift.

    24. Lizenzvereinbarungen, die auf diesen Konsortialprinzipien beruhen, sollten durch holländisches/deutsches Recht geregelt werden.




[Letztmalige Aktualisierung: 24.08.1998 / cl]