Pier Bierbach

Wissensrepräsentation - Gegenstände und Begriffe
Bedingungen des Antinomieproblems bei Frege und Chancen des Begriffssystems bei Lambert

Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doctor philosophiae (Dr. phil.) vorgelegt an der Philosophischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
verteidigt am 11.07.2001

Abstract
Die auf Basis vernetzter Computer realisierbare Möglichkeit einer universalen Enzyklopädie führt aufgrund der dabei technisch notwendigen Reduktion auf nur eine Sorte Repräsentanten zu Systemen, bei denen entweder nur Gegenstände repräsentiert werden, die auch Begriffe vertreten, oder nur Begriffe, die auch Gegenstände vertreten. In der Dissertation werden als Beispiele solcher Repräsentationssysteme die logischen Systeme von Gottlob Frege und Johann Heinrich Lambert untersucht. Freges System, basierend auf der Annahme der Objektivität von Bedeutungen, war durch die Nachweisbarkeit einer Antinomie gescheitert, weshalb von Philosophen im 20. Jahrhundert die Existenz einer objektiven Bedeutung von Ausdrücken und die Übersetzbarkeit der Gedanken aus den natürlichen Sprachen in eine formale Sprache in Frage gestellt wurde. In der Dissertation wird nachgewiesen, daß diese Konsequenz voreilig war und daß die Antinomie auch bei Annahme der Objektivität von Wissen erst durch zwei Zusatzforderungen in Freges Logik ausgelöst wird: die eineindeutige Zuordnung eines Gegenstands zu jedem Begriff sowie die scharfen Begrenzung der Begriffe, die zur Abgeschlossenheit des Systems zwingt. Als Alternative wird das Begriffssystem Lamberts diskutiert, bei dem jeder Gegenstand durch einen Begriff und gleichwertig durch Gesamtheiten von Begriffen vertreten wird und Begriffe durch Gesamtheiten von Begriffen ersetzbar sind. Beide die Antinomie auslösenden Bedingungen sind hier nicht vorhanden, zugleich ist die fortschreitende Entwicklung von Wissen repräsentierbar. Durch die mengentheoretische Rekonstruktion des Begriffssystems Lamberts in der Dissertation wird dessen praktische Nutzbarkeit gezeigt. Resultat der Dissertation ist der Nachweis, daß es Repräsentationssysteme gibt, die nicht auf die für die Prüfung der Verbindlichkeit der Einträge in die Enzyklopädie notwendige Annahme der Verobjektivierbarkeit von Wissen verzichten müssen, weil ihnen nicht jene die Antinomie auslösenden Voraussetzungen zugrunde liegen.

The possibility of a universal encyclopaedia realizable based on networked computers leads because of the technically necessary reduction to only one kind of representatives to systems, where either only objects representing also concepts are represented, or only concepts representing also objects. In the dissertation the logical systems of Gottlob Frege and Johann Heinrich Lambert are examined as examples of such representation systems. Freges system, based on the supposition of objectivity of meaning, had failed because of the provability of an antinomy. Caused by this antinomy the existence of an objective meaning of terms and the translatability of thoughts from the natural languages into a formal language was questioned by philosophers in the 20th century. In the dissertation is proved, that this consequence has been rashly and that, even supposing the objectivity of knowledge, the antinomy is triggered only by two additional preconditions in Freges logic: the reversibly unambiguous allocation of exactly one object to each concept as well as the sharp limitation of the concepts which forces to completeness of the system. Lambert's system of concepts is discussed as an alternative, in which every object is equally represented by one concept and by sets of concepts and concepts are replaceable by sets of concepts. Both preconditions triggering the antinomy are not available here, at the same time is it possible to represent the progressive development of knowledge. In the dissertation the practical usability of Lambert's system of concepts is shown by reconstructing it based on set theory. Result of the dissertation is the proof that there are representation systems not having to do without the supposition of possibility to objectify knowledge (which is necessary for the check of liability of entries for the encyclopaedia) because those prerequisites triggering the antinomy don't form the basis of those systems.

Keywords:
Philosophie, Logik, Antinomie, Begriff, Gegenstand, Frege, Lambert, Wissen, Repräsentation, Enzyklopädie

Philosophy, Logic, Antinomy, Concept, Object, Frege, Lambert, Knowledge, Representation, Encyclopedia

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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis (1-4)
1 Zur Motivation und Zielstellung der Dissertation (5-22)
2 Frege: Begriffe, Gegenstände und Russellsche Antinomie (23-129)
3 Lambert: Erweiterbares System von Begriffsmengen (130-186)
4 Anlage: Zwei Anmerkungen zu Lambert (187-206)
5 Literaturverzeichnis (207-212)