Zusammenfassung
Obwohl Angst und Angsterkrankungen in den letzten 30 Jahren Gegenstand der Forschung waren, ist das Wissen über
Mechanismen, die emotionale Prozesse regulieren und welche Veränderungen im Gehirn bei Angsterkrankungen
zugrunde liegen, relativ gering. Untersuchungen an genmanipulierten Labortieren können neue Erkenntnisse bei der
Erforschung von Angstmechanismen und -erkrankungen liefern.
Die transgene Ratte TGR(mRen2)27, die aus der Hannover-Sprague-Dawley-Ratte hervorgegangen ist, besitzt ein
zusätzliches Reningen, und dadurch ist der Blutdruck erhöht.
Die vorliegende Arbeit konzentrierte sich auf die Erfassung des Angstverhaltens der TGR(mRen2)27 im Vergleich zu
ihrem Wildtyp, der Sprague-Dawley-Ratte. Das Verhalten der Sprague-Dawley-Ratten im Vergleich zu anderen
Rattenstämmen wurde bisher wenig untersucht. Daher wird im zweiten Teil der Arbeit das Verhalten verschiedener
Rattenstämme und von Wistar-Ratten unterschiedlicher Züchter verglichen.
Die Auswirkungen des zusätzlichen Reningens auf die physiologischen Funktionen wurden zuerst geprüft. Dazu sind das
Freß- und Trinkverhalten und die Entwicklung der Körpergewichte der transgenen Ratten und ihrer Kontrolltiere
gemessen worden. Die Wasseraufnahme der TGR(mRen2)27 war deutlich höher gegenüber der der Kontrollratten.
Dieses Ergebnis bestätigt, daß der erhöhte Blutdruck im direkten Zusammenhang mit dem
Renin-Angiotensin-Aldosteron-System steht.
Das Angstverhalten der TGR(mRen2)27 wurde im weißen- und schwarzen Open-field-Test, im Konflikttest, im
Social-interaction-Test, im Holeboard-Test, im Black-white-box-Test, im Elevated-plus-maze-Test und im
Free-exploratory-paradigm-Test untersucht. Im Elevated-plus-maze-Test wurden die anxiolytische Wirkung der
Substanzen Diazepam (1 und 3mg/kg) und Propanolol (1 und 3mg/kg) geprüft.
Insgesamt waren die Verhaltensabweichungen der TGR(mRen2)27 vom Wildtyp nur schwach ausgeprägt. Sie traten zwar
wiederholt und mehrfach auf, waren aber nicht immer statistisch zu sichern. Die TGR(mRen2)27 zeigten außerdem eine
meist geringere lokomotorische Aktivität. Die geringere lokomotorische Aktivität läßt zwar nicht direkt auf ein stärkeres
Angstverhalten schließen, ist aber auch kein unabhängiger Parameter. Auffällig war, daß die TGR(mRen2)27 in den
vorliegenden Versuchen und in der Literatur durch Stimuli wie Futter- und Wasserentzug ihre Angst schneller
überwanden als die Sprague-Dawley-Ratten. Diazepam und Propranolol wirkten bei den TGR(mRen2)27 anxiolytisch,
während sie bei den Sprague-Dawley-Ratten wirkungslos waren.
Verhaltensunterschiede zwischen den Rattenstämmen Sprague-Dawley, Wistar, Lewis, Fischer und Brown-Norway sowie
zwischen Wistarratten von drei unterschiedlichen Züchtern wurden untersucht. Dazu wurden die lokomotorische Aktivität
im Open-field und das Angstverhalten im Konflikttest, im Social-interaction-Test, im Holeboard-Test und im
Free-exploratory-Test erfaßt. Die Ergebnisse zeigen deutlich, daß gravierende Verhaltensunterschiede im Angst- und
Explorationsverhalten existieren, sowohl zwischen den Rattenstämmen als auch zwischen Zuchtlinien innerhalb eines
Stammes.
Dadurch wurde deutlich, wie wichtig es ist, Laborratten für Verhaltensuntersuchungen bewußt auszuwählen. Nationale
und internationale Vergleiche von Ergebnissen können demzufolge nur an denselben Rattenzuchtlinien erfolgen.
Verschiedene Zuchtlinien können unterschiedliche "Level der Angst" haben, also ist die Auslenkbarkeit des
Angstverhaltens bei Ratten mit hohem bzw. niedrigem Angstlevel eingeschränkt und Pharmakawirkungen werden nicht
erfaßt.
Da die Sprague-Dawley-Ratten auf eine Anxiolytikabehandlung im Elevated-plus-maze-Test nicht ansprachen und im
Vergleich zu den anderen getesteten Rattenstämmen in drei von vier Verhaltenstests ein weniger ängstliches
Verhaltensprofil zeigten, ergibt sich die Frage, ob die durchgeführten klassischen Angsttests geeignet sind,
Verhaltenseffekte an diesem Rattenstamm zu erfassen. |