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FU Berlin
Digitale Dissertation

Bettina Widner :
Die Stunde des Untertanen
Ein Untersuchung zu satirischen Romanen des NS-Exils am Beispiel von Irmgard Keun, Walter Mehring und Klaus Mann
The Hour of the Untertan

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Zusammenfassung

Die Dissertation behandelt selten rezipierte, in satirischer Schreibweise verfasste Romane aus dem NS-Exil der dreißiger Jahre. Es sind Romane, die nach den Voraussetzungen der Nazi-Herrschaft suchen. Sie weisen einer Gesinnungslosigkeit, die selbstverschuldeter Schwäche entspringt, ein hohes Maß an historischer Verantwortung zu. Die Exilromane stehen in der Aufklärungstradition deutscher Kleinbürgersatire seit Georg Christoph Lichtenberg und Heinrich Heine. Begriff und Bild des "Untertanen", wie ihn Heinrich Manns Roman skizziert, belehnen alle untersuchten Exilsatiren. Der Figur des Untertanen, des potenziell faschistischen, für antidemokratische Ideologie empfänglichen Kleinbürgers, werden schöpferische Charaktergestalten gegenübergestellt, Außenseiter, Schelme. In diesen Norm setzenden Figuren verkrusten sich bürgerliche Idealvorstellungen. Das kleinbürgerliche Denken des Untertanen ist als Schwundstufe bürgerlicher Existenz zu begreifen, die Nonkonformisten, indem sie bürgerliche Tugenden im Extrem ausleben, als die Gesinnungslosigkeit herausforderndes Gegenstück. Einen offen der Ratio im emphatischen Sinne abschwörenden Gegner wie den Faschismus zu verlachen scheint auf den ersten Blick töricht. Doch ermöglicht das Lachen, unter Aufhebung reflexiv logischen Verhaltens, überhaupt auf die Realität gewalttätiger Willkür zu reagieren und den Widersinn, das Factum brutum NS, zunächst einmal als gegeben wahrzunehmen ? jenseits eines bloßen Verstummens. In allen von mir untersuchten Werkgeschichten wirkt das Exil politisch radikalisierend. Am Ende eines solchen auktorialen Bewußtwerdungsprozesses steht nicht, wie zuweilen behauptet wurde, automatisch der Volksfrontgedanke. Der satirische Gestus ist eher einer der individualistischen Dogmenfeindlichkeit, gespeist aus Skepsis und Pessimismus. Doch wenn das provisorische Ich der Kritik in der Satire noch einmal einen Standort der Perspektive findet, dann nur auf Kosten der Fortschrittsidee selbst. Die Romane legen offen, was der Nationalsozialismus der Literatur abfordert - die Aufwärtsbewegung der Kultur, des Geistes, der Zivilisation zu leugnen. Die satirischen Exilromane sind als das demokratische Gegenstück zum sozialistischen Widerstandsroman zu begreifen. In seiner jeweiligen Verarbeitung offenbart das Motiv Kleinbürgerkritik den Dissens des Satirikers zur KP-Strategie.

Inhaltsverzeichnis

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Inhaltsverzeichnis

I "Was ist da komisch?" Satire und NS-Exilliteratur

II Theoretische Überlegungen

1. "Er springt wirklich sehr gut übern Stock": Die Figur des Untertanen und Kleinbürgers
1.1 Zur Geschichte literarischer Kleinbürgersatire
1.2 Aggression und Unterwürfigkeit: Kleinbürger und Nationalsozialismus
1.3 Deutschland auf dem "Sonderweg"? Ursachen des Verlusts humanitärer Orientierung

2. Empörung über eine gestörte Ordnung: Die satirische Schreibweise in der NS-Exilliteratur
2.1 Zur Definition des Begriffs "Satire"
2.2 Weit eher Schmerz als Witz: Lachen über den Nationalsozialismus

3. Heimgeholt? Die deutsche NS-Exilliteraturforschung
3.1 Die Rezeptionsgeschichte der NS-Exilliteratur
3.2 Ducken, Mitlaufen, Herrschen: Kleinbürgerkritik als Motiv der NS-Exilliteratur

III "Unerhört gebliebene Propheten": Der Bund Freie Presse und Literatur (BFPL)

1. "Wie lange muß man schweigen, einer Idee zuliebe?" Die Gründung des BFPL

2. Die Gründer des "Bundes Freie Presse und Literatur"

2.1 Konrad Heiden: "Prüfungsfall der Emigration"
2.2 Leopold Schwarzschild: "Das Ende der Illusionen"
2.3 Walter Mehring: Kultur und Kritik sind eins
2.4 Hans Sahl: "Das Exil im Exil"
2.5 Klaus Mann: "Geschworener Feind aller Eclats"

IV Untertanen, Außenseiter und Mitläufer: Romananalysen

1. Germanische Urnatur und westliche Zivilisation. Walter Mehrings Roman
Müller: Chronik einer deutschen Sippe (1935)

1.1 "... gegen alle Dogmen zu ketzern": Der Satiriker Walter Mehring

1.2 Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte des Müller-Romans

1.3 Der Aufbau des Romans
1.3.1 "... und Euch zum Trotz": Satire und Wirklichkeit
1.3.2 Verinnerlichter Untertanengeist: Der Typus "Müller"

1.4 Das Lehrbuch als "Lehrdichtung": Die Erzählhaltung in Rahmen- und Binnenhandlung
1.4.1 Die Rahmenhandlung
1.4.1.1 Der Schreibanlass
1.4.1.2 Der zweifache Quellenfund
1.4.1.3 Der fiktive Ich-Erzähler "Mehring"
1.4.2 Die Binnenerzählungen
1.4.2.1 Der Moritatencharakter der Binnenerzählungen

1.5 "Don Quichote des Rassenwahnes": Der Protagonist Dr. Armin Müller

1.6 Die Erfüllung des "Müller-Zukunfts-Wunschtraumes": Untertanenmentalität und Totalitarismus
1.6.1 "Les vicissitudes bourgeoises" - Das "müllersche"Wesen der Deutschen

1.7 Deutsche Geschichte, umgeschrieben. Rassenideologie und "preußische Legende"

2. Kalkulierte Einfalt und der Verlust demokratischer Öffentlichkeit.
Irmgard Keuns Roman Nach Mitternacht (1937)

2.1 Verniedlicht, missverstanden, angeeignet: Die Rezeption der Werke Irmgard Keuns

2.2 "Deutsche Wirklichkeit": Die Rezeption des Romans Nach Mitternacht

2.3 Der Aufbau des Romans
2.3.1 Irritierte Chronistin: Satirische Perspektivierung und Ich-Erzählweise
2.3.2 "Sanna", eine Pikara?
2.3.3 Kleinbürger - Untertanen und Schelme

2.4 "Das Äußerste an Mode und Glanz": Öffentlichke= it als Inszenierung
2.4.1 Der Besuch des "Führers"
2.4.2 Der Tod des "Bertchen Silias"
2.4.3 Frauenphantasien: "Tant Adelheid"
2.4.4 Neudeutsche "Wallfahrtstätte": Das "Amt für öffentliche Ordnung"

2.5 Relikte bürgerlicher Gefühlskultur: "Liska Moder" und "Betty Raff"

2.6 Zeit zu schweigen: "Heinis" öffentlicher Selbstmord

3. Verkümmerte Subjektivität und die Freiheit des Narren.
Irmgard Keuns Roman D-Zug dritter Klasse (1938)

3.1 "Fühllose Narren und unzeitige Empfindungen": Der Roman D-Zug dritter Klasse

3.2 "Besser und schöner als alle anderen": Die Erzählhaltung

3.3 Halb Kleinbürgerin, halb Närrin: Die Protagonistin "Lenchen"

3.4 Norm vs. Normalität: Satire und die Subjektivität des Außenseiters
3.4.1 Die Figur "Tante Camilla"
3.4.1.1 Der Brustpanzer, Garant der Innerlichkeit
3.4.2 Parodie statt positiven Gegenbilds
3.4.2.1 Das Motiv des Wahnsinns
3.4.2.2 Das Motiv der Welterlösung: "Tante Camilla"

3.5 Außenseitertum und Ideologiekritik. Der Außenseiter - Antagonist des Kleinbürgers

4. Deutsche Kulturtradition und das säkularisierte Böse.
Klaus Manns Roman Mephisto: Roman einer Karriere (1936)

4.1 "Auf der Suche nach einem Weg": Der Literat und Publizist Klaus Mann

4.2 Mephisto: "Satire auf den Streber"

4.3 Künstler oder Schmierenkomödiant? Das Schauspielermotiv
4.3.1 "Vorspiel 1936": Eine Gesellschaft von Komödianten

4.4 Pose, Ehrgeiz, Scham: Der Protagonist "Hendrik Höfgen"
4.4.1 Einfluss und Dummheit: "Höfgens" Helfershelferinnen
4.4.1.1 Erbin des Großbürgertums: "Barbara Bruckner"
4.4.1.2 Die "berufsmäßige Sentimentale": "Lotte Lindenthal"
4.4.1.3 "Entschlossener Zynismus": "Nicoletta von Niebuhr"

4.5 Gute Mimen, schlechte Mimen
4.5.1 Die Normfiguren "Otto Ulrichs" und "Hans Miklas"
4.5.2 "Macht, Hinkender, Fleischberg": Das Führungstriumvirat

4.6 Die literarischen Parodien
4.6.1 "Geschichten der Verirrung": "Theophil Marder" und "Benjamin Pelz"
4.6.2 "Juliette", Femme fatale des Fin de sicle

4.7 Schalk, Beelzebub, Verführer? "Hendrik Höfgen" in der Rolle des "Mephistopheles"
4.7.1 Mephisto, "Faustisches" und die "verspätete Nation"

5. "... daß nicht ungehört uns das Wort, das wir liebten, entgleite" - antitotalitäre Satire heute

V Literaturverzeichnis

Primärtexte
Exilliteraturforschung
Zur satirischen Kritik des Nationalsozialismus
Satire- und Komiktheorie
Literaturwissenschaft/Überblicksdarstellungen
Zu einzelnen Autoren
Historische, soziologische und philosophische Untersuchungen
Nachschlagewerke
Dokumente

Siglen
Irmgard Keun
Klaus Mann
Walter Mehring

Anhang: "Aus dem Statut: Zweck des Bundes Bund freie Presse und Literatur"


Ergänzende Angaben:

Online-Adresse: http://www.diss.fu-berlin.de/2001/3/index.html
Sprache: Deutsch
Keywords: Satire, Exile, 1930s, National Socialism, Irmgard Keun, Klaus Mann, Walter Mehring
DNB-Sachgruppe: 53 Deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft
Datum der Disputation: 18-Jul-1998
Entstanden am: Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften, Freie Universität Berlin
Erster Gutachter: Professor Dr. Horst Domdey
Zweiter Gutachter: Professor Dr. Claudia Albert
Kontakt (Verfasser): Tiwi3@aol.com
Kontakt (Betreuer): horst.domdey@knuut.de
Abgabedatum:08-Jan-2001
Freigabedatum:10-Jan-2001

 


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