Zusammenfassung
In der Arbeit
geht es um amerikanische Prosa aus der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts, in der die Sprache des Rechts zum Material der
Literatur wird: Melvilles Bartleby und Billy Budd,
William Dean Howells' An Imperative Duty. Melville und
Howells holen das Recht hinüber in die literarische
Suspendierung von faktischer Verbindlichkeit. Für das Recht ist
unverbindlich gemachte Rechtssprache eine Provokation: die
Autoren rufen in ihren literarischen Texten das Recht auf den
Plan und nehmen ihm gleichzeitig die Chance, seine Pflicht zu
tun, nämlich definitiv zu entscheiden. Gerade in der
amerikanischen Kultur des neunzehnten Jahrhunderts stellt sich
mit Nachdruck die Frage, wie sich diese Literarisierung der
Sprache des Rechts nun selbst wieder rechtfertigen kann. Denn
damals wie wohl heute noch definiert sich die amerikanische
Kultur gerade über ihre Rechtmäßigkeit als Kultur der
Demokratie.
Melville und Howells knüpfen in ihrer
literarischen Prosa unmittelbar an Theorien demokratischer
Normativität an: So beschreiben sie mit dem
zeitgenössischen Stand der Rechtstheorie bei Oliver
Wendell Holmes Äußerlichkeiten als das Feld, an das
sich normative Vorgänge klammern; also gerade nicht die
subjektive Verworfenheit eines Schuldiggesprochenen oder den
intrinsischen Wert einer Handlung, sondern das zufällige,
gewollte oder gewaltsame Einrücken eines Vorfalls in
narrative Ketten von Ursache und Wirkung, die das Recht oder
die zu Gesetzen erhobenen Wahrscheinlichkeitsregeln der
Naturwissenschaften geknüpft haben. Doch wie sich in der
Arbeit herausstellt, ist die Schönheit der eigentliche
Skandal literarischer Entfaltung mittels der, aber gegen die
Sprache des Rechts. Exemplarisch zeigt sich dies an der
Selbstgenügsamkeit von Bartlebys Formel. Die Formel
fügt einen ästhetischen Naturersatz in die
Rechtsgeschäftigkeit ein. Sie markiert eine Stelle, wo
die Natur war, die das juristische Geschäft des
Unterscheidens legitimierte und eben auch immer wieder
aufsprengte. Aber noch vor dieser Interpretation ist die
Formel eine Spracharabeske, ein in sich kehrender Schwung aus
Syntax und einfacher Bedeutung, der die Frage nach seiner
Rechtmäßigkeit oder Berechtigung überhaupt nur
als politisch motivierten Hintergedanken aufkommen
läßt.
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