Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit unternimmt eine Rekonstruktion der politischen Philosophie des Aristoteles ausgehend vom am Anfang der Politik angekündigten methodischen Verfahren der Untersuchung der Polis durch ihre Zerlegung bis hin zu den nicht mehr zusammengesetzten (asýntheta) Teilen (Pol. I 1, 1252a18-23), sowie vom auf das Politische bezogenen Satz: das Ganze gehe den Teilen voraus (Pol. I 2, 1253a20).
Im 1.Kap. wird die von der politischen Philosophie angestrebte Erkenntnis näher bestimmt und in der Konstellation der Aristotelischen Praxisauffassung, sowie der im Gegensatz zu Platon eingeführten Trennung zwischen theoretischer und praktischer Philosophie verortet. Ein spezifischer Praxishintergrund beleuchtet die quantitativen und qualitativen Dimensionen des Begriffsverhältnisses auch in der ersten Philosophie, was nicht zuletzt in Zusammenhang mit der positiven Einstellung des Aristoteles zur Vielfalt und Beweglichkeit der Einzelseienden steht: diesem Problemkomplex ist das 3.Kap. gewidmet. Im 4.Kap. werden v.a. die verschiedenen von Aristoteles entworfenen Teilungsmodelle der Polis untersucht, die letzten Endes auf polisbedingte Formen und Möglichkeiten menschlicher Vergesellschaftung und politischer Betätigung verweisen. Die qualitative Entfaltung des Ganzes-und-Teile-Verhältnisses konkretisiert Aristoteles v.a. mithilfe der Begriffe eîdos (: Form und Art), Natur, Eudämonie, Autarkie und Gerechtigkeit. Die realitätsnahe Analyse des Polisganzen ist mit den Wertvorstellungen des Philosophen verknüpft, die auf die Dauerhaftigkeit des hellenischen Polislebens durch möglichst ausgewogene Verhältnisse unter den Teilen des Ganzen abzielen. Der Verdacht aber, dass die Aristotelische Verfassungstheorie sich mit dem prinzipiellen Plädoyer des Philosophen für die Monarchie und seinen engen Beziehungen zum makedonischen Hof nicht verträgt, macht einen Rückgriff auf die politischen und ideologischen Gegebenheiten der Zeit erforderlich. Dieser Problematik geht das 2.Kap. sowie die drei letzten Abschnitte des 4.Kap. nach: letzten Endes wird die Parallelität der Aristotelischen Verfassungstheorie zu der von Makedonien betriebenen hegemonialen Hellaspolitik nachgewiesen.
Die Aristotelische Theorie wird im 5.Kap. als Teil eines auf Hegemonie ausgerichteten Diskurses angesehen, wobei die Funktion des Ganzen mehr als die je konkrete Zusammensetzung der Polis die Fähigkeit zur Bildung von polisrelevanten und ?tauglichen Zusammenschlüssen betrifft. Damit erhält das Ganze eine in der damaligen Polisrealität verankerte ideelle Dimension, die heute u.a. mithilfe des Begriffs des Imaginären erschlossen werden kann. Die von Aristoteles studierte Verallgemeinerungs- und Durchsetzungsfähigkeit von ethisch-politischen Vorstellungen im Rahmen der Gemeinschaft der Stadtbürger vermag die Relevanz seiner Ganzes-und-Teile-Auffassung für die heutige Problematik um die Zivilgesellschaft zu begründen. Diese Relevanz wird im 6.Kap. unter Beachtung der Differenzen zwischen den Epochen herausgearbeitet. Die Relevanz des Aristoteles für heutige Auseinandersetzungen mit dem Begriff des Ganzen kommt ebenfalls im 6.Kap. zur Sprache: diese leuchtet eher bei einer politisch begründbaren Reaktivierung des Aristotelischen Dialektikbegriffes ein. |