Das Ziel der vorliegenden Arbeit
bestand darin, Wege aufzuzeigen, die die gezielte Einführung unnatürlicher Aminosäuren
in Proteine mit der Methodik des Einsatzes chemisch aminoacylierter amber-Suppressor-tRNAs
verbessern. Um die besonderen Bedingungen beim Einsatz von amber-Suppressor-tRNAs
in der zellfreien Proteinbiosynthese zu beleuchten, wurden sowohl in vivo
exprimierte als auch in vitro transkribierte amber-Suppressor-tRNAs
auf unterschiedlichen Funktionsebenen innerhalb eines Escherichia coli in
vitro-Translationssystems charakterisiert. Letztendlich ermöglichten die
Untersuchungen eine Einstufung der Suppressionseffizienz von sieben
verschiedenen in vitro transkribierten amber-Suppressor-tRNA-Spezies.
Die zielgerichtete Insertion
einer unnatürlichen Aminosäure in ein Protein konnte innerhalb der vorliegenden
Arbeit anhand der Insertion von ?-Dansyl-Lysin in FABP demonstriert
werden. Nicht unerwartet war der
Einbau der unnatürlichen Aminosäure äußerst ineffizient. Als eine weitere
Limitation der dem Einbau unnatürlicher Aminosäuren zugrunde liegenden Methodik
erwies sich die Aufreinigung größerer Mengen an homogenen in vitro
transkribierten verkürzten tRNAs, die für die Herstellung der mit der
unnatürlichen Aminosäure beladenen tRNA eine unabdingbare Voraussetzung ist.
Die Aufreinigung homogener tRNAs war aufgrund der starken 3'-Endheterogenität
der Transkriptionsprodukte äußerst problematisch. Sowohl die Homogenität der
tRNA als auch die absolute Ausbeute ließen sich deutlich verbessern, indem die
normalerweise für die Transkription mit T7-RNA-Polymerase gebräuchliche Temperatur
von 37°C auf ein Optimum von 44°C erhöht wurde. Zudem zeigten unterschiedliche
Präparationen von T7-RNA-Polymerase verschieden starke n+1-Aktivitäten.
Zur Untersuchung der Aktivitäten in
vivo exprimierter amber-Suppressor-tRNAs,
wurden Gesamt-tRNA-Präparationen aus insgesamt 10 verschiedenen, bei Kleina et
al. (1990) beschriebenen Escherichia coli-amber-Suppressor-Zellstämmen
in der in vitro-Translation eingesetzt.
Die Relationen in den Suppressionsaktivitäten der amber-Suppressor-tRNAs
für Leucin, Histidin, Tyrosin und Serin entsprachen denen in vivo. Die
geringere Suppressionsaktivität anderer untersuchter amber-Suppressor-tRNAs
in vitro gibt möglicherweise einen Hinweis darauf, daß die Aktivität
einiger Aminoacyl-tRNA-Synthetasen im in vitro Translationssystem
reduziert ist.
Prozessierung,
Reparatur und Aminoacylierung in vitro transkribierter tRNAs und ihre
Beziehung untereinander wurden eingehend untersucht. Homogene
tRNA-Präparationen mit korrektem CCA-Ende konnten durch eine Prozessierung
oder durch die Regeneration des 3'-Endes der in vitro transkribierten
tRNAs in der S100-Enzymfraktion des Translationssystems erhalten werden. Die
Prozessierung verlängerter tRNAs und die Reparatur verkürzter tRNAs innerhalb
des Gesamtsystems erwiesen sich als nicht limitierend für die
Proteinbiosynthese.
Letztendlich konnte die
unterschiedliche Suppressionsaktivität der Transkripte von sieben amber-Suppressor-tRNA-Spezies
(tRNASerCUA {su+1}, tRNATyrCUA
{su+3}, tRNALeuCUA
{su+6}, tRNALeu5CUA,
tRNAPheCUA, tRNAHisCUA und tRNAAla1CUA)
auf strukturelle Eigenschaften der entsprechenden Aminoacyl-tRNAs
zurückgeführt werden. Als Maß für die Suppressionseffizienz diente die Häufigkeit
der ribosomalen tRNA-Selektion im Vergleich zur Häufigkeit der Selektion von
RF1. Alle untersuchten amber-Suppressor-tRNAs enthielten die als ideal
für die Suppression beschriebene Nukleotidfolge 5'C34U35A36A37A383'
innerhalb ihrer Anticodonschlaufe. Auch in Anwesenheit dieser Sequenz
unterschieden sich die Suppressionseffizienzen der einzelnen amber-Suppressor-tRNAs
sehr stark. Die Rate der tRNA-Selektion des stärksten Suppressors, tRNASerCUA,
war über 20 mal so hoch wie die Rate der tRNA-Selektion für tRNAAla1CUA,
die die Suppressionseffizienz der zur Zeit für die Einführung unnatürlicher
Aminosäuren verwendeten amber-Suppressor-tRNAs repräsentiert. Generell
war die Suppressionseffizienz um so besser, je mehr die Sequenz der
ursprünglichen Wildtyp-tRNA der Sequenz der aus ihr abgeleiteten amber-Suppressor-tRNA
ähnelte. Mit zunehmender Anzahl der Mutationen, die nötig waren, die Sequenz 5'C34U35A36A37A383'
innerhalb der Anticodon-Schlaufe zu erhalten, nahm die Suppressionseffizienz
der tRNAs ab. Insofern unterstützen die Ergebnisse die Theorie des
"Extended Anticodon" (Yarus 1982).
Die beiden mit Abstand besten Suppressoren tRNASerCUA
und tRNATyrCUA enthalten die Base C32
innerhalb der Anticodon-Schlaufe. Wichtige Strukturelemente für die Suppression
liegen möglicherweise auch außerhalb des Anticodon-Armes. Es ergaben sich Hinweise
darauf, daß eine TypII-Struktur der tRNA die Suppression begünstigt.
Die im Rahmen der Biotechnologie
bedeutendste Konsequenz aus der vorliegenden Arbeit ist, daß die zur Zeit für
die Einführung unnatürlicher Aminosäuren in Proteine verwendeten amber-Suppressor-tRNAs
relativ schwache amber-Suppressoren sind. Aufgrund der Ergebnisse der
vorliegenden Arbeit sollte die Konstruktion wesentlich verbesserter amber-Suppressoren
und damit eine sehr viel effizientere Insertion unnatürlicher Aminosäuren in Proteine
möglich sein.