Zusammenfassung
Olfaktorische Rezeptoren (OR) gehören zur Familie der Proteine mit sieben Transmembran (TM) Domänen. Entsprechend ihrer Spezifität reagieren sie auf extrazelluläre chemische Stoffe mit einer Signaltransduktion ins Zellinnere. Bei HLA-gekoppelten OR wird vermutet, daß sie bei der Perzeption individualspezifischer Körpergerüche mitwirken und somit einen Beitrag zur geruchsbedingten Präferenz für potentielle Partner leisten. Da Produkte des HLA-Komplexes zum individualspezifischen Geruch beitragen, postuliert die Hypothese, daß HLA-Haplotypen gerochen werden können. Um diese Hypothese zu festigen, sollten bestimmte OR Haplotypen bestimmten HLA-Haplotypen mit Hilfe einer Polymorphismusanalyse zugeordnet werden. Insgesamt wurden 13 potentiell funktionstüchtige und neun OR Pseudogene in zehn verschiedenen HLA-homo- oder hemizygoten Zellinien untersucht. Alle analysierten Gene mit einem offenen Leseraster (ORF) sind polymorph, wobei sowohl stille Austausche, wie auch konservative und nicht konservative Aminosäure (AS) Substitutionen gefunden wurden, und zwar in allen OR Domänen bis auf EC4 und TM7. Von den analysierten zehn Zellinien und 13 HLA-gekoppelten OR Genen mit ORF konnten mindestens 13 verschiedene Haplotypen abgeleitet werden, die die Grundlage für individuelle Geruchspräferenzen bilden könnten.
Drei analysierte Gene weisen in einigen Zellinien intakte Allele auf, während sie in anderen Zellinien keine funktionstüchtigen Allele besitzen. Individuen, die homozygot für ein derartiges inaktives Allel sind, könnten Symptome einer spezifischen Anosmie aufweisen. Vorläufig ist noch ungeklärt, inwieweit AS Substitutionen die Ligandenspezifität oder die Interaktion mit Proteinen der Signal-Transduktions-Kaskade beeinflussen, weil die spezifischen Liganden dieser Rezeptoren noch unbekannt sind.
OR kommen nicht nur im olfaktorischen Epithel, sondern auch in anderen Organen vor. Für sechs der OR Gene wurde deshalb die Expression in 50 Geweben mit Hilfe eines Northern-Blots analysiert. Zwei der getesteten Gene zeigen eine spezifische Expression in nur jeweils drei verschiedenen Organen, während die anderen vier Gene fast im gesamten Organismus gefunden wurden. Umgekehrt exprimieren manche Organe nur bestimmte HLA-gekoppelte OR, andere jedoch ein breites Spektrum. Die Analyse dreier cDNA-Bibliotheken aus Hoden, Lunge und Niere ergab u.a., daß im Hoden 13 von 14 analysierten HLA-gekoppelten OR Genen exprimiert werden, in der Lunge und der Niere dagegen nur vier bzw. fünf.
Um Hinweise auf die Promotorregion von HLA-gekoppelten OR Genen zu bekommen, wurde die genomische Struktur einiger humaner HLA-gekoppelter OR Gene charakterisiert. Mit Hilfe von RACE (Rapid Amplification of cDNA Ends) wurden die 3' und 5' Enden von ausgewählten HLA-gekoppelten OR Genen in Hoden, Niere und Lunge untersucht. Dabei wurden zahlreiche Befunde erhoben, die zumindest für G-gekoppelte Rezeptoren mit sieben TM Domänen neu sind:
- Nur fünf dieser Gene wiesen zusätzliche 5' nicht kodierende Exons auf.
- Drei der Gene (hs6M1-21, -27 und ?18) wiesen ein gemeinsames erstes 5' Exon auf, das bei hs6M1-21 ca. 110 kb stromaufwärts vom Start-Codon lag.
- Die Distanz zwischen dem ersten 5' Exon von hs6M1-16, das zentromer dieser drei Gene liegt und eine entgegengesetzte Transkriptionsrichtung aufweist, und dem ersten gemeinsamen Exon der anderen drei Gene betrug nur 80 bp. Dies läßt vermuten, daß diese 80 bp einen bidirektionalen Promotor enthalten.
- Bei hs6M1-16 wurden Exons auch für die 3' UTR nachgewiesen.
- Bei einigen OR Genen wurden auch Sequenzen aus der kodierenden Region herausgespleißt, was zu stark verkürzten Proteinen führen könnte.
- Bei einigen Genen wurden an definierten Positionen vorzeitige Polyadenylierungen in der kodierenden Region gefunden.
Mehrere dieser Ergebnisse deuten auf eine komplexe Genregulation der HLA-gekoppelten OR Gene hin. Zusammen mit zahlreichen Genen, die nicht in allen Individuen funktionell sind, und zahlreichen weniger starken Variationen in der kodierenden Region, ergibt sich eine unerwartet große Komplexität bei der Expression HLA-gekoppelter ORs. Diese könnte dazu beitragen, daß Individuen individuelle Geruchspräferenzen entwickeln. |