Zusammenfassung
Aufgrund zahlreicher erwünschter Stoffwechselleistungen werden Laktobazillen-Kulturen seit
langem als Starterkulturen im Lebensmittel-bereich, als Futterzusatzstoffe in der
Tierernährung und als Therapeutika in der pharmazeutischen Industrie verwendet. Vertreter
der L. acidophilus- und der L. casei-Gruppe werden in zunehmendem Maße als Probiotika in
Lebensmitteln eingesetzt, wodurch sich die Notwendigkeit einer sicheren und möglichst
schnell durchführbaren Identifizierung ergibt. Die klassischen mikrobiologischen Methoden
der Identifizierung bis zur Spezies-Ebene erfordern meist einen hohen Zeitaufwand und
liefern aufgrund unterschiedlicher Stammformen innerhalb einer Spezies nicht immer
eindeutige Ergebnisse. Dabei bereitet innerhalb der L. (= Lactobacillus) acidophilus-Gruppe
insbesondere die Differenzierung zwischen L. crispatus und L. gasseri bzw. L. johnsonii und
L. acidophilus Schwierigkeiten. In der L. casei-Gruppe ist es durch Änderungen der
taxonomischen Einstufung von Spezies zu einer beträchtlichen Verwirrung gekommen.
Ziel dieser Arbeit war es daher, für die Spezies L. acidophilus, L. gasseri und L. johnsonii (L.
acidophilus-Gruppe) und für L. zeae, L. paracasei und L. rhamnosus (L. casei-Gruppe),
gleichzeitig die am häufigsten eingesetzten Spezies in Probiotika, Gensonden zu entwickeln
und auf ihre Aussagekraft im Vergleich zu anderen molekularbiologischen Methoden zu
prüfen.
Hierzu wurden die über das Internet zugänglichen Gendaten und die Computerprogramme
des NCBI/GenBank (National Center for Biotechnology Information) sowie des RDP
(Ribosomal Database Project) der Michigan State University, USA, genutzt. Die Synthese der
L. gasseri-Sonde erfolgte nach partieller Sequenzierung der 16S rRNA eines L.
gasseri-Referenzstammes (ATCC 19992 / DSM 20077) mit der PCR-Technik. Zur Prüfung
der Eignung der Sonden wurden insgesamt 85 Typ- und Sammlungsstämme aus der L.
acidophilus- und L. casei-Gruppe (Typ- / Referenzstämme, Isolate aus Milchprodukten, aus
pharmazeutischen Präparaten und aus klinischem Material) sowie vergleichend Vertreter
von sieben anderen Lactobacillus-Spezies und zwei Weissella-Spezies herangezogen. Alle
Prüfstämme waren vorher mit klassischen phänotypischen Methoden auf ihre Einstufung
überprüft worden. Die molekularbiologische Prüfung erfolgte anhand der Dot
Blot-Hybridisierungstechnik.
Die Hybridisierungsergebnisse zeigten, daß Gensonden zur Speziesidentifizierung von
biotechnologisch genutzten Laktobazillen dieser beiden Gruppen eingesetzt werden können.
Alle geprüften Stämme der Spezies L. acidophilus sensu stricto wurden nur von der L.
acidophilus-Sonde erfaßt. Bei den eng verwandten Spezies L. gasseri und L. johnsonii kam
es zu Kreuzreaktionen, d.h. die L. johnsonii-Stämme reagierten zusätzlich mit der L.
gasseri-Sonde. Die Abgrenzung zwischen diesen beiden Spezies gelang durch die L.
johnsonii-Sonde, da diese lediglich mit den L. johnsonii-Stämmen hybridisierte.
Der L. casei-Typstamm (ATCC 393T) reagierte sowohl mit der L. paracasei- als auch mit der
L. zeae-spezifischen Sonde. Drei weitere als L. casei deklarierte Stämme hybridisierten
lediglich mit der L. paracasei-Sonde, wie auch drei L. paracasei-Referenzstämme und ein
weiterer als L. paracasei deklarierter Sammlungsstamm. Das veranlaßte zu einer
Unterteilung der L. casei-Stämme in zwei Untergruppen (L. casei I bzw. II). Dieser Befund
unterstützt einen gegenwärtigen taxonomischen Lösungs-vorschlag für die L. casei-Gruppe,
wonach der jetzige Typstamm von L. casei der Spezies L. zeae zugeordnet werden soll,
während die anderen L. casei-Stämme (inklusive des von mehreren Autoren
vorgeschlagenen Neo-Typstammes ATCC 334) mit L. paracasei zusammengeführt werden
können.
Auch unter den phänotypisch als L. rhamnosus identifizierten Stämmen gab es zwei
Abstufungen in den Reaktionen. Etwa die Hälfte der Stämme (12) reagierte nur mit der L.
rhamnosus-Sonde, die andere Hälfte (10) aber gleichzeitig mit der L. paracasei-Sonde. Die
letzteren waren bis auf eine Ausnahme alle klinischen Ursprunges. Aufgrund dieser
Kreuzreaktionen wurde eine Einteilung in die Untergruppen L. rhamnosus I bzw. II
vorgenommen. Die L. rhamnosus-Sonde kann dennoch als Spezies-spezifisch angesehen
werden. Einen Sonderfall stellte ein phänotypisch als L. rhamnosus identifizierter klinischer
Stamm dar, der lediglich mit der L. paracasei-Sonde reagierte. Dieser Stamm wurde aber
auch in einer anderen mittels RAPD-PCR durchgeführten Untersuchung als L. casei / L.
paracasei identifiziert.
Mitreaktionen von anderen Spezies aus der L. acidophilus-Gruppe (L. crispatus, L.
amylovorus, L. gallinarum) sowie von einigen anderen Vertretern der Milchsäurebakterien
(Lactobacillus und Weissella) traten nicht auf.
Der Vergleich der Ergebnisse, die mittels Gensondentechnik erzielt werden konnten, mit
denen, die zuvor mit anderen molekularbiologischen Methoden mit den gleichen Stämmen
gewonnen werden konnten bestätigte, daß die Gensondentechnik aussagekräftig für die
Einstufung von Stämmen ist.
Da die Abgrenzung der bei Mensch und Tier zur autochthonen Mikroflora gehörenden
Spezies L. gasseri von L. crispatus mit phänotypischen Untersuchungs-methoden
Schwierigkeiten bereitet und Vertretern dieser Spezies im Rahmen der Anwendung als
Probiotika eine besondere Bedeutung zukommt, ist die Anwendung zusätzlicher Gensonden
erforderlich. Die Herstellung und Prüfung einer L. crispatus-Sonde war im Rahmen dieser
Arbeit nicht möglich gewesen. Ein durchgeführter BLAST-Sequenzvergleich (NCBI/GenBank)
des L. gasseri-Typstammes mit dem L. crispatus-Typstamm zeigte aber zwei für eine
Gensonde in Betracht kommende Basensequenzabschnitte auf, die eine Differenzierung mit
der in dieser Arbeit angewandten Methodik ermöglichen könnten.
Hinsichtlich des Arbeitsaufwandes wies die Gensondentechnik Vorteile gegenüber anderen
molekularbiologischen Methoden, z.B. der RAPD-PCR-Technik, auf. Nachteilig bei der
bisherigen Technik war, daß die Kulturen angezüchtet werden mußten und erst
anschließend das Dot Blot-Verfahren eingesetzt werden konnte. Eine Beschleunigung des
Nachweises ist von der Reverse Dot Blot-Hybridisierungs-technik zu erwarten, bei der eine
Kultivierung der nachzuweisenden Bakterien nicht erforderlich ist und das jeweilige Zielgen
durch spezifische Primer vor der Hybridisierung amplifiziert wird und dadurch lediglich kurze
Hybridisierungszeiten (2 bis 4 Stunden) erforderlich sind.
Die Hybridisierungstechnik ist also zur sicheren Identifizierung einiger biotechnologisch
wichtiger Laktobazillen-Spezies geeignet. Weitere Sonden, insbesondere für die Spezies L.
crispatus und L. casei/L. paracasei müssen geprüft werden. Auch die Eignungsprüfung
dieser Methode in der Routine steht noch aus. Auf Grund der Ergebnisse mit
Sammlungsstämmen, die aus Handelsprodukten stammten, wird aber von der
Einsatzfähigkeit in der Routine ausgegangen. |