Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit wurde der Einfluß viskositätsbildender Nicht-Stärke-Poly-saccharide
auf die Morphologie der Dünndarmschleimhaut von sieben Wochen alten Schweinen
geprüft. Dabei kamen licht-, raster- und transelektronenmikroskopische Techniken sowie
immunhistochemische und morphometrische Methoden zum Einsatz.
Die untersuchten Dünndarmproben stammten von 24 Ferkeln, die im Alter von vier Wochen
abgesetzt und in vier Gruppen eingeteilt worden waren. Während der anschließenden drei-wöchigen
Fütterungsperiode erhielten die Tiere pro Gruppe eine von vier verschiedenen Diäten.
Zwei der verfütterten Diäten waren semisynthetisch und basierten auf Maisstärke und Sojapro-tein-
Isolat. In der einen dieser semisynthetischen Diäten wurden 2% der kristallinen Zellulose
gegen hochvisköse Karboximethylzellulose ausgetauscht. Die beiden anderen Rationen basierten
auf einer Roggen-Weizen-Mischung und Sojaprotein-Isolat, wobei einer ein Xylanase-Präparat
(Zy 68; 0.4 g/kg) zugesetzt war.
Neben der Lebendmasse wurden nach dem Töten der Tiere Länge und Gewicht des Darmtraktes
bestimmt. Ferner wurde die Viskosität von duodenaler, jejunaler und ilealer Digesta gemessen.
Zur Untersuchung der Teilungsaktivität der Epithelzellen wurde der Proliferationsmarker
Bromodesoxiuridin eingesetzt. Um die Apoptose-Rate zu bestimmen, wurde sowohl die
TUNEL-Methode angewendet als auch ein immunhistochemischer Nachweis des Enzyms
Caspase-3 durchgeführt. Ausgehend von den morphologischen Befunden wurden neue morpho-metrische
Parameter entwickelt, die mit den funktionell wichtigen Größen Resorptionskapazität
und fraktioneller Proteinsynthese-Rate der Dünndarmschleimhaut im Zusammenhang stehen.
Die Ferkel, die mit einer semisynthetischen Ration gefüttert wurden, erzielten während der drei-wöchigen
Fütterungsphase eine größere Lebendmassenzunahme als die Tiere, die die auf Getrei-de
basierende Diät ohne Enzym-Zusatz erhielten. Bei Letztgenannten war ferner der Dünndarm
relativ zur Lebendmasse schwerer.
Die Viskosität der Digesta war bei den Tieren am höchsten, die mit der semisynthetischen, Kar-boximethylzellulose-
haltigen Diät gefüttert wurden. Sie betrug im Duodenum 2.57 mPas, im
Jejunum 306 mPas und im Ileum 684 mPas. Die Digestaviskosität der Gruppe, die die Getreide-Diät
ohne Enzymzusatz erhielt, war ebenfalls deutlich höher als die der beiden anderen
Gruppen (Duodenum: 3.51 mPas; Jejunum: 53.8 mPas; Ileum: 215 mPas). In der Gruppe, die mit
der semisynthetischen Ration ohne Karboximethylzellulose gefüttert wurde, betrug sie im Duo-denum
0.93 mPas, im Jejunum 1.26 mPas und im Ileum 2.10 mPas. Für Tiere, die die Getreide-Ration
mit Enzym-Zusatz erhielten, wurden im Duodenum 1.89 mPas, im Jejunum 39.4 mPas
und im Ileum 8.76 mPas ermittelt.
Die Schleimhautoberfläche stellte sich generell variabel und inhomogen dar. Ein Einfluß der
Futterzusammensetzung oder der Digestaviskosität auf die Morphologie der Schleimhautober-fläche
konnte jedoch nicht festgestellt werden.
Die duodenalen Zotten waren tendenziell zungenförmig mit variierender Breite und Dicke.
Ferner wurden finger- und blattförmige Zotten gefunden sowie solche, die an ihrem freien Ende
gefurcht oder gegabelt waren. Die jejunalen Zotten ähnelten regional denen des Duodenums; ver-mehrt
traten jedoch sehr breite, Bogen- oder Gebirgskamm-ähnliche Zotten auf, die einander teil-weise
umgriffen oder seitliche Verzweigungen aufwiesen. Im Ileum waren ebenfalls Bereiche
mit gleichförmig Zungen-ähnlichen Zotten zu finden. In Schleimhautregionen hingegen, die
Lymphfollikel enthielten, war die Oberfläche sehr inhomogen. Sie bildete wulstige Leisten oder
Kämme, die teilweise in einander verschlungen waren und die gesamte Oberfläche zerklüftet
erscheinen ließen. Typisch für solche Bereiche waren kuppelförmige Vorwölbungen von Lymph-follikeln
an die Schleimhautoberfläche.
Die Lieberkühn-Krypten des Dünndarmes der hier untersuchten Ferkel formten ein in der Pro-pria
dreidimensional aufgeschlängeltes Schlauchsystem, wobei auch Verzweigungen auftraten.
Die Auswertung der histologischen Präparate, an denen die Apoptose-Nachweise (TUNEL-Methode
oder Caspase-3-Nachweis) durchgeführt wurden und die transelektronenmikrosko-pischen
Untersuchungen führten zu dem Ergebnis, dass Enterozyten ohne nachweisbare Kenn-zeichen
einer Apoptose sterben. Stattdessen zeigen sie histologische Merkmale von
Einzelzellnekrosen. Enterozyten können den Epithelverband sowohl in den Krypten als auch in
der Zottenregion verlassen.
Um ein Maß für das Verhältnis der Zottenoberfläche zur basalen Schleimhautfläche, repräsentiert
durch die Lamina muscularis mucosae, zu erhalten, wurde der Vergrößerungsfaktor der Schleim-hautoberfläche
durch Zottenbildung entwickelt. Der morphometrisch ermittelte Faktor betrug für
das Duodenum durchschnittlich 3.31, für das Jejunum 3.72 und für das Ileum 2.71. Ein Einfluß
der Rationszusammensetzung oder der Digestaviskosität wurde nicht festgestellt.
Der ebenfalls neu entwickelte Vergrößerungsfaktor der Schleimhautoberfläche durch Krypten-bildung
betrug für das Duodenum 9.07, für das Jejunum 8.94 und für das Ileum 6.53. Generell
war die Kryptenoberfläche der Schweine, die mit einer auf Getreide-basierenden Diät gefüttert
wurden größer als die der Tiere, die eine semisynthetische Ration erhielten. Die Erhöhung der
Digestaviskosität allein blieb ohne Auswirkung auf die Ausdehnung der Kryptenoberfläche.
Die Anzahl der proliferationsaktiven Epithelzellen pro mm Kryptenumfang - hier als relative
Proliferationsrate bezeichnet - betrug im Duodenum 32.9, im Jejunum 34.8 und im Ileum 50.8.
Unterschiede zwischen den verschiedenen Fütterungsgruppen wurden nicht gefunden.
Mittels des erstmals bestimmten epithelialen Erneuerungsindexes wurden für das Duodenum
100, für das Jejunum 89.3 und das Ileum 133 teilungsaktive Epithelzellen pro mm Zottenober-fläche
ermittelt. Für die Dünndarmproben der mit den Roggen-Weizen-Diäten gefütterten Ferkel
wurden tendenziell höhere Werte gefunden als in den Proben der Tiere, die eine semisynthetische
Ration erhielten. Sowohl der Karboximethylzellulose- als auch der Xylanase-Zusatz blieb ohne
Auswirkung auf den epithelialen Erneuerungsindex. |