Zusammenfassung
In der vorliegenden Studie wurden elterliche Überzeugungen und Bewertungsprozesse
bei kindlichem Fehlverhalten und ihre Auswirkung auf das Erziehungsverhalten
erhoben. Untersucht wurden in der postalischen Fragebogenuntersuchung
n=185 Eltern, deren Kinder an einem atopischen Ekzem und/oder Asthma leiden und
n=462 Eltern gesunder Kinder. Alle Kinder waren zwischen fünf und sechs Jahre alt.
Ein für die Fragestellung dieser Untersuchung neu entwickelter Fragebogen
("Fragebogen zum kindlichen Fehlverhalten") erhebt die Konstrukte "Attributionen",
"Emotionen", "Erziehungseinstellungen" und "Erziehungsverhalten" bei Fehlverhalten
von Kindern in drei Kategorien: "Normverletzung", "Non-Compliance" und
"Unsoziales Verhalten". Zur Spezifizierung des Konstrukts der
Kontrollüberzeugungen wurde ein bereichsspezifischer "Fragebogen zu
Kontrollüberzeugungen bei kindlicher Non-Compliance" (KNC) entwickelt. Die
theoretisch postulierte Dimensionierung wurde durch konfirmatorische
Faktorenanalysen bestätigt. Deutliche Hinweise auf eine diskriminante Validität
ergaben sich in den Korrelationen zum "Fragebogen zu Kompetenz- und
Kontrollüberzeugungen" (FKK; Krampen, 1991), der allgemeine
Kontrollüberzeugungen erfasst. Es zeigte sich, dass Eltern zwischen den drei Arten
des kindlichen Fehlverhaltens unterscheiden: die Verletzung einer Norm ruft das
höchste Ausmaß an Emotionen ("Ärger", "Besorgnis", "Verantwortlichkeit", "Schuld"
und "Peinlichkeit") hervor.
"Unsoziales Verhalten" wird am häufigsten auf die "Persönlichkeit" des Kindes und
auf ein "Mangelndes Verhaltenswissen" attribuiert. Ein bedeutsamer Unterschied
ergibt sich zwischen den Erziehungspraktiken und Erziehungseinstellungen: Eltern
geben an, unfolgsames Verhalten häufiger zu bestrafen als es ihren
Idealvorstellungen entspricht. Des Weiteren zeigte sich, dass Eltern mit hohen
fatalistischen und sozial-externalen Kontrollüberzeugungen bei kindlicher Non-
Compliance sich hilfloser fühlen als Eltern mit hohen internalen
Kontrollüberzeugungen. Vorgestellt wird ein theoretisches Prozessmodell mit
Strukturgleichungsanalysen zur Klärung der Bedeutung der Variablen für das
Erziehungsverhalten.
Als bedeutsamster Effekt ergibt sich die Wirkung der "Fatalistischen
Kontrollüberzeugungen" auf die "Beurteilung des eigenen Kindes" als ein
"schwieriges" und "nicht-unauffälliges" Kind. Die untersuchten Emotionen wirken als
vermittelnde Variablen auf das "Erziehungsverhalten". Als Prädiktoren für "Punitives
Erziehungsverhalten" bei kindlichem Fehlverhalten lassen sich Emotionen wie
"Ärger" und "Hilflosigkeit" feststellen, die durch "Fatalistische Kontrollüberzeugungen"
und die Attribution auf Persönlichkeitseigenschaften des Kindes bewirkt werden.
In einem Zweigruppenvergleich für die Eltern chronisch atopisch kranker Kinder und
einer Kontrollgruppe ergeben sich signifikante Unterschiede: für die Eltern kranker
Kinder erweisen sich die "Fatalistischen Kontrollüberzeugungen" und die Emotionen
der "Verantwortung", "Schuld" und "Besorgnis" als besonders bedeutsam. |