Levasseur, Doris

ORIENTierungen.

Eine Untersuchung zum Selbstverständnis engagierter Frauen der deutschen Mehrheitsgesellschaft in ihren Beziehungen zu Frauen nichtdeutscher Herkunft

Thesis

Filetyp: PDF (.pdf)
Size: 1889 Kb

Schlüsselwörter:

Frauenforschung - Mehrheitsgesellschaft/Minderheiten - Frauen nichtdeutscher Herkunft - Identität - Qualitative Sozialforschung - Kommunikation zwischen Frauen

Sachgruppe der DNB
14 Soziologie, Gesellschaft


Doctoral Dissertation accepted by: Technical University of Berlin , Department of Educational and Didactic Sciences, 2000-05-16

Abstract

Beziehungen und die Kommunikation zwischen Frauen unterschiedlicher Gruppenzugehörigkeiten sind nicht unabhängig von der gesellschaftlichen Wirklichkeit des De-Facto-Einwanderungsland Deutschland. Seit Mitte der 80er Jahre wird denjenigen deutschen Frauen, die sich in Kontakten zu nichtdeutschen Frauen engagieren, von ebendiesen vorgeworfen, erstens alle Frauen weltweit qua Geschlecht als homogene Gruppe wahrzunehmen und so Unterschiede zwischen Frauen auszublenden, und zweitens "kulturell dominante" und damit ausgrenzende Verhaltensweisen der Mehrheitsgesellschaft trotz ihres Engagements unreflektiert zu übernehmen. Ihr Sichtweisen unterliegen dem herrschenden Diskurs ihrer Gesellschaftsgruppe, in welchem fremde Frauen als fundamental anders definiert werden, d. h. als "orientalisch" - im Sinne von besonders fremd und islamisch-patriarchalisch geprägt. In der Untersuchung werden die Selbstkonstruktionen von Frauen der deutschen Mehrheitsgesellschaft analysiert sowie ihre Konstrukte der angeblich differenten Frauen. Es sollte herausgefunden werden, welche Bedeutung Zugehörigkeiten und mehrheitsübliche Fremdbilder für das individuelle Selbstbild haben und wie dieses wiederum die Verhaltensweisen in der Kommunikation mit nichtdeutschen Frauen prägt. Schwerpunkt der Analyse sind 15 qualitative offene Interviews mit Frauen der deutschen Mehrheitsgesellschaft zwischen 23 und 49 Jahren. Kriterium zur Auswahl der Interviewpartnerinnen waren der bestehende Kontakt zu Frauen nichtdeutscher Herkunft. Grundlage der Interpretation der Aussagen sind ausschließlich die Definitionen und die subjektiven Deutungen der befragten Frauen über ihre Zugehörigkeit und über die der nichtdeutschen Frauen. Es wurden daher keine Vorab-Hypothesen aufgestellt und kein Fragenkatalog von vornherein festgelegt. Grundsätzlich wird die Gruppenzugehörigkeit zur Mehrheitsgruppe von den befragten deutschen Frauen negativ gedeutet und ein nationales Wir-Gefühl einer überlegenen Gruppe abgelehnt. Die Befragten definieren sich selbst als "atypisch-marginal" außerhalb gesellschaftlicher Kategorisierungen. Die deutschen Frauen kategorisieren gleichgeschlechtliche Minderheitsangehörige vorwiegend unter dem Aspekt: dem Selbst ähnlich oder unähnlich; sie nehmen sie entweder als traditionelle "türkische Frauen" wahr und übernehmen dabei überlieferte Fremdbilder der Mehrheitsgesellschaft, oder aber sehen sie als nicht traditionelle "sogenannte türkische Frauen", die maximal mit ihrem Selbstbild übereinstimmen und mit denen sich deshalb ein Kontakt "lohnt". Diese Einordnung ist indes völlig unabhängig von realen Bedingungen und Seinsweisen nichtdeutscher Frauen. Sie beruht vor allem auf der Konstruktion der deutschen Frauen und auf ihrem Interesse, ihre Weltsicht in der Wirklichkeit wiederzufinden sowie persönliche Bedürfnissse, z. B. nach Anerkennung, durch Beziehungen zu nichtdeutschen Frauen durchzusetzen. Das Verhalten gegenüber nichtdeutschen Frauen auf allen möglichen Kontaktebenen ist bestimmt von diesem ego-zentrierten Selbstverständnis der befragten Frauen und von der Möglichkeit, das Gegenüber "anzugleichen", zu einem Spiegelbild des Selbsts machen zu können. Dazu wird auch die übergeordnete Position als Angehörige der Mehrheitsgesellschaft genutzt. Verstehen und Verständnis ist für diese deutschen Frauen nicht das vorrangige Ziel von Kommunikation mit Frauen nichtdeutscher Herkunft. Durch gedankliches Gleichmachen oszillieren ihre Handlungen zwischen gewolltem Einschluß der Frauen nichtdeutscher Herkunft und ihrem faktischen Ausschluß.

Betreuer Marburger, Helga; Prof. Dr.
Gutachter Marburger, Helga; Prof. Dr.
Gutachter Thürmer-Rohr, Christina; Prof. Dr.

Upload: 2000-07-07
URL of Theses: http://edocs.tu-berlin.de/diss/2000/levasseur_doris.pdf

Technical University of Berlin, Library (Dissertation Office)
Strasse des 17. Juni 135, 10623 Berlin, Germany