III. Waldenserverfolgung in Schweidnitz 1315

 

 

     „Im Jahre des Herrn 1315 um das Fest des hl. Jakob (= 25. Juli) sind viele Ketzer, etwa fünfzig oder mehr, mit Frauen und Kindern in Schweidnitz verbrannt worden, und in Breslau und in anderen Städten bestiegen etliche den Scheiterhaufen.“ Diese dürre Notiz der Annalen des niederschlesischen Zisterzienserklosters Leubus[1] enthält schon beinahe alles, was wir von der Ketzerverfolgung des Jahres 1315 in Schlesien wissen. Denn was andere Annalenwerke über das Ereignis berichten[2], ist noch knapper ausgefallen, und auch einige Schriftstücke, die (138) auf die Vorgänge Bezug nehmen[3], führen nur wenig weiter. Sie unterrichten immerhin darüber, daß die Inquisition auf Veranlassung des Breslauer Bischofs Heinrich I. von Würben (1302-1319) stattfand[4] - wobei die Schweidnitzer Dominikaner sich rühmten, in ihrer Stadt (139) den Stein ins Rollen gebracht zu haben[5] -, daß auch in Neiße Ketzer gesucht und zumindest einer verbrannt wurde[6] und daß die Ketzer scharenweise flüchteten[7]. Wir erfahren auch, daß die Inquisition in Schweidnitz am 12. August 1315 bereits erfolgreich abgeschlossen war und es angebracht erschien, die heimgesuchte Stadt vom Odium des Ketzereiverdachts zu befreien, unter dem die rechtgläubigen nicht weniger als die wirklich häretischen Bürger zu leiden hatten[8]. Zeitpunkt, Umfang, unmittelbare Wirkung der Inquisition von 1315 sind also in groben Umrissen bekannt, auch wer sie veranlaßte. Die für den Historiker wichtigste Frage hingegen, worum es bei dieser Inquisition in der Sache eigentlich gegangen ist, ließ sich durch die bisher bekannt gewordenen Zeugnisse nicht beantworten[9]. (140)

     Ein Quellenfund in der Hs. XV D 2 des Prager Nationalmuseums führt hier zu neuen Erkenntnissen. In dieser um 1400 angelegten Handschrift unbekannter Provenienz[10] findet sich im Kontext der „Lectura super capitulum Firmiter credimus“ (X 1.1.1) des zuerst Prager, dann Heidelberger Theologieprofessors und späteren Verdener Bischofs Konrad von Soltau († 1407), von Kommentaren zu den Sentenzen des Petrus Lombardus und Antiiudaica auf fol. 193ra-195rb ein im Explicit „Secta et examinacio hereticorum“ genannter kleiner Traktat. Er vereinigt drei Textstücke:

     1. fol. 193ra-vb eine sehr fehlerhafte und nicht ganz vollständige Abschrift von Isidors Ketzerkapitel, Etymol. VIII c. 5, nach dessen Fassung in Gratians Dekret (C. 24 q. 3 c. 39), inc.: Secte hereticorum quot sint et unde nomina acceperunt, Ysidorus determinat dicens: Quidam autem heretici ... expl.: Luciferiani (Rutiforiani Hs.) ... sive credidisse dissimulaverunt etc. (= ed. Friedberg 1, 1004 § 54); (141)

     2. fol. 193vb-194rb ein inquisitorisches Frageformular, das in vielen anderen Handschriften begegnet und in der Textgestalt einer im Zusammenhang von Benedikts von Alignan ( 1268) „Summa super Firmiter credimus“ überlieferten Redaktion entspricht[11], inc.: In examinacione alicuius heretici primo iubeatur iurare, quod sine omni fallacia et decepcione et sensu duplici, sed secundum intellectum querencium et audiencium ad omnia interrogata respondeat ... expl.: et numquam audiat eos predicare nec in occulto nec in manifesto. Credis quod anime numquam possunt mori sive sint boni sive sint mali? (ed. G.E. Frieß, Patarener, Begharden und Waldenser in Österreich während des Mittelalters, Österreichische Vierteljahresschrift für katholische Theologie 11, 1872, S. 252f. nach der Hs. St. Florian XI, 328 fol. 150ra-vb, die den Text in einer etwas anderen Version überliefert als unsere Handschrift);

     3. fol. 194rb-195rb folgt in unmittelbarem - auch syntaktischem - Anschluß an dieses Frageformular ein Auszug aus Verhörsprotokollen einer Inquisition in Schweidnitz, die sich unschwer als jene identifizieren läßt, von der die Annalen des Klosters Leubus berichten (vgl. den Text unten S. 163ff.).

     Der Inhalt dieser Verhörsprotokolle ist unter Weglassung der Zeitangaben teils wörtlich wiedergegeben, teils summarisch zusammengefaßt worden, und zwar in einem oft dunklen und stellenweise kaum verständlichen Latein, das durch die Abschrift in der Hs. XV D 2 wohl noch weiter entstellt worden ist[12]. Gegliedert sind die Auszüge in fünf Verhörskomplexe, deren erster wie auch der dritte den Zisterzienser Paul von Banz, Titularbischof von Tiberias[13], als Verhörsleiter nennt, der vierte den Pleban der Schweidnitzer Pfarrkirche, Johann (von Brünn (142) oder von Schöneiche)[14], der fünfte den Kustos der Breslauer Minoritenkustodie, Konrad (de Wimia?)[15], gemeinsam mit dem Schweidnitzer Dominikanerlektor Gunther[16]; der zweite Aussagekomplex geht nicht auf ein Verhörsprotokoll im engeren Sinn, sondern auf die Aufzeichnung von dem öffentlichen Geständnis eines bekehrungswilligen Ketzers namens Engilmar zurück.

     Schauplatz des Geschehens ist ohne Frage in allen fünf Fällen Schweidnitz. Das wird nicht nur durch die Anwesenheit des Schweidnitzer Dominikanerlektors Gunther bei den Verhörskomplexen Nr. 1 und 5 und des Schweidnitzer Pfarrers als Verhörsleiter nahegelegt, sondern vor allem durch die aussagenden Angeklagten und die anwesenden Zeugen, die sich fast ausnahmslos als Schweidnitzer Bürger nachweisen lassen[17], zudem durch den inhaltlichen Zusammenhang der Aussagen, da manche Personen nicht nur einmal, sondern wiederholt als Ketzer belastet werden[18].

     Der Zeitpunkt dieser Verhöre und damit die Identifikation mit der in den Leubuser und den anderen Annalen zu 1315 berichteten Ketzerverfolgung muß aus den Lebensdaten der in den Protokollen erwähnten Personen erschlossen werden, denn Zeitangaben enthält die neugefundene Quelle nicht. Präzise Zeitgrenzen sind hier nun zwar nicht zu ermitteln, aber soweit sich die in den Protokollen genannten Personen in Urkunden der Zeit überhaupt nachweisen lassen, sind sie von der Mitte des ersten bis zum Ende des dritten Jahrzehnts des 14. Jahrhunderts bezeugt. Am besten belegt sind die Daten für Paul von Banz, Titularbischof von Tiberias, dem offenbar führenden Mann auf Seiten des Inquisitionsgerichts. Er begegnet in Breslauer Urkunden vom 14. August 1307 bis zum 13. März 1321 und dürfte bald danach an einem 19. oder 26. November gestorben sein[19]. Ein der Annalennotiz noch näherer Terminus ante quem ergibt sich aus der Anwesenheit des (143) Schweidnitzer Ratsherrn Nikolaus von Reichenbach bei den Verhören, denn sein Tod wird in einer Urkunde vom 22. August 1320 vermeldet[20]. Damit dürfte die zumindest ungefähre Übereinstimmung des Zeitraums der in der Hs. XV D 2 überlieferten Verhöre und der in den Annalen berichteten Verfolgungen hinreichend gesichert sein.

     Aber in diesem Zeitraum scheint es nicht nur 1315, sondern auch 1318 eine Ketzerverfolgung gegeben zu haben: Am 1. Mai 1318 bestellte Papst Johannes XXII. den Dominikaner Peregrin von Oppeln und den Franziskaner Nikolaus Hospodinec von Krakau zu Inquisitoren der Diözesen Breslau und Krakau[21], aber schon etwas vorher hatte der Breslauer Bischof Heinrich von Würben zur Unterdrückung der „erneut hervorwuchernden Häresie“ kommissarische Stellvertreter eingesetzt, von denen neben den Breslauer Lektoren der Dominikaner und Franziskaner namentlich die Magister Arnold von Protzan und Gosco sowie der uns bekannte Paul von Banz genannt werden[22]. Schweidnitz wird jedoch nicht erwähnt, und umgekehrt lassen die neugefundenen Schweidnitzer Verhörsprotokolle deutlich erkennen, daß hier erstmals, nicht „erneut“, Ketzer gesucht und gefunden wurden[23]. Der Weihbischof  (144) Paul von Banz dürfte daher 1318 eher zum zweitenmal mit inquisitorischen Aufgaben betraut worden sein, als daß seine Beteiligung an den Schweidnitzer Verhören auf deren Einreihung in diese zweite Verfolgungswelle schließen ließe, von deren Ergebnis und deren Zielgruppe im übrigen nichts bekannt ist. So weist alles daraufhin, daß die Protokolle der Hs. XV D 2 und die Annalen des Klosters Leubus über ein und dieselbe Ketzerverfolgung berichten.

 

     Um welche Art von Ketzerei geht es? Ihr Hauptmerkmal ist, daß diese Ketzer nicht „traun“ sagen, also nicht schwören. So werden sie vom Verfasser des Traktats „Secta et examinacio hereticorum“ zu Beginn seines Exzerpts aus den Schweidnitzer Verhörsprotokollen charakterisiert, und dieser Vorwurf taucht in den Aussagen wiederholt auf[24]. Das läßt sofort an Waldenser denken, denn für keine mittelalterliche Sekte ist so wie für sie die Ablehnung des Eides kennzeichnend[25]. In diese Richtung weisen aber auch noch andere Besonderheiten: Die Schweidnitzer Ketzer halten nichts von der Binde und Lösegewalt der Priester aus dem Weltklerus und den Bettelorden, stattdessen beichten sie lieber eigenen confessores layci, auch doctores oder magistri genannt[26]. Diese kommen zwei- bis dreimal im Jahr, nehmen ihren Anhängern die Beichte ab, legen ihnen Bußen auf, predigen ihnen und lassen sich von ihnen beherbergen und verköstigen[27]. Die Schweidnitzer Ketzer arbeiten an Feiertagen[28], sie versuchen das Taufsakrament wieder abzuwaschen[29] und grenzen sich auch sonst radikal gegen ihre „katholische“ Umwelt ab, die für sie aus alienigenae, Fremden, besteht, mit denen sich auch Heiraten verbieten[30]; sie selbst nennen sich „Israeliten“[31].

     Alles dies sind so gut bekannte Charakteristika der Waldenser[32], daß an der Zuordnung der Schweidnitzer Ketzer zu dieser Sekte nicht der geringste Zweifel besteht. Doch läßt sich sogar eine noch etwas genauere Zuordnung treffen. Die Schweidnitzer Waldenser lehnen nicht undifferenziert wie die Waldenser im allgemeinen die Heiligenverehrung (145) ab - besonders kraß gegenüber Maria, der sie Jesu jungfräuliche Empfängnis und Geburt absprechen[33] -, sondern sie lassen eine bezeichnende Ausnahme zu: „Die (Fest-)Tage unserer Apostel feiern wir und wir nennen sie Heilige und ihre Namen heiligen wir[34].“ Die Wahl bestimmter Apostel als Schutzheilige ist ein ungemein häufig zu beobachtender Zug der in der Mark Brandenburg in den Jahren 1392-1394 durch den Cölestinerprovinzial Petrus Zwicker verhörten Waldenser[35]. Diese Besonderheit steht einer sich auf den Apostelauftrag berufenden Predigergemeinschaft und ihren Anhängern auch wohl an. Übereinstimmend ist bei den Schweidnitzer und den märkischen Waldensern zudem die Art der Buße „in Wasser und Brot“[36]. Auf eine konkrete Verbindung beider Gruppen läßt aber vor allem die Tatsache schließen, daß ein in Schweidnitz verbrannter Waldenser namens Hermann sich als „von Stettin“ bezeichnet[37], dem Schauplatz der Verhöre 1392-1394. Man wird daher wohl einen besonders engen Zusammenhang der ja auch räumlich nicht allzuweit voneinander entfernten Schweidnitzer (146) und märkischen Waldenser annehmen dürfen, zumal letztere nicht sehr viel später, 1336, gleichfalls von der Inquisition heimgesucht worden sind[38].

     Hat es in Schweidnitz 1315 außer Waldensern noch andere Ketzer gegeben? Nahegelegt wird diese Annahme durch das Geständnis des Waldensers Engilmar, der aussagte: „Es gibt eine andere Gruppe (gens), schlimmer als wir, die kein Fleisch ißt, deswegen verfolgen wir sie“[39]. Dies könnte auf die Anwesenheit von Katharern schließen lassen, für die die Ablehnung von Fleischeskost charakteristisch ist[40]. Doch steht dieser Beleg ganz vereinzelt da, könnte ebensogut eine Reminiszenz der ursprünglich aktiven Rolle der Waldenser in der Bekämpfung der Katharer mit Wort und Schrift sein oder auf eine entsprechende Frage des Inquisitors zurückgehen, die der Geständige begierig aufgriff. Zudem ist es sehr gut möglich, daß hier nichts weiter als die radikale Konsequenz aus dem alttestamentlichen Tötungsverbot vorliegt, wie sie etwa auch von den frühen abendländischen Ketzern des 11. Jahrhunderts gezogen wurde, oder ganz einfach eine besonders strenge Form der Askese[41]. Da weder in Österreich noch in Böhmen noch in anderen Schlesien benachbarten Ländern die Anwesenheit von Katharern nach der Mitte des 13. Jahrhunderts belegbar ist[42], wird man ihre Existenz in Schweidnitz schwerlich auf das vieldeutige Zeugnis Engilmars gründen können. (147)

     Man hat erwogen, Beginen und Begarden unter den Opfern der Verfolgung zu suchen[43]. Dafür spricht, daß zu einem späteren Zeitpunkt, 1332, tatsächlich von dem päpstlichen Dominikanerinquisitor Johann von Schwenkenfeld eine Inquisition gegen sie in Schweidnitz durchgeführt worden ist[44]. Unsere Verhörsprotokolle lassen nichts dergleichen erkennen, und zieht man in Betracht, daß die Verfügungen des Breslauer Bischofs Heinrich von Würben zum Aufspüren häretischer Beginen und Begarden, überliefert im Formularbuch des Arnold von Protzan[45], sämtlich die Publikation der Ketzerdekrete des Vienneser Konzils im Rahmen der Clementinen durch Johannes XXII. im Jahre 1317 voraussetzen, so gibt es keinen Grund für die Annahme, daß schon vor diesem Zeitpunkt seitens des Bischofs gegen diesen Personenkreis vorgegangen worden wäre.

 

     Die Inquisition des Jahres 1315 in Schweidnitz richtete sich also gegen Waldenser, sonst offenbar gegen niemanden. Diese Waldenser aber sind in den Verhörsprotokollen auch mit Zügen ausgestattet, die zu dem von der Geschichtsforschung erarbeiteten Bild dieser Sekte nicht passen. Ihnen wird Luciferianismus vorgeworfen, d.h. Teufelsanbetung und damit verbundene rituelle (widernatürliche) Unzucht. Der Vorwurf wird in den Schweidnitzer Verhören an vier Stellen erhoben, deren genauere Betrachtung sich lohnt:

     1. Im ersten Verhörskomplex, der vor allem Aussagen der häresieverdächtigen Schweidnitzer Bürger Hermann von Kynsburg und Ludwig von Görlitz über Mitteilungen enthält, die sie von ihren waldensischen Mitbürgern, namentlich den wegen Häresie verbrannten „seniores“ der Sekte Sybotho, Heinrich „hinter dem Hospital“ (St. Michael) und (148) Johannes Copacz erhalten haben wollten, wird Sybotho Folgendes in den Mund gelegt[46]: „Die Beichtiger sind zwölf an der Zahl, und einmal im Jahr kommen sie zusammen und dann erscheint der dreizehnte unter ihnen, den sie ihren Gott nennen. Und es kommt ihnen vor, als sei dann alles golden, und es erscheinen ihnen der Himmel und ein goldener Thron und Lucifer in großer Erhabenheit (maiestas), umschwebt von Engeln, und solange sie dort Lucifer verehren, hungern und dürsten sie nicht. Er sagte: Alle glauben, Lucifer werde in den Himmel zurückkehren und Christus und ihr würdet zur Hölle fahren. Desgleichen gestand er, daß sie mit der Mutter, der Tochter oder Schwester oder irgend einer anderen Frau Geschlechtsverkehr hätten nach der Überlieferung ihrer Lehrer.“ Wenn sie gebeichtet haben und (nach der Absolution) rein sind von Sünden, „werden sie auf eine wunderschöne Wiese geführt, wo sie das Paradies sehen und ihren Gott in großer Herrlichkeit“.

     2. Im öffentlichen Geständnis des Waldensers Engilmar wird behauptet[47]: „Unter ihnen sind 72 Beichtiger, die die Welt umwandern ... und diese 72 versammeln sich einmal im Jahr, und sie glauben an jenen, der in Ketten liegt, und dann erscheint ihnen ihr Gott, und ich habe an Lucifer geglaubt, daß er sich noch von seinen Fesseln lösen wird und sein Reich gemeinsam mit uns.“

     3. Im dritten Verhörskomplex[48] findet sich das Geständnis der Frau eines Schweidnitzer Bürgers namens Heinrich, daß sie „mit drei anderen in einem Keller gewesen sei, dort schändliche Dinge verübt und Lucifer angebetet habe“. Dasselbe gesteht die Frau Hertlins aus Grätz, und sie bereichert die Aussage um Details: sie habe Unzucht mit ihren Neffen und Gevattern getrieben; so etwas will auch der Ritter Siegfried von Gerlachsheim von ihr gehört haben, der ihr deshalb ins Gesicht spie.

     4. Im letzten Verhör[49] gesteht die Tochter Sybothos, deren Vater und Gatte (Hermann von Stettin) schon verbrannt sind: „Die Beichtiger lehrten uns, an Lucifer zu glauben.“

     Welchen Wahrheits- und Wirklichkeitsgehalt haben diese Aussagen? Man kann es sich leicht machen und das alles pauschal als Lügenmärchen abtun, entstanden aus Denunziationslust oder aus Angst, vielleicht gar unter der Folter. Und in der Tat wird man beachten müssen, daß es sich hier ausnahmslos entweder um Hörensagenzeugnisse handelt oder um Aussagen bekehrungswilliger Ketzer, die ihre Haut retten (149) wollten. Die Glaubwürdigkeit dieser Zeugnisse ist daher von vornherein gering. Soviel aber ist sicher, daß Teufelskult und rituelle Unzucht in Schweidnitz zur Diskussion standen, das Bild der Verfolger und der „katholischen“ Umwelt von den Schweidnitzer Ketzern zumindest nach deren Entdeckung prägten. Doch ist dies ein bloßes Klischee, losgelöst von aller Wirklichkeit, oder gibt es doch einen realen Hintergrund?

     Um dies zu klären, ist ein kurzer Blick auf die Entwicklung der Tradition von Teufelskult und Ketzersabbat vonnöten[50]. Vorstellungen dieser Art stehen schon an der Wiege der Christenheit, denn zunächst wurden die frühen Christen selber solcher Praktiken bezichtigt[51]. Als die christliche Lehre dann Staatsreligion geworden war, wurden diese Vorwürfe polemische Argumente in den Händen der Kirche gegen Heiden und Ketzer, zumal in der antimanichäischen Polemik Augustins[52]. Dies ist nicht ohne Bedeutung für die späteren Jahrhunderte, denn als seit dem 11. und besonders im 12./13. Jahrhundert die diffamierende Waffe des Teufelskult-Vorwurfs erneut gegen die Ketzer her(150)vorgeholt wurde[53], war das Bild des Ketzers schlechthin von den einer dualistischen Weltordnung verhafteten Katharern bestimmt, den „Neumanichäern“ des hohen Mittelalters. Man glaubte daher nur bei Augustin nachlesen zu müssen, wollte man Näheres über die Ketzer der eigenen Zeit erfahren[54]. So verbanden sich Mythen, die in der katharischen Religion eine große Rolle spielten, wie jener vom Kampfe Lucifers mit dem Erzengel Michael[55], mühelos mit Augustins Bericht über die hierarchische Gliederung der Manichäer in zwölf „Magister“ und 72 „Bischöfe“[56] und den Vorstellungen kultischer Praktiken zu bestimmter Zeit an geheimen Orten, besonders in Kellern[57]. Es sind keineswegs geringe Geister, die die Welt der Ketzer im satanischen Bereich angesiedelt sahen; das berichten vielmehr Theologen vom Range eines Radulfus Ardens[58] oder Alan von Lille[59], und selbst (151) Joachim von Fiore[60] meinte dies von den Katharern berichten zu können. Für Konrad von Marburg dann, der in den Jahren 1231-1233 die erste große Inquisition in Deutschland durchführte, war dieses Klischee zweifelsfreie Wirklichkeit, auf die er seine Opfer mit erbarmungsloser Strenge festnagelte[61]. Entweder gestanden sie die ihnen unterstellten Scheußlichkeiten, oder sie bestiegen den Scheiterhaufen. Selbst Zeitgenossen bezweifelten den Wahrheitsgehalt der von ihm erpreßten Aussagen. War bei Konrad von Marburg immerhin noch ein konkreter Bezug zwischen vermutetem katharischem Glauben und Teufelskult (152) gegeben, so kann man bereits bei Joachim von Fiore beobachten, daß sich das Bild vom katharischen Ketzer, der den Teufel anbetet, auf den Ketzer schlechthin übertragen ließ. Denn schon kurz nach 1184, als die waldensische Gemeinschaft kaum ein Jahrzehnt alt war und gerade erst den Bruch mit der Kirche vollzogen hatte, unterstellte ihnen Joachim, daß sie „unter dem Anschein der Heiligkeit Satanskonventikel abhielten“[62]. Der Weg vom irrenden Bruder zum Feind Christi und seiner Kirche und von dort zum Anhänger und Teil der satanischen Welt war kurz: Auf der eschatologischen Weltbühne des Mittelalters gehörten die Ketzer schon im staufischen Ludus de Antichristo zum Corpus Antichristi[63], und diese Zuordnung legte ihre Rolle im Bewußtsein der Zeit fest. Über erbauliche Schriften vom Zuschnitt der Mirakelgeschichten des Cäsarius von Heisterbach[64] oder der in vieler Hinsicht benachbarten chronikalischen Literatur (Johann von Winterthur)[65] fand diese Sicht der Dinge Ausdruck und Verbreitung. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts jedenfalls gab es ein detailreich ausgeschmücktes Bild vom Ketzer als Satansdiener, das losgelöst von jeder konkreten Wirklichkeit existierte[66] - eine Maske, die jedem einmal als solchem erkannten (153) Ketzer übergestülpt werden konnte, einerlei was dieser tatsächlich glaubte oder tat. Das 15. Jahrhundert sollte dann die Übertragung dieses Ketzerbildes auf angebliche Hexen oder Zauberer sehen, bis hin zur Übertragung der Bezeichnungen „Gazares“ und „Vauderie“[67].

     Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, um den „Luciferianismus“ der Schweidnitzer Waldenser genauer einordnen zu können. Das meiste, was ihnen in dieser Hinsicht unterstellt wurde, läßt sich unschwer in der literarischen Überlieferung wiederfinden. So sind die Angaben über eine in zwölf bzw. 72 confessores gegliederte Führungsgruppe - Analogiebildungen zu den zwölf Aposteln und den 72 Apostelschülern - schon in Augustins Beschreibung der hierarchischen Struktur der Manichäer zu finden, die ein Inquisitor des 14. Jahrhunderts z.B. auch in einer der verschiedenen Redaktionen des im östlichen Mitteleuropa weitverbreiteten Sammelwerk des Passauer Anonymus nachlesen konnte[68]. Daher braucht diese Angabe nicht einmal zu besagen, daß die Schweidnitzer Waldenser nicht anders als ihre Glaubensbrüder den Aussendungsauftrag Christi an die Apostel und Apostelschüler auf sich bezogen; vielmehr läßt die Klischeehaftigkeit der Nachricht offen, ob hier vielleicht nur die Überzeugung der „katholischen“ Christenheit zum Ausdruck kommt, die Ketzer entwürfen zur Kirche Christi (die sich ihrerseits in den Bischöfen in der Apostel- und in den Priestern in der Apostelschüler-Nachfolge sah) eine vollständige Gegen-„Kirche“ Satans.

     Im Sammelwerk des Passauer Anonymus stehen auch jene Schilderungen von Teufelskult und ritueller (widernatürlicher) Unzucht, die Konrad von Marburg bei den von ihm verfolgten Ketzern gefunden zu haben glaubte und die man nun erneut den Schweidnitzer Waldensern unterschob, ebenso der Mythos von Michael und seinem Kampf mit Lucifer und dessen Anhang[69]. Die Ausschmückung der Kultszene schließlich mit dem von Engeln umschwebten Lucifer und seinem goldenen Thron und die Erzählung von der schönen Wiese, über der sich das Paradies öffne und Lucifer in Herrlichkeit erscheine, sind Motive, die entweder geradenwegs der Bibel entnommen wurden oder die ähnlich in der Mirakelliteratur und in Chroniken wie bei Johann von Winterthur zu finden sind[70]. Allein der ausschweifende Bericht der Frau des Hertlin von Grätz, sie habe mit leiblichen und geistlichen Ver(154)wandten Unzucht getrieben[71], klingt nicht schablonenhaft; aber ein solches Verhalten war nur in mittelalterlichen Augen ein mögliches Kriterium für die Zugehörigkeit zur Ketzer- und Satanswelt.

     Solcherart wären die Vorwürfe von Teufelskult und widernatürlicher Unzucht als Teile der Bewußtseinswelt von Inquisitoren und kirchlich gesinnter Bevölkerung gedeutet, als Denkklischees also, der die armen Opfer ihren Tribut zollten, zumal sie nur die Wahl zwischen Tod und vollem Geständnis hatten. Und vollständig hatten sie in den Augen ihrer Peiniger nur gestanden, wenn sie deren vorgefaßte Meinungen bestätigten. Ein wahrer Teufelskreis, der erschütternd deutlich wird am Beispiel der Tochter Sybothos, der unter den Schweidnitzer Waldensern eine führende Rolle gespielt zu haben scheint und den Verbrennungstod fand wie sein Schwiegersohn Hermann von Stettin[72]. Den Tod von Vater und Mann vor Augen, suchte sie durch ein Geständnis ihr Leben zu retten; aber selbst dann ließ sie sich anscheinend nur das Nötigste abpressen: daß die „Beichtiger“ Teufelsglauben lehrten; in Einzelheiten ging sie nicht[73].

     Die Vorwürfe des „Luciferianismus“ sind zu dieser Zeit nicht allein in Schweidnitz erhoben worden; sie begegnen fast exakt zum selben Zeitpunkt in Österreich - worüber der sog. Kremser Inquisitionsbericht Auskunft gibt[74] -, offenbar ebenfalls in einer 1315/16 in Prag durchgeführten Inquisition[75] und wenig später, 1336, auch in der Mark Brandenburg[76]. Für die letztere Inquisition hat Dietrich Kurze den Zusammenhang mit den Walsenserverfolgungen der Jahre 1392-1394 aufgezeigt und schlüssig dargetan, daß die Inquisitoren des Jahres 1336 mit dem Vorwurf des Luciferianismus ihren eigenen Wahnvorstellungen erlegen sind[77]. Ähnlich ließen sich für Prag die Hintergründe der Inquisition von 1315/16 klären, die keinen Raum für „luciferianische“ (155) Praktiken lassen[78], und für den Kremser Inquisitionsbericht, dessen dominikanischer Verfasser das Sammelwerk des Passauer Anonymus nachweislich benutzte[79], dürfte das gleiche gelten. Die Nachrichten von Teufelskult und ritueller Unzucht in den Berichten über all diese Verfolgungen sind Zeugnisse dafür, wie die Zeitgenossen sich die Ketzer vorstellten, nicht, wie sie wirklich waren. So ist als geschichtlich bemerkenswert festzuhalten, daß gleichsam im gesamten östlichen Mitteleuropa zu Beginn des 14. Jahrhunderts die Vorstellung vom Ketzer als Teufelsdiener herrschend war, denn es gibt aus diesem Raum und aus dieser Zeit wohl kaum einen Bericht über Ketzer, wo dieses Motiv fehlt. Im Laufe des 14. Jahrhunderts hat sich dieses Bild dann verändert: Schon früh in Böhmen, wo in den Quellen der seit 1318 nachweisbaren päpstlichen Inquisition der Vorwurf des Luciferianismus nirgends mehr erhoben wurde, ebensowenig seit der Jahrhundertmitte in Österreich, wo man die Waldenser 1368 in Selbstzeugnissen kennenlernte[80]; und Petrus Zwicker, der erfolgreichste Ketzerverfolger Mitteleuropas im ausgehenden 14. Jahrhundert, hat diesem Vorwurf in der Mark Brandenburg keinerlei Bedeutung mehr beigemessen[81]. Diese Entwicklung scheint ein Indiz dafür zu sein, daß man erst durch verstärkte Inquisition gewahr wurde, wen man in den Ketzern, namentlich den Waldensern, eigentlich vor sich hatte. Deshalb verfolgte man sie nicht weniger, aber man jagte keinem Phantombild mehr nach.

 

     Es gibt ein weiteres Motiv in den Schweidnitzer Verhörsaussagen, das mehr ein Zeugnis für die Vorstellungswelt der Zeitgenossen als ein Beleg für die waldensische Lebenswirklichkeit zu sein scheint: Den Schweidnitzer Waldensern wird eine gewisse Affinität zum Judentum nachgesagt. Das geschieht an drei Stellen: (156)

     1. Der Waldenser Engilmar gesteht, er habe „ebenso ungern einem Juden wie einem Christen Leid antun (ledere) wollen“[82]. Das bedeutet: Da nach waldensischer Glaubensüberzeugung das Töten eines Menschen (auch eines Verbrechers durch den Scharfrichter) eine Todsünde ist[83], waren für Engilmar Leib und Leben eines Juden und eines Christen gleich unverletzlich. Dies muß kein Zeichen von Judenfreundlichkeit sein, zeugt eher von logischer Konsequenz. Doch in der Gleichstellung von Christ und Jude lag für die Zeitgenossen etwas Ungehöriges, weckte den Verdacht, Ketzer und Juden steckten unter einer Decke.

     2. Das wird noch deutlicher, wenn im Geständnis Engilmars behauptet wird, seine ehemaligen Glaubensbrüder würden „für die Juden beten“, auch würden sie sich „Israeliten“ nennen und glaubten, „von jenem Stamme“ zu sein[84]. „Israelit“ ist in der Tat als Selbstbezeichnung der Waldenser bezeugt[85], ist eine Metapher für die eigene Auserwähltheit als Gottesvolk, läßt aber deswegen noch nicht auf Sympathie für die Juden der eigenen Zeit schließen. Doch im Zusammenhang mit der Behauptung, die Ketzer beteten für die Juden, dürften der Inquisitor und die, die auf seiner Seite waren, die waldensischen „Israeliten“ und die Juden wohl tatsächlich als Sprossen vom selben Stamme betrachtet haben.

     3. Eine förmliche Komplizenschaft zwischen ihnen wird schließlich vom häresieverdächtigen Schweidnitzer Bürger Hermann von Kynsburg behauptet, der vorgibt, von den Waldensern folgendes gehört zu haben: „Hätten wir nur noch fünf Jahre durchgehalten, dann hätten wir uns einen König gewählt und mit den Juden konspiriert und das Christenvolk bekämpft[86].“

     Im Lichte dieser letzteren Aussage muß man die anderen sehen. Es ist gut möglich, daß die Schweidnitzer Waldenser in den Juden ihrer Zeit Leidensgenossen erkannt haben, daß es Kommunikation zwischen beiden Gruppen gab und sie sich hüteten, einander weh zu tun[87]. Doch die (157) Idee vom Komplott zwischen Juden und Ketzern ist ein altes Klischee, das seinen festen Platz in der christlichen Vorstellung vom Kampf der satanischen Mächte mit Christus und seinen Getreuen hat. Beide, Ketzer und Juden - denen noch die Heiden zugesellt werden -, gehören in gleicher Weise zum Corpus Antichristi, bekämpfen gemeinsam die Fides catholica[88]. Die Behauptung der Komplizenschaft zwischen Ketzern und Juden ist daher eher als ein Ausdruck für das Weltbild der Verteidiger des rechten Glaubens zu bewerten denn als ein Beleg für eine tatsächliche Verbindung zwischen beiden. Bemerkenswert ist dabei die Aktualität des unterstellten Komplotts im Bewußtsein der Schweidnitzer Bürger. Denn in der Tat waren in das Schlesien der Piastenherzöge nicht nur deutsche Siedler gekommen, die seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts das öffentliche Leben in Stadt und Land zu beherrschen begannen, sondern auch Juden[89]. Seit 1267 erscheinen Judenbestim(158)mungen in der Synodalgesetzgebung des Erzbistums Gnesen[90], dessen Suffragan Breslau war, Heinrich von Würben erließ während seines Pontifikats restriktive Judenverordnungen[91], 1349 gibt es die ersten Judenverfolgungen in Breslau und 1453 wurden - auch hier veranlaßt durch Predigten des Johannes von Capestrano - fast sämtliche jüdischen Gemeinden in Schlesien vernichtet, ihre Mitglieder entweder getötet oder vertrieben[92]. Der Argwohn gegen ein Bündnis zwischen Ketzern und Juden ist daher ein Indiz für eine allmählich auch in Schlesien aufkommende Pogromstimmung.

 

     Soweit es die Verhörsprotokolle erkennen lassen, wissen wir nunmehr, wer die Ketzer waren, was sie glaubten und taten, was ihre Umgebung in ihnen sah und wessen sie sie für fähig hielt. Welchen Platz nahmen sie unter ihren Schweidnitzer Mitbürgern ein? Welcher Nationalität gehörten sie an? Wie lange bestand die Sekte dort schon? Um mit der letzten Frage zu beginnen: Die Frau eines Bürgers namens Heinrich sagt aus, sie sei schon seit sechzehn Jahren in der Sekte, ihre Tochter seit einem Jahr[93]. Auf ein relativ hohes Alter lassen zwei weitere Aussagen schließen: Der wegen Häresieverdachts gefangengesetzte Schweidnitzer Bürger (Hertwich von) Gabel soll gesagt haben, daß die zuvor geschilderten luciferianischen Lehren schon seit 30 Jahren unter den Waldensern im Schwange waren[94]. Der Ritter Kilian von Haugwitz sagt aus, daß er von Sybotho soviele Ketzereien gehört habe, daß dieser (159) schon vor 20 Jahren hätte verbrannt werden müssen. Er hat die Ketzereien offensichtlich früher nicht als solche erkannt, denn nach eigenem Eingeständnis hielt er Sybotho immer für einen rechtschaffenen Mann[95]. Diese Aussage ist bezeichnend. Sie zeigt, daß die Schweidnitzer Waldenser jahrzehntelang, mindestens seit dem Ende des 13. Jahrhunderts, unter ihren Mitbürgern gelebt hatten, ohne Anstoß zu erregen, und daß man erst rückblickend nach ihrer Entdeckung in ihrem Verhalten Anhaltspunkte zu erkennen meinte, die in ein fertiges Klischee vom Ketzer paßten.

     Daß ein Mann vom gesellschaftlichen Rang Kilians von Haugwitz, der zu einer der ersten Familien des Schweidnitzer Herzogtums gehörte, Umgang mit dem Waldenser Sybotho hatte, zeigt, daß Sybotho in der Schweidnitzer Bürgerschaft nicht ohne Ansehen war. Für hohes Sozialprestige spricht auch die Bezeichnung „Herrin“ (domina), die der verwaisten und verwitweten Tochter Sybothos namens Sophia beigelegt wird[96]. Und so demütigend es für die Gattin Hertlins von Grätz gewesen sein muß, daß der mit Kilian von Haugwitz auf gleicher gesellschaftlicher Stufe stehende Ritter Siegfried von Gerlachsheim ihr in aller Öffentlichkeit ins Gesicht spie[97], so spricht doch die bloße Tatsache eines Gesprächs zwischen beiden für einen gehobenen Stand dieser Frau. Auch die Witwe eines aus Peterwitz stammenden Schweidnitzer Bürgers scheint nicht unbegütert gewesen zu sein, jedenfalls besaß sie ein Haus, in das sie die „Beichtiger“ ihrer Sekte aufnahm[98]. Und von den im ersten Verhörskomplex unter Häresieverdacht aussagenden Schweidnitzer Bürgern (Hertwich von) Gabel, Ludwig von Görlitz und Hermann von Kynsburg lassen sich die ersteren beiden als Schöffen nachweisen, der letztere übte das in jeder mittelalterlichen Stadt angesehene Handwerk eines Fleischers aus[99]. Sonst ist nur noch im Falle der Weberin Czuscha[100] etwas über den Beruf der Schweidnitzer Waldenser auszumachen.

     Aus dem Geständnis Engilmars[101] wird sodann ersichtlich, auf welchem Wege das Waldensertum Eingang und Verbreitung in Schweidnitz gefunden hat. Engilmar sagt, ein Verwandter habe ihn der Sekte zugeführt, und mit zwei führenden Schweidnitzer Waldensern war er familiär (160) verbunden. Sybotho war sein Schwiegervater und Heinrich „hinter dem Hospital“ sein Gevatter. Wenn man bedenkt, daß in diesen Verhörsexzerpten von fünfzehn deutlich identifizierbaren Personen, die mit der Ketzerei in Zusammenhang gebracht wurden[102], allein sechs verwandtschaftlich miteinander verbunden waren[103], dann bestätigt sich in Schweidnitz das auch anderswo - etwa in Böhmen[104] - gewonnene Bild von der Familie als dem wichtigsten sozialen Träger des Waldensertums. Dadurch erhielt die Bewegung Zusammenhalt und Festigkeit, wurde sie aber auch überaus verletzlich. Denn jeder Inquisitor konnte bei der Entdeckung eines Ketzers davon ausgehen, daß es in dessen Familie noch weitere gab. Wir wissen nicht, ob die von den Leubuser Annalen gemeldete Zahl von 50 allein in Schweidnitz verbrannten Ketzern zutrifft; aber von den vier in unseren Verhören als verbrannt erwähnten Personen[105] gehörten allein drei zum Umkreis der Familie Sybothos.

     Die Nationalität der Schweidnitzer Waldenser, wie auch die aller anderen in den Protokollen genannten Personen, ist deutsch, jedenfalls soweit die Namen das erkennen lassen. Nur bei der Weberin Czuscha ließe sich slawische Herkunft erwägen[106], aber daß auch sie es vermieden haben wollte, „traun“ zu sagen[107], läßt nicht gerade auf Polnisch als ihre Umgangssprache schließen.

     Faßt man diese Einzelergebnisse sozialgeschichtlicher Betrachtungsweise zusammen, so läßt sich folgendes sagen: Das Waldensertum ist in Schweidnitz eine Sache der Familie gewesen, diese Familien waren deutsch, und diese deutschen Familien „gutbürgerlich“. Daß das Waldensertum die Religion der „Unterschichten“ war[108], läßt sich jeden(161)falls nicht erkennen. Eher wird man die soziale Zuordnung der Familie Sybothos und der wegen Häresieverdachts gefangengesetzten Schweidnitzer Schöffen[109] als Beleg dafür nehmen können, daß das Waldensertum in Schweidnitz ähnlich wie in Böhmen[110] den mittleren und oberen Schichten der städtischen (in Böhmen auch der ländlichen) Bevölkerung zuzuzählen und bei der gleichgearteten sozialgeschichtlichen Entwicklung des deutschen Bevölkerungsteils in Schlesien und Böhmen als Ausdruck der Mentalität von Aufsteigerschichten anzusehen ist.

 

     Bis hierher läßt sich eine erstaunliche Parallelität der Entwicklung des Waldensertums in Böhmen und in Schlesien beobachten. Doch während das Waldensertum in Böhmen[111], auch in der Mark Brandenburg[112] und in Österreich[113], während des ganzen 14. und noch im 15. Jahrhundert eine beachtenswerte geschichtliche Größe war, scheint die Verfolgung des Jahres 1315 dem Waldensertum in Schlesien den Todesstoß versetzt zu haben. Jedenfalls ist die Existenz der Sekte in keiner späteren Quelle mehr bezeugt, und es ist auch keine Inquisition mehr in Schlesien (162) bekannt, die mit zureichender Sicherheit die Verfolgung von Waldensern zum Gegenstand hatte. Man könnte hier allenfalls an die Bestellung von bischöflichen und später päpstlichen Inquisitoren 1318 und 1327 denken[114], aber ob es dabei überhaupt zu nennenswerten Verfahren außerhalb des Schweidnitzer Beginenverhörs 1332 kam[115], ob dabei - neben allerlei Sondererscheinungen[116] - an zusammenhängenden angeblich häretischen Gruppen etwas anderes als Beginen und Begarden[117] gesucht und verfolgt wurde, läßt sich nicht erkennen und erscheint sehr fraglich. So liegt die Bedeutung des hier vorgestellten Quellenfundes nicht zuletzt darin, ein wahrscheinlich einmaliges Ereignis in der Geschichte Schlesiens etwas weiter aufgehellt zu haben. (163)


Anhang: Verhörsprotokolle der Schweidnitzer Waldenser 1315

in der Hs. Prag, Nat.-Mus. XV D2 fol. 194rb-195rb

 

1

 

     Item falsi sunt heretici non dicentes truwin[118]. Hermannus Kinsperg[119] audivit ab ore Sybothonis[120] et Heinrico retro hospitale[121]: Heretici et iniusti sumus omnes, qui non dicimus truwin.“ Item Sybotho dixit, quod numquam curavit parrochiam nec fratres nec credebat, quod possent absolvere vel ligare, sed haberent per se confes(164)sores laycos, quibus confitentur et qui[a] eos absolvunt, et veniunt aliquociens in anno bis vel ter et predicant et absolvunt[122]. Item quod confessores sunt XII in numero[123] et semel in anno conveniunt[124] et terciusdecimus tunc apparet inter eos, quem dicunt esse deum eorum. Et videtur eis, quod omnia tunc sint aurea, et apparet eis celum et thronus aureus[b] et Lucifer in maiestate magna et angeli circumvolantes; et quamdiu[c] ibi sunt servientes Lucifero, nec sitiunt nec esuriunt[125]. Dixit: „Omnes credunt Luciferum ad celum reversurum[d] et[e] Christum et vos ad infernum (165) descensuros[126].“ Item confessus fuit, quod coierent cum matre filia et sorore vel quocumque secundum tradicionem doctorum suorum[127].

     Item Lodwicus[f] de Gorlicz[128] audivit eandem[g] fassionem[h].

     Item Gabel[129] alter socius captivus ista dixit: „Quod tanta loquimur (166) ante XXXa  annos, digni fuissemus cremacione; et omnes, qui[i] non dicimus trewin, in dampnacione pari sumus.“

     Item dixerunt, quod[j] eo solo inponitur eis penitencia[k], quod dicunt trewin, et non pro alio.

     Item supradicti Hermannus Kinsperg, Lodwicus de Gorlicz fassi sunt ab eis didicisse, quod predicti heretici – scilicet Sybotho et Heinricus retro hospitale, Johannes Copacz[130] – essent maiores[l] inter omnes.

     Item Hermannus de Kinsperg audivit ab eis, quod Sybotho multos induxerat ad sectam, et quod intrantes primo geniculaverunt coram eo[m] et sub iuramento130a promittunt se velle vitare trewin. „Postea instruunt[n] eos in levibus et certam fidem vestre[o] propinquam[p].[131]; deinde, si novicius invenitur docilis, instruunt eum maiora et fidei contraria.“

     Item cum interrogaretur Sybotho, quare hoc non fuisset fassus coram episcopo[q].[132], respondit: „In sero tempus fuit obstans[r]. Unde si venerit mane, omnia sibi dicam.“ Cum in mane dicere vellet, ad supplicium ductus fuit.

     Item dixerunt, postquam mundati fuerint per confessionem, inducuntur ad pratum pulcherrimum, ubi vident paradysum et deum suum in magna gloria[133]. (167)

     Huic fassioni captivorum affuit eciam Goldil civis in Swidnicz[134].

     Item Hermanno Kynsperge dixerunt: „Si stetissemus adhuc V annis, regem elegissemus et cum Iudeis conspirassemus et populum Christianum inpungnassemus[135].“ Et cum Hermannus eis diceret: „Non timetis cremari?“, ipsi responderunt: „Pro certo scimus, sed deus consolatur nos, quod incontinenti anima nostra convolat in paradysum[136].“

     Item Sybotho et alii negaverunt sanctam Mariam fuisse virginem[137].

     Facte sunt hee relaciones et fassiones presente domino Paulo Tyberiade episcopo[138], fratre Con(rado) de Wimia[139] custode fratrum Mi(168)norum, et fratre Gunthero[s] lectore in Swidnicz[140], fratre Craftone priore[141] et socio suo de ordine Predicatorum[t], Iohanne de Stri(169)gouia[u].[142], Heinrico de Pilsheyn[143] et aliis consiliariis quampluribus, Nico(lao) de Richenbach[144], Hermanno Schutwurfil[145], Nico(lao) de Amore[146] et populo multo et magno.

 

2

 

     Item Engilmarus[147] fassus fuit errorem suum publice dicens: „Ego profiteor, quod inter eos sunt LXXII confessores, qui circuunt[v] mundum[148]. Et unus meus cognatus induxit me ad sectam[w], cui ego (170) vovi, quod non dicerem trewin, et confessus fui uni illorum, qui captus fuit. Et intellexi a senioribus meis, quod illi LXXII conveniunt in anno semel[149]. Et ipsi credunt in illum vinctum in kathenis[150], et illorum deus tunc illis apparet; et ego credidi in Luciferum, quod adhuc evadere debeat et regnum una nobiscum[151]. Et ipsi non credunt in beatam virginem, quod inviolata concepit et quod virgo fuit[152]. Seniores nostri vident deum nostrum[153]. Postquam hoc factum est, tunc nos confortant dicentes: ‚Estote viriles, nichil timeatis!‘ Fuerunt eciam inter eos, qui prius abluerunt sacramentum[x].[154]. Conpaterque Heinricus retro hospitale, Sybotho gener, Copacz fuerunt seniores et confessores. Vestrum sacerdocium dicunt minus iustum[155]. Multum desideravi videre nostrum[y] deum, quem[z] nostri[aa] seniores[bb] vident.“

     Isti cremati fuerunt heri potenciores eorum. Primum ipsi non dixerunt trewin. In sero orabant pro ordine suo et pro Iudeis et pro familia sua tota, scilicet blasphemant. (171)

     „Ego et uxor mea fuimus equanimiter in ordine illo, modo laboravimus in diebus festivis[156], dies apostolorum nostrorum celebravimus et ipsos sanctos vocamus et eorum nomina sanctificamus[157]. Post translacionem 4or maiores tocius secte sunt inter nos, et ubi sunt illi, nescio[158]. Vobiscum matrimonium non contrahunt[cc] et nullum casum[159]. Item dicunt se Israhelites[dd].[160] et de stirpe illa. Et post baptismum parvuli denuo abluuntur[161].“ (172)

     Item dixit: „Est alia gens peior nobis, que carnes non comedit, propter quod nos eam prosequimur[162].“ Iudeum ita invitus velle ledere sicud Christianum[163].

     Hec omnia et uxor confessa fuit.

 

3

 

     Hec sunt fassiones facte coram[ee] domino Paulo Tyberiade[ff] episcopo[164]:

     Uxor Heinrici[165] capta pro heresi dixit se fuisse in quodam cellario[166] metquartam[gg] et ibi exercuisse pessima et ibi adorasse Luciferum. Item dixit se fuisse in secta per XVI annos. Item dixit se fecisse confessionem (173) laycis. Item dixti filiam suam fuisse in secta per unum annum. Item recitavit oracionem quandam veteris testamenti[167].

     Item uxor Hertlini de Greci[168] per omnia est confessa eundem errorem. Insuper addidit[hh], quod eam cognoverit filius sororis et filius fratris et compatres eius.

     Dominus Syffridus miles veridicus dictus de Gerlachsheym[169] ista dixit coram multis: „Uxor Hertlini michi fassa fuit publice, quod cum filio sui fratris et cum viro sue sororis coisset; quod ego auditus in faciem eius exspui. Item vidi, quod inter herticas captivas una surrexit confortans alias dicens: ‚Filie karissime, stetis firmiter, et quando ducemini ad ignem, invocate sanctos ore tantummodo[ii] et non corde[170], et deum vestrum, qui iacet in kathena ignea[171], in corde vestro firmiter teneatis!‘“

     Dominus Kylianus de Hugwicz[172] miles famosus et veridicus dixit: (174) „Domine episcope[173], ego audivi a Sybothone nunc cremato, quem semper habui pro viro iusto, tantas[jj] hereses, quod digne fuisset, quod ante XX annos crematuskk fuisset[kk]!“

 

4

 

     Hee[ll] sunt fassiones facte coram[mm] domino Iohanne plebano civitatis[174]: (175)

     Relicta illius de Petriwicz[175] fassa fuit, quod ipsa semper vitavit trewin hoc verbum. Item quod habuit confessores laycos sicud et alii, quod credebant habere maiorem auctoritatem quam sacerdotes katholicos. Item quod tales confessores in domo sua collegit et hospitavit et eis alimenta prebuit et penitencias seu contribulaciones eis dedit.

     Czuscha[176] textrix fassa[nn] fuit se fuisse in secta et vitasse trewin et confessam[oo] fuisse laycis magistris predictorum, qui dicebant nos[pp] non habere auctoritatem ligandi et solvendi, sed se tantum. Item dixit sicud et prima, quod predicant, et primo[177] levia et secundum fidem, et hoc simplicibus tantum[qq], et faciunt abire simplices, et tunc dicunt: „Venimus[rr] castos nostros circa rostrum!“ Deinde simplicibus recedentibus remanent periciores, quibus tunc predicant magis alta. Item credidit contra fidem nostram. Item fassa fuit, quod predicti doctores mandant eis, ne se coniungant alienigenis in matrimonio, per alienigenas Christianos intelligentes[178]. (176)

 

5

 

     Hee sunt fassiones facte coram fratre Conrado[ss] custode (W(r)at(islawensi)[179] et fratre Gunthero lectore in[tt] Swidnicz[180], Iohanne institore[181] et aliis fide dignis:

     Domina Sophia relicta Hermanni[uu] de Sthethin[182] ad unitatem fidei conversa[vv] post cremacionem viri et patris sui Sybothonis fassa fuit coram predictis testibus primo, quod confessores venerunt singulis annis bis adminus; qui erant layci, quibus omnes[ww] de secta confitebantur in una domorum eorum. „Quorum duo in proxima quadragesima[183] fuerunt in domo patris mei Sybothonis, quibus ego confessa fui duodecim annis, quolibet anno bis adminus, et eciam aliis; et pre aliis omnibus peccatis puniebant nos in pane et aqua[184] quando diximus trewin. Item confessores docuerunt nos credere in Luciferum“ etc.

 

     Explicit secta et examinacio hereticorum.



[1] Anno domini 1315 circa festum beati Iacobi multi heretici, fere quinquaginta vel plures cum mulieribus et parvulis in Sweidnitz concremati sunt, et in Wratislavia et in aliis civitatibus combusti sunt quam plures. Der Text folgt der Erstausgabe von Wilhelm W a t t e n b a c h, Monumenta Lubensia (1861) S. 10, die Wilhelm A r n d t, MGH SS 19, 549 übernahm; dessen Edition wiederum ist die Vorlage für August B i e 1 o w s k i in den Monumenta Poloniae Historica 3 (1878) S. 708. Die Annalen von Leubus reichen von 1241-1315, der Eintrag zu 1315 dürfte also zeitgenössisch gewesen sein. Ein Abhängigkeitsverhältnis zu anderen Geschichtswerken, etwa zu den unten angeführten Annalen der Zisterzienser von Heinrichau, wie es W a t t e n b a c h, ebd. S. 4 erwog, wird seit A r n d t a.a.O. allgemein abgelehnt; vgl. auch Wacław K o r t a, Sredniowieczna annalistyka slaska [mit Summary: Silesian Annals of the Middle Ages] (Prace Wrocławskiego Towarzystwa Naukowego, Seria A Nr. 113,1966) S. 231-236. Für diese Frage nicht weiterführend ist der zusammenfassende Bericht von Roman H e c k, Główne linie rozwoju sredniowiecznego dziejopisarstwa slaskiego [mit Zus.: Über die Entwicklung der schlesischen Geschichtsschreibung im Mittelalter], Studia Zródłoznawcze - Commentationes 22 (1977) S. 61-75, hier S. 64. - Es ist mir eine Freude, an dieser Stelle Herrn Dr. Jerzy S t r z e 1 c z y k (Posen) für mancherlei Rat und Hilfe, nicht zuletzt für die kritische Durchsicht des Manuskripts danken zu können.

[2] Es sind drei Geschichtswerke: I. Annales Cisterciensium in Heinrichow, ed. W. A r n d t, MGH SS 19, 546 (danach ed. A. B i e 1 o w s k i, Mon. Pol. Hist. 3, S. 703): Anno Domini 1315. in Slezia cremati fuerunt multi heretici in Swidenitz et in Wratizlavia et alias (so der Text der Hss.Klasse A; Varianten der Klasse B: terra Slezie statt Slezia; sunt statt fuerunt; fehlt et alias). Der Eintrag steht im Fortsetzungsteil der Annalen, der die Jahre 1315-1326 umfaßt. Zu Überlieferung und quellenkritischer Einordnung vgl. neben A r n d t s Vorbemerkung (S. 543f) W. K o r t a, ebd. S. 237-247.

II. Chronica terrae Prussiae: Anno 1312 heretici cremati sunt in Svidenitz et in pluribus aliis locis. Ich folge dem Text von Ernst S t r e h 1 k e, Scriptores rerum Prussicarum 3 (1866) S. 470; vgl. auch die Edition von Wojciech K ę t r z y ń s k i, Mon. Pol. Hist. 4 (1884) S. 37, der (im Gegensatz zu Strehlke) die ursprüngliche Anordnung der Einträge bewahrt hat. Die Ausgabe von W. A r n d t, MGH SS 19, 692 gibt die im codex unicus der Chronik aus dem 16. Jahrhundert überlieferte sinnlose Schreibform des Ortsnamens Sindemth unkommentiert und sichtlich unverstanden wieder. - Der Eintrag findet sich im ersten Teil der Chronik, der die Jahre 1029-1329 umfaßt, und ist nach S t r e h 1 k e S. 466 ein Beleg für die Abhängigkeit von einer verlorengegangenen größeren Chronik Preußens, der auch die letzte hier noch zu nennende Geschichtsquelle die Nachricht von der Schweidnitzer Ketzerverfolgung verdankt habe:

III. Detmar-Chronik von 1101-1395, ed. Karl K o p p m a n n, Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 19 (1884) S. 419: In deme sulven jare (1313, vgl. die Chronica terrae Prussiae) do wurden in Polenen vele kettere ghebrand in der stad to der Svidenitze unde in anderen steden. Zu dem nach 1395 verstorbenen Lübecker Franziskanerlektor Detmar und seiner Chronik vgl. S t r e h 1 k e  a.a.O. und S. 22-31 sowie Johannes Bernhard M e n k e, Geschichtsschreibung und Politik in deutschen Städten des Spätmittelalters. Die Entstehung deutscher Geschichtsprosa in Köln, Braunschweig, Lübeck, Mainz und Magdeburg, Jb. des Kölnischen Geschichtsvereins 33 (1958) S. 1-84 und 34-35 (1959-60) S. 85-194, hier Bd. 34-35, S. 93-109.

[3] Sie sind zusammengestellt bei C. G r ü n h a g e n - C. W u t t k e, Regesten zur schlesischen Geschichte Nr. 3513-3519 (künftig zitiert: Reg. Sil. Soweit hier herangezogen, sind die Regesten veröffentlicht im Codex diplomaticus Silesiae 16 [1892], 18 [1898], 22 [1903]; diese Bände umfassen den Zeitraum 1301-1333) und in der bisher maßgeblichen Darstellung zum Thema von Kazimierz D o b r o w o 1 s k i, Pierwsze sekty religijne w Polsce [mit Resümee: Les premières sectes en Pologne], Reformacja w Polsce Jg. 3 Nr. 11-12 (1924; ersch. 1925) S. 161-202, hier S. 176-178. Die Hinweise beider Werke betreffen jedoch nicht nur die Vorgänge von 1315 im engeren Sinn. Mit diesen im Zusammenhang stehen m.E. nur die folgenden Schriftstücke: Das Formelbuch des Domherrn Arnold von Protzan, hg. von W. W a t t e n b a c h (Codex dipl. Sil. 5, 1862) Nr. 69 und 72, S. 54f. und 56f., sowie Reg. Sil. 3523 (zu 1315 August 12) und A. T h e i n e r, Vetera Monumenta Poloniae et Lithuaniae 1 (1860) Nr. 256 (von 1321 April 12; siehe Anm. 5). Hingegen sind die Nrn. 64, 70, 71, 89 der Formularsammlung Arnolds von Protzan (= Reg. Sil. 3518, 3515, 3516, 3519) dem Zusammenhang einer zweiten vom Breslauer Bischof zu Anfang des Jahres 1318 ins Werk gesetzten Inquisition zuzuweisen (dazu unten S. 143).

[4] Arnold von Protzan Nr. 69: Quamquam autem nuper quamplures in Swidnicz per inquisicionem canonicam auctoritate nostra inibi celebratam et unus in Nysa, qui tam testibus ydoneis quam aliis veris indiciis de heresi convicti fuerant canonice et dampnati, animadversione debita sint puniti, tamen quia magna ut dicitur multitudo tam fugiencium de Swidnicz quam alibi latitancium in nostra dyoc. pestilencium huiusmodi est superstes, karitatem vestram presentibus attente requirimus usw. Der Brief des Bischofs ist an den Diözesanklerus gerichtet, der von der Kanzel herab Ketzer und deren fautores für exkommuniziert erklären sollte.

Zu dem bedeutenden Bischof vgl. am besten die Würdigung bei Tadeusz S i 1 n i c k i, Dzieje i ustrój kościoła katolickiego na Sląsku do końca w. XIV [Geschichte und Verfassung der katholischen Kirche in Schlesien bis zum Ende des 14. Jahrhunderts] (1953) S. 201-218, [das Buch ist - was man dem Titelblatt nicht entnehmen kann - die überarbeitete zweite Auflage der 1939 im Rahmen der „Historia Sląska od najdawniejszych czasów do roku 1400“ als Bd. 2 H. 1 erschienenen Fassung]. An deutschsprachigen Darstellungen gibt es nur die unzulänglichen Ausführungen von Paul H o f f m a n n, Heinrich I. von Würben, Bischof von Breslau (Diss. phil. Breslau 1904, Teildruck); Johann H e y n e, Dokumentirte Geschichte des Bisthums und Hochstiftes Breslau 1 (1860) S. 795ff.; Franz Xaver S e p p e 1 t, Geschichte des Bistums Breslau (1929) S. 33ff.; Leonhard R a d 1 e r, Beiträge zur Geschichte der Grafen von Würben, Archiv für schlesische Kirchengeschichte 17 (1959) S. 84-117, 18 (1960) S. 36-69, hier Bd. 18, S. 59ff.

[5] Das geht aus einem Schreiben Papst Johannes‘ XXII. von 1321 April 12 hervor (G. M o 11 a t, Jean XXII. Lettres communes 3 [1906] Nr. 13176), hg. von A. T h e i n e r, Mon. Pol. 1, S. 168 Nr. 256, in dem die eigenmächtig vorgenommene Verlegung des Dominikanerkonvents ins Innere der Stadtmauern unter anderem deshalb nachträglich gebilligt wird, quod propter hereticorum perfidiam, quorum precipue timebatis insultus, multas habebatis interdum persecutiones et contumelias sustinere, und weil sich zudem die Verlegung bewährt hatte: post cuius loci translationem per sacre predicationis ministerium, favente domino, multi ex predictis hereticis sunt detecti, et multi eorum redire nolentes ad Catholice fidei veritatem puniti secundum canonicas sanciones. Zum strittigen Zeitpunkt der Verlegung des Konvents (einer Inschrift nach: 1311) vgl. die noch immer maßgebende ortsgeschichtliche Darstellung von Heinrich S c h u b e r t, Bilder aus der Geschichte der Stadt Schweidnitz (o.J. [1911] S. 178, 180.

[6] Arnold von Protzan Nr. 69 (siehe Anm. 4) und 72 (wo der Bischof befiehlt, nach Neiße geflüchtete Ketzer aufzuspüren).

[7] Arnold von Protzan Nr. 69 und Reg. Sil. 3523.

[8] Reg. Sil. 3523.

[9] Dieser Mangel ist von der jüngsten Studie über das Waldensertum in Polen klar erkannt worden: Jerzy W y r o z u m s k i, Z dziejów waldensów w Polsce średniowiecznej [mit Resümee: Sur l'histoire des vaudois en Pologne au moyen âge], in: Zeszyty Naukowe Uniwersytetu Jagiellońskiego 469, Prace Historyczne 56 (1977) S. 39-51, hier S. 40. Das verdient festgehalten zu werden, denn die 1315 verurteilten Ketzer sind in der einschlägigen Literatur überwiegend als Waldenser bezeichnet worden - eine Annahme, der die vorliegende Untersuchung erst das Fundament liefert; vgl. etwa D o b r o w o 1 s k i (wie Anm. 3) S. 176ff.; Wincenty S w o b o d a, Początki herezji na ziemiach polskich [Die Anfänge von Häresien in den polnischen Ländern], in: Europa  Słowiańszczyzna  Polska. Studia ku uczczeniu profesora Kazimierza Tymienieckiego (1970) S. 385-396, hier S. 392; Historia Slaska [Geschichte Schlesiens], hg. von Karol M a 1 e c z y ń s k i, 1 (1960) S. 487ff., 605ff.; Colmar G r ü n h a g e n, Geschichte Schlesiens 1 (1884) S. 162; Herbert G r u n d m a n n, Ketzergeschichte des Mittelalters, in: Die Kirche in ihrer Geschichte. Ein Handbuch, hg. von K.D. Schmidt und E. Wolf, Bd. 2, Lief. G (l. Teil) (1963; = 31978) S. 33; Jean G o n n e t - Amedeo M o 1 n á r, Les vaudois au moyen âge (1974) S. 147f. Dagegen hatte sich der beste Kenner spätmittelalterlicher Häresien, Herman H a u p t, Waldenserthum und Inquisition im südöstlichen Deutschland (1890) S. 26 sehr vorsichtig ausgedrückt und, dem Wissensstand seiner Zeit entsprechend, nur allgemein von Ketzern gesprochen, die in Schweidnitz den Scheiterhaufen bestiegen hätten.

[10] Vgl. die Beschreibung bei F. M. B a r t o š, Soupis rukopisů Národního Musea v Praze. Catalogus codicum manu scriptorum Musaei Nationalis Pragensis 2 (1927) S. 323f. Nr. 3561. - Herrn Dr. Ivan H 1 a v á č e k (Prag) danke ich für ergänzende Hinweise. Zum einen darauf, daß diese Handschrift aus Tabor kam und vermutlich zu beschlagnahmten Beständen des 1419 von den Hussiten zerstörten Dominikanerkonvents von Alt Tabor (Ústí Sezimovo) (vgl. zu ihm V. K o u d e 1 k a, Arch. Fratr. Praed. 26, 1956, S. 146f.) gehört hat; ob dieser Konvent auch Entstehungsort der Handschrift war, bleibt indessen fraglich. Zum anderen darauf, daß kodikologisch die Folien 193ra-201rb (d.h. der mit „Secta et examinacio hereticorum“ betitelte Traktat und die in der Tradition der sog. Pharetra contra Iudeos stehenden Talmud-Exzerpte) besonders eng zusammengehören, da sie von einer Hand geschrieben wurden, die sonst nicht nachzuweisen ist.

[11] Zu Benedikt und seinem Werk vgl. Martin G r a b m a n n, Der Franziskanerbischof Benedictus de Alignano († 1268) und seine Summa zum Caput Firmiter des vierten Laterankonzils, in: Kirchengeschichtliche Studien. P. Michael Bihl O.F.M. als Ehrengabe dargeboten, hg. von I.-M. Freudenreich (o. J. [1941]) S. 50-64; dazu Walter L. W a k e f i e 1 d, Notes on Some Antiheretical Writings of the Thirteenth Century, Franciscan Studies 27 (1967) S. 285-321, hier S. 316f.

An handschriftlichen Überlieferungen des Frageformulars notiere ich (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) über die oben genannten hinaus: Breslau, Univ.-Bibl. I F 230 fol. 230ra-va; I F 240 fol. 260vb-261rb; Mil. II/58 fol. 229vb-230rb; Harburg I, 2, 8º, 10 fol. 30v-32r; Mattsee 49 fol. 227vb-228va; Prag, Univ.-Bibl. XI D 5 fol. 1r-v; Kap. D 51 fol. 133v-135r; Kap. K 9 fol. 89v-91r; Nat.-Mus. XII G 5 fol. 115r-v.

[12] Vgl. die Varianten unten S. 164ff.

[13] Siehe unten Anm. 19.

[14] Siehe unten S. 174f. mit Anm. 174.

[15]  Siehe unten S. 176 mit Anm. 139 auf S. 167f.

[16] Siehe unten S. 168 mit Anm. 140.

[17] Vgl. unten S. 163ff. mit Anm. 119, 128, 129, 134, 142-146, 181.

[18] Etwa Sybotho, Heinrich „hinter dem Hospital“ und Johannes Copacz, die „seniores“ der Sekte; vgl. unten S. 163, 166f., 170, 174, 176.

[19] Sein Heimatkloster ist übrigens Leubus. Vgl. zu ihm P f o t e n h a u e r, Zur Geschichte der Weihbischöfe des Bisthums Breslau, Zs. des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 23 (1889) S. 245f. Zur Familie Banz vgl. die Hinweise bei Robert S a m u 1 s k i, Untersuchungen über die persönliche Zusammensetzung des Breslauer Domkapitels im Mittelalter bis zum Tode des Bischofs Nanker (1341), Teil 1 (Historisch-Diplomatische Forschungen 6, 1940) S. 57. Zu den oben angeführten urkundlichen Erwähnungen vgl. Reg. Sil. 2945 und 4104 (das von S a m u 1 s k i a.a.O. genannte Eckjahr 1323 beruht auf trüber Quelle; vgl. post Reg. Sil. 4246 [Cod. dipl. Sil. 18, S. 216], wo ein angeblich Prager Weihbischof Paul kurzerhand mit dem unseren gleichgesetzt wurde).

[20] Siehe unten S. 169 mit Anm. 144.

[21]  G. M o 11 a t - G. d e L e s q u e n, Jean XXII. Lettres communes 2 (1905) S. 257 Nr. 8184. Vgl. auch die sachlich zusammenhängenden Regesten Nr. 8181-8185, die über die gleichzeitige Bestellung von Inquisitoren für Prag und Olmütz und die entsprechenden Anschreiben an die beteiligten geistlichen und weltlichen Herrschaftsträger unterrichten. Den Text des Bestellungsschreibens für die Breslauer und Krakauer Inquisitoren vgl. bei T h e i n e r (wie Anm. 3) S. 138f. Nr. 222. Zur Sache siehe A. P a t s c h o v s k y, Die Anfänge einer ständigen Inquisition in Böhmen (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 3, 1975) S. 22 f., 44, 191 ff.

[22] Formularsammlung Arnolds von Protzan Nr. 70 und 89, ed. W a t t e n b a c h, Codex dipl. Sil. 5, S. 55f. und 72ff. Zur Datierung vgl. Reg. Sil. 3515.

Zu Arnold von Protzan († 1342), dem bischöflichen Notar, Archidiakon von Glogau, bischöflichen Hofrichter in den Jahren 1304-1318 und zeitweiligen Administrator in spiritualibus des Breslauer Bistums nach dem Tode Heinrichs von Würben vgl. W a t t e n b a c h in der Vorbemerkung zur Ausgabe von Arnolds Formularsammlung S. VIIff.; dazu R. S a m u 1 s k i (wie Anm. 19) S. 97, 118, 120, 122, 156.

Zu dem Magister Gosco (oder Goscho), herzoglichen Protonotar, Glogauer Kanoniker, bischöflichen Hofrichter (1337) und Domkantor (bezeugt bis 1339) vgl. die Aufstellungen bei S a m u 1 s k i S. 33f., 97, 120, 126, 138, 157.

[23]  Das kann man vor allem daran ablesen, wie unvermutet manchem die Entdeckung bisher unbescholtener Bürger kam; auch die Angaben über die oft langjährige Zugehörigkeit zur Sekte lassen auf erstmalige Entdeckung schließen. Vgl. dazu unten S. 158f.

[24]  Siehe unten S. 163, 166, 170, 175f.

[25] Vgl. zuletzt hierzu P a t s c h o v s k y, Anfänge (wie Anm. 21) S. 69f. sowie d e r s., Quellen zur böhmischen Inquisition im 14. Jahrhundert (MGH Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters 11, 1979) S. 26.

[26] Siehe unten S. 163f., 170, 172f., 175.

[27] Siehe unten S. 164, 175f.

[28] Siehe unten S. 171.

[29] Siehe unten S. 170 f.

[30] Siehe unten S. 171, 175.

[31] Siehe unten S. 171.

[32] Vgl. die Nachweise am jeweiligen Ort.

[33] Siehe unten S. 167, 170.

[34] Siehe unten S. 171.

[35] Auszüge aus den Protokollen dieser Inquisition veröffentlichte Dietrich K u r z e, Quellen zur Ketzergeschichte Brandenburgs und Pommerns (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin 45, 1975), hier S. 82, 113, 120, 148 u.ö. (= Verhör Nr. 5, 40, 49, 82). Zur Sache selbst vgl. zuletzt d e n s., Zur Ketzergeschichte der Mark Brandenburg und Pommerns vornehmlich im 14. Jahrhundert. Luziferianer, Putzkeller und Waldenser, Jb. für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 16/17 (1968) S. 50-94, hier S. 85 (auch mit Gegenbeispielen, die die Wahl von Aposteln als Schutzheiligen als einen im ganzen schwankenden Brauch erkennen lassen), sowie d e n s., Märkische Waldenser und Böhmische Brüder. Zur brandenburgischen Ketzergeschichte und ihrer Nachwirkung im 15. und 16. Jahrhundert, in: Festschrift für Walter Schlesinger, hg. von H. Beumann 2 (Mitteldeutsche Forschungen 74,2, 1974) S. 456-502. Dazu Wincenty S w o b o d a, Waldensi na Pomorzu Zachodnim i w Nowej Marchii w świetle protokołów szczecińskiej inkwizycji z lat 1392-1394 [mit Zus.: Die Waldenser in Westpommern und Neumark im Lichte der Protokolle der Stettiner Inquisition aus den Jahren 1392-1394], Materiały Zachodniopomorskie 16 (1973) S. 493-509. Nach wie vor nicht ersetzt sind die Arbeiten von Wilhelm W a t t e n b a c h, der als erster auf die Protokolle dieser Inquisition aufmerksam machte, Teile davon veröffentlichte und sie analysierte: Über die Inquisition gegen die Waldenser in Pommern und der Mark Brandenburg (Abh. Berlin 1886,3, S. 1-102); Über Ketzergerichte in Pommern und der Mark Brandenburg (SB Berlin 1886,1, S. 47-58); Über die Secte der Brüder vom freien Geiste. Mit Nachträgen über die Waldenser in der Mark und in Pommern (SB Berlin 1887,2, S. 517-544, hier S. 517f., 543f.). Alle drei Artikel wieder abgedruckt in: d e r s., Kleine Abhandlungen zur mittelalterlichen Geschichte (Opuscula 1, 1970) S. 127-266.

[36] Vgl. K u r z e, Quellen S. 80, 113, 155 (Verhör Nr. 3, 40, 89) u.ö.; dazu unten S.176.

[37] Siehe unten S. 176.

[38] Gesta archiepiscoporum Magdeburgensium c. 42, ed. Wilhelm S c h u m, MGH SS 14, 434f.; dazu K u r z e, Ketzergeschichte S. 55ff.

[39]  Siehe unten S. 172.

[40]  Von der zahlreichen Literatur sei hier nur auf Arno B o r s t, Die Katharer (Schriften der MGH 12, 1953) S. 183ff. verwiesen.

[41]  Zu den Ketzern des 11. Jahrhunderts vgl. die Belege bei B o r s t a.a.0. Anm. 13, dazu den sehr instruktiven Brief Bischof Wazos von Lüttich (1042-1048) an Roger II. von Châlons-sur-Marne, in dem er sich mit entsprechenden Lehren der lothringischen Ketzer auseinandersetzt; vgl. den Text bei R. K o e p k e, MGH SS 7, 227f. - Wie schnell der Verzicht auf Fleischgenuß in den Verdacht des „Manichäismus“ geraten ließ, zeigt das unseren Verhören zeitlich nahestehende Beispiel der Franziskanerspiritualen um Angelo Clareno, die sich von diesem Vorwurf reinigen mußten; vgl. den Bericht Angelos in dessen Epistola excusatoria, ed. F. E h r 1 e, Archiv für Litteratur und Kirchengeschichte des Mittelalters 1 (1885) S. 527, und in der Historia septem tribulationum, ed. E h r 1 e, ebd. 2 (1886) S. 315; dazu Decima L. D o u i e, The Nature and the Effect of the Heresy of the Fraticelli (Publications of the University of Manchester 220, Historical Series 61, 1932) S. 56 und Arsenio F r u g o n i, Celestiniana (Studi storici 6-7, 1954) S. 141f.

[42] Das hoffe ich in meiner Anm. 21 zitierten Arbeit S. 77f. gegen ältere Auffassungen hinreichend nachgewiesen zu haben. Speziell für Österreich vgl. P a t s c h o v s k y, Der Passauer Anonymus (Schriften der MGH 22, 1968) S. 95-98.

[43]  Danuta L a p i s - Bohdan L a p i s, Beginki w Polsce w XIII-XV wieku [mit Resümee: Les béguines en Pologne], Kwartalnik Historyczny 79 (1972) S. 521-544, hier S. 542.

[44] Das Protokoll der Verhöre edierte nach einer Handschrift des Krakauer Domkapitels Bolesław U l a n o w s k i, in: Scriptores rerum Polonicarum 13 (1889) S. 233-255; auf die originale Überlieferung im Vat. lat. 13119 machte erstmals V. K o u d e 1 k a, Archivum Fratrum Praedicatorum 25 (1955) S. 92 aufmerksam. Zur Sache am besten Robert L e r n e r, The Heresy of the Free Spirit in the Later Middle Ages (1972) S. 112ff., dazu D. L a p i s - B. L a p i s, ebd. S. 534ff. und Jerzy W y r o z u m s k i, Beginki i begardzi w Polsce [mit Summary: The Beguines and Beghards in Poland], Zeszyty Naukowe Uniwersytetu Jagiellońskiego 261, Prace Historyczne 35 (1971) S. 7-22, hier bes. S. 17ff. - Zum genauen Todesdatum des am 6. Oktober 1341 in Prag ermordeten Johann von Schwenkenfeld vgl. P a t s c h o v s k y (wie Anm. 21) S.61-65.

[45] Hg. von W. W a t t e n b a c h, Cod. dipl. Sil. 5, S. 59ff. Nr. 76-78.

[46] Siehe unten S. 164f. und S. 166 (unten).

[47] Siehe unten S. 169f.

[48] Siehe unten S. 172 und S. 173.

[49] Siehe unten S. 176.

[50] Am besten immer noch, wenn auch nicht ohne irrige Zuweisungen und Einreihungen, der Artikel „Lucifériens“ von E. A m a n n, in: Dictionnaire de Théologie Catholique 9 (1926) Sp. 1044-1056. Vgl. auch die Ausführungen von D. K u r z e, Jb. f. d. Gesch. Mittel und Ostdeutschlands 16/17, S. 52-62. Grundlegend zur Typologie des Ketzers: Herbert G r u n d m a n n, Der Typus des Ketzers in mittelalterlicher Anschauung (1927), Nachdruck in: d e r s., Ausgewählte Aufsätze 1 (Schriften der MGH 25,1, 1976) S. 313-327, hier bes. S. 324f. Für das 13./14. Jahrhundert vgl. insbesondere auch R. L e r n e r, The Heresy of the Free Spirit S. 20-34. Siehe auch Edward P o t k o w s k i, Haeresis et secta maleficorum. Powstanie stereotypu [Die Entstehung eines Klischees], in: Cultus et cognitio. Studia z dziejów średniowiecznej kultury (1976) S. 469-483, hier bes. S. 479ff., sowie d e r s., Stereotyp heretyka-innowiercy w piśmiennictwie kaznodziejskim [mit Resümee: Le stéréotype de l'hérétique-dissident dans la littérature homiliaire], in: Kultura elitarna a kultura masowa w Polsce późnego średniowiecza, hg. von Bronisław Geremek (1978) S. 121-135. Genannt werden müssen hier auch Jeffrey Burton R u s s e 11, Witchcraft in the Middle Ages (1972), bes. S. 176ff., mit dem ich freilich in nichts übereinstimme (vgl. auch meine Rezension in DA 31, 1975, S. 622f.), sowie die soziologisierende und psychologisierende, in der Quellenbenutzung naive Arbeit von Gerhard Z a c h a r i a s, Satanskult und Schwarze Messe. Ein Beitrag zur Phänomenologie der Religion (1964), bes. S. 20ff., 48ff. Hingegen brauchbar: Norman C o h n, Europe's Inner Demons. An Enquiry Inspired by the Great Witch-Hunt (1975), bes. S. 16ff.

[51] Vgl. Tertullian, Apologeticum VII 1: Dicimur sceleratissimi de sacramento infanticidii et pabulo inde ei post convivium incesto, quod eversores luminum canes, lenones scilicet tenebrarum, libidinum impiarum inverecundiam procurent (ed. H. H o p p e, CSEL 69, 1939, S. 18; ed. E. D e k k e r s, CC 1, 1954, S. 98).

[52] Vgl. Augustin, De haeresibus XLVI 8-10 (ed. R. V a n d e r P 1 a e t s e - C. B e u k e r s, CC 46, 1969, S. 314ff.). Zur Sache Joseph H a n s e n, Zauberwahn, Inquisition und Hexenprozeß im Mittelalter und die Entstehung der großen Hexenverfolgung (Historische Bibliothek 12, 1900) bes. S. 23.

[53] Zuerst gegen die Ketzer von Orléans 1022; vgl. den Bericht des Mönches Paul von Saint-Père de Chartres, Vetus Agano VI 3, ed. M. G u é r a r d, Cartulaire de l'abbaye de Saint-Père de Chartres 1 (Collection des Cartulaires de France 1, 1840) S. 108-115, hier bes. S. 112. Vgl. im übrigen die Anm. 50 zitierte Literatur.

[54] Dieses heuristische Prinzip spricht z.B. Ekbert von Schönau († 1184) in aller Unschuld aus, vgl. Sermones in Catharos I 2-5, Migne PL 195, 16ff., dazu das von Ekbert beigegebene Exzerpt aus Augustins antimanichäischen Schriften ebd. Sp. 97ff.

[55] Vgl. etwa Rainer Sacconi, Summa de Catharis et Leonistis, ed. F. S a n j e k, Arch. Fratr. Praed. 44 (1974) S. 51; zur Sache B o r s t (wie Anm. 40) S. 144ff. mit Hinweisen auf die Herkunft und die Ausgestaltung dieser Vorstellung.

[56] Augustin, De haeresibus XLVI 16 (CC 46, S. 318), übernommen von Ekbert von Schönau, Sermones contra Catharos I 3, Migne PL 195, 17.

[57] Das alles konnten die Leser des ca. 1260/66 entstandenen häreseologischen Sammelwerkes des Passauer Anonymus auf engem Raume beieinander finden: Den Traktat des Rainer Sacconi samt einem darauf beruhenden eigenen Katharer-Traktat des Passauer Anonymus (der auch den Mythos vom Kampfe Michaels mit dem Satan enthielt), dazu einen Abschnitt über die „Manichäer“, der aus einem Exzerpt aus Augustins Manichäerkapitel in De haeresibus bestand nebst einem Bericht über das Geständnis zweier Katharer namens Burchard und Lepzet in Löwen bzw. Köln im Zusammenhang der Inquisition Konrads von Marburg; dieses Geständnis ist übrigens die Grundlage für Gregors IX. Schreiben „Vox in Rama“ von 1233 Juni 11,13,14 (Potthast 9229-31, ed. C. R o d e n b e r g, MGH Epp. saec. XIII 1, S. 432ff. Nr. 537) mit der Aufforderung zur Ketzerverfolgung in Deutschland. Vgl. zu diesen Texten P a t s c h o v s k y, Passauer Anonymus S. 89ff. Beispiele für Keller als Örtlichkeiten der Zusammenkünfte vgl. unten S. 172 Anm. 166.

[58] Vgl. Homilia XIX, zum 8. Sonntag nach Dreifaltigkeit (Thema: „Attendite a falsis prophetis“, Matth. 7,15), Migne PL 155, 2011: Tales sunt hodie, fratres mei, haeretici Manichaei, qui sua haeresi patriam Aggenensem maculaverunt ... Ei quod gravius est, duos praedicant rerum auctores, Deum invisibilium, diabolum visibilium auctorem credentes. Unde et occulte adorant diabolum, quem sui corporis credunt creatorem. Zu Radulf († 12. Sept. 1200 oder einige Jahre zuvor) vgl. zuletzt mit weiterführenden Angaben Johannes G r ü n d e l. Die Lehre des Radulfus Ardens von den Verstandestugenden auf dem Hintergrund seiner Seelenlehre (Veröffentlichungen des Grabmann-Institutes 27, 1976), bes. S. 8ff.

[59] De fide catholica contra haereticos sui temporis, Migne PL 210, Sp. 366: Et ideo nuptias damnant, quae fluxum luxuriae coarctant. Unde, ut fertur, in conciliabulis suis immundissima agunt. Illi dicuntur Cathari ... a cato, quia, ut dicitur, osculantur posteriora catti, in cuius specie, ut dicunt, apparet eis Lucifer. Zur weiteren Verbreitung dieser Etymologie des Namens Katharer vgl. P a t s c h o v s k y, Passauer Anonymus S. 96 mit Anm. 60. Zur ganzen Schrift des am 29. Dezember 1202 (nicht 1203; vgl. Alberich von Troisfontaines ad a. 1202, MGH SS 23, S. 881) verstorbenen Verfassers vgl. speziell Cesare V a s o 1 i, Il „Contra haereticos“ di Alano di Lilla, Bullettino dell'Istituto Storico Italiano 75 (1963) S. 123-172; dazu Marie-Thérèse d 'A 1 v e r n y, Alain de Lille. Textes inédits. Avec une introduction sur sa vie et ses oeuvres (Etudes de philosophie médiévale 52, 1965) S. 11-29 und 156-162.

[60] Joachim von Fiore, Expositio in Apocalypsim (Venedig 1527) fol. 130d: Hi sunt illi heretici, qui vulgo dicuntur Pathareni, licet apud alios et alios diversis vocabulis nominentur, qui - ut se esse demonstrent quod sunt: filios scilicet tenebrarum - nocturno, ut fertur, tempore, et hoc diebus statutis, conveniunt per provincias in synagogis suis, quatenus congregati in unum et mutuos sibi aspectus exhibentes faciant tandem opera patris sui. Zu diesem Text vgl. zuletzt Raoul M a n s e 1 1 i, Testimonianze minori sulle eresie: Gioacchino da Fiore di fronte a catari e valdesi, Studi Medievali, 3a serie 18 (1977) S. 567-583, bes. S. 575.

[61] Obwohl vielfach Gegenstand monographischer Behandlung, gibt es weder eine befriedigende Biographie Konrads von Marburg noch eine brauchbare Darstellung seiner Inquisition. Man ist immer noch weitgehend angewiesen auf die veralteten und häufig unzutreffenden Ausführungen von Balthasar K a 1 t n e r, Konrad von Marburg und die Inquisition in Deutschland (1882). Maßgebend ist vorderhand Paul B r a u n, Der Beichtvater der heiligen Elisabeth und deutsche Inquisitor Konrad von Marburg († 1233) (Diss. phil. Jena 1909, Teildruck; vollständig erschienen in: Beiträge zur Hessischen Kirchengeschichte 4 [= Ergänzungsband des Archivs für Hessische Geschichte und Altertumskunde N. F.], 1911, S. 248-300 und 331-364, hier bes. S. 331 ff.); dazu Ludwig F ö r g, Die Ketzerverfolgung in Deutschland unter Gregor IX. (Historische Studien 218, 1932) S. 71-90; siehe auch Karl Hermann M a y, Zur Geschichte Konrads von Marburg, Hessisches Jb. für Landesgeschichte 1 (1951) S. 87-109, bes. S. 97f.; zuletzt Peter S e g 1, in: NDB 12 (1980) S. 544-546 mit weiterführenden Hinweisen. Siehe auch oben Anm. 57.

[62] Joachim von Fiore, De articulis fidei, ed. E. B u o n a i u t i, Fonti per la storia d'Italia 78 (1936) S. 64: ... merito anathematizat Ecclesia lugdunenses hereticos, qui indifferenter et indiscrete, tam viri quam mulieres, sine doctrina, sine gratia, sine ordine, non tam annuntiant quam adulterant verbum Dei, et in specie sanctitatis faciunt conventicula Sathane. Dazu M a n s e 11 i (wie Anm. 60) S. 5.

[63] Ludus de Antichristo, Szene 40 v. 151ff. (ed. R. E n g e 1 s i n g) [1968] S. 20ff.; = ed. K. L a n g o s c h, Geistliche Spiele [1957] S. 214ff. mit Kommentar S. 227f.). Vgl. hierzu (wenn auch mit Vorsicht) den Kommentar von Gerhard G ü n t h e r, Der Antichrist (1970) S. 185ff.

[64] Vgl. Dialogus miraculorum dist. 5 c. 18-25, bes. c. 24 und 25, ed. J. S t r a n g e (1851) Bd. 1, S. 308f. Dazu (leider nur sehr knapp) Ph. S c h m i d t, Der Teufels- und Dämonenglaube in den Erzählungen des Caesarius von Heisterbach (Diss. theol. Basel 1926), hier S. 46f., 86.

[65] Johann von Winterthur, Chronik, ed. C. B r u n - F. B a e t h g e n, MGH SS N.S. 3 (1924) S. 116 (Köln), 144f. (Österreich), 151 (Mark Brandenburg); vgl. auch den Bericht Johanns von Viktring, Liber certarum historiarum V 6, ed. F. S c h n e i d e r, MGH SS rer. Germ. (1910) Bd. 2, 129f. über das Auftreten des demonialis sacerdos Walther in Köln 1328 und dessen heresis Adamiana. Zu diesem Typus spätmittelalterlicher Chronistik mit stark erbaulichem und legendarischem Einschlag vgl. Friedrich B a e t h g e n, Franziskanische Studien (1925, wiederabgedruckt in: d e r s., Mediaevalia 2 [Schriften der MGH 17,2, 1960] S. 319-362, hier bes. S. 346ff.).

[66] So auch G r u n d m a n n (wie Anm. 50) S. 325. - Diese Erfahrung mußten z.B. auch die Templer machen. Vgl. in diesem Zusammenhang die sehr instruktiven Ausführungen von Malcolm B a r b e r, Propaganda in the Middle Ages: the charges against the Templars, Nottingham Mediaeval Studies 17 (1973) S. 42-57.

[67] Vgl. H a n s e n (wie Anm. 52) S. 414ff.

[68] Siehe oben S. 150 mit Anm. 56 und 57.

[69] Vgl. oben S. 150 Anm. 57.

[70] Siehe unten S. 164 mit Anm. 125 und S. 166f. mit Anm. 133.

[71] Siehe unten S. 173.

[72] Siehe unten S. 166, 170, 174, 176.

[73] Siehe unten S. 176.

[74] Vgl. am einfachsten und immer noch am besten die Edition von Wilhelm W a t t e n b a c h, MGH SS 9, 825-827; dazu (mit weiteren, z.T. umfangreicheren Überlieferungen) Margaret N i c k s o n, The „Pseudo-Reinerius“ treatise, the final stage of a thirteenth century work on heresy from the diocese of Passau, Archives d'histoire doctrinale et littéraire du moyen âge 42 (1967; ersch. 1968) S. 255-314, hier S. 304ff.

[75] Vgl. das Suspensionsschreiben Johannes‘ XXII. für den Prager Bischof Johann IV. von Draschitz von 1318 April 1, ed. P a t s c h o v s k y, Anfänge (wie Anm. 21) S. 82-89, hier S. 86 Z. 42ff.

[76] Vgl. oben S. 146 mit Anm. 38.

[77] Vgl. K u r z e, Ketzergeschichte (wie Anm. 35) S. 52-66.

[78] Vgl. P a t s c h o v s k y, Anfänge S. 40f., 77f.

[79] Vgl. P a t s c h o v s k y, Passauer Anonymus S. 139f. mit Anm. 9.

[80] Gemeint ist der Briefwechsel des konvertierten österreichischen Waldensers Johannes Leser mit seinen ehemaligen Glaubensgenossen in der Lombardei und der damit verbundenen Übermittlung des sog. Liber electorum, einem Zeugnis der Waldensergeschichte aus deren eigener Sicht. Die bisherigen Editionen dieser hochrangigen Quellen sind höchst unzureichend; vgl. am einfachsten Ignaz von D ö 11 i n g e r, Beiträge zur Sektengeschichte des Mittelalters 2 (1890) S. 351 ff. Zur Sache vgl. noch Giovanni G o n n e t, I Valdesi d'Austria nella seconda metà del secolo XIV, Bollettino della Società di studi Valdesi Jg. 82 Nr. 111 (1962) S. 5-41.

[81] Vgl. K u r z e, Quellen (wie Anm. 35) S. 88, 91f.; dazu d e r s., Ketzergeschichte S. 55 f.; d e r s., Märkische Waldenser S. 458. Siehe auch unten S. 171 Anm. 162 im Waldensertraktat des Pseudo-Petrus von Pillichsdorf (das ist vermutlich Petrus Zwicker) die klare Unterscheidung zwischen Waldensern und Luciferianern.

[82] Siehe unten S. 172.

[83] Es genüge hier der Hinweis auf Kurt-Victor S e 1 g e, Die ersten Waldenser 1 (Arbeiten zur Kirchengeschichte 37,1, 1967) S. 155ff.

[84] Siehe unten S. 170 und 171.

[85] Erstmals neben unserer Quelle m.W. im gleichzeitigen Kremser Inquisitionsbericht; siehe unten S. 171 Anm. 160.

[86] Siehe unten S. 167.

[87] Zur nicht unerheblichen Bedeutung und zu den Geschicken der Schweidnitzer Judengemeinde (bezeugt seit 1285), die in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine berühmte Talmudschule besaß und deren rechtliche Regelungen ihres Zusammenlebens für andere schlesische Judengemeinden vorbildlich wurden, vgl. B r a n n (wie unten Anm. 89) S. 18ff., 25, 30, 33f., 67ff., 88f., 113, 129, 133f., 138ff.; dazu Germania Judaica 2,2 (1968) S. 754f. sowie S c h u b e r t (wie Anm.5) S. 331ff.

[88] Vgl. hier etwa Horst Dieter R a u h, Das Bild des Antichrist im Mittelalter: Von Tyconius zum Deutschen Symbolismus (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters N.F. 9, 1973) bes. S. 226ff. (Rupert von Deutz), oder Klaus A i c h e 1 e, Das Antichristdrama des Mittelalters, der Reformation und Gegenreformation (1974) S. 140ff. Typisch für das Weltbild des Mittelalters von den Feinden der Fides catholica ist das Sammelwerk des Passauer Anonymus, das gegen Juden, Ketzer und Heiden gerichtet ist; vgl. den Prolog zum Gesamtwerk bei P a t s c h o v s k y, Passauer Anonymus S. 22f. Siehe hierzu auch P o t k o w s k i, Stereotyp heretyka-innowiercy (wie Anm. 50) S. 122ff., sowie besonders D. K u r z e, Häresie und Minderheit im Mittelalter, HZ 229 (1979) S. 552ff.

[89] Zur deutschen Ostsiedlung vgl. Historia Sląska, hg. von K. M a 1 e c z y ń s k i, 1 (1960) S. 238-255, bes. S. 242ff., 251ff. mit weiterführenden Angaben. Dazu die verschiedenen einschlägigen Arbeiten von Walter K u h n, zusammengefaßt in den Aufsatzsammlungen „Beiträge zur schlesischen Siedlungsgeschichte“ (1971) und „Vergleichende Untersuchungen zur mittelalterlichen Ostsiedlung“ (Ostmitteleuropa in Vergangenheit und Gegenwart 16, 1973), sowie d e r s., Die deutschrechtlichen Städte in Schlesien und Polen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts (1968). Vgl. auch Geschichte Schlesiens 1 (1961) S. 327-364 (Heinrich von L o e s c h, Die Verfassung der deutschen Siedler) und S. 417-453 (Hermann A u b i n, Die deutsche Kolonisation). Zuletzt: Die deutsche Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der europäischen Geschichte. Reichenau-Vorträge 1970-1972, hg. von Walter S c h 1 e s i n g e r (Vorträge und Forschungen 18, 1975), bes. W. K u h n, Westslawische Landesherren als Organisatoren der mittelalterlichen Ostsiedlung (S. 225-261), Benedykt Z i e n t a r a, Die deutschen Einwanderer in Polen vom 12. bis zum 14. Jahrhundert (S. 333-348), Stanisław T r a w k o w s k i, Die Rolle der deutschen Dorfkolonisation und des deutschen Rechtes in Polen im 13. Jahrhundert (S. 349-368); zu letzterem kritisch Heinrich A p p e 1 t, Zur Frage der Anfänge des deutschen Rechtes in Schlesien, Zs. für Ostforschung 27 (1978) S. 193-206. Grundlegend zum ganzen Fragenkreis jetzt Josef Joachim M e n z e 1, Die schlesischen Lokationsurkunden des 13. Jahrhunderts. Studien zum Urkundenwesen, zur Siedlungs-, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte einer ostdeutschen Landschaft im Mittelalter (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte 19, 1977).

Zu den Anfängen der jüdischen Gemeinden in Schlesien Marcus B r a n n, Geschichte der Juden in Schlesien (1896-1917; erschienen in sechs Beilagen zum Jahresbericht des jüdisch-theologischen Seminars Fränckel'scher Stiftung), hier bes. S. 4ff., 9, 24ff.; weitere Hinweise im Artikel „Silesia“ der Encyclopaedia Judaica 14 (1971) Sp. 1536ff. (Bernhard B r i 11 i n g).

[90] Julius A r o n i u s, Regesten zur Geschichte der Juden im fränkischen und deutschen Reiche bis zum Jahre 1273 (1902) S. 301ff. Nr. 724. Zur Sache vgl. B r a n n S. 10ff.

[91] Arnold von Protzan (wie Anm. 3) Nr. 73-75 S. 57ff.; dazu B r a n n S. 22ff. Über zunehmende Schwierigkeiten der Juden in Breslau in den Jahren 1315/16 ebd. S. 35f.

[92] Zur Verfolgung in Breslau im Pestjahr 1349 vgl. Germania Judaica 2,1 (1968) S. 131 mit Nachweisen Anm. 45; B r a n n S. 50ff.; nur oberflächlich berühren die Vorgänge W. D ł u g o b o r s k i - J. G i e r o w s k i - K.   M a 1 e c z y ń s k i, Dzieje Wrocławia do roku 1807 [Geschichte Breslaus bis zum Jahre 1807] (1958) S. 142 mit Anm. 424. - Zu den Ereignissen von 1453 ausführlich B r a n n S. 120-140.

[93] Siehe unten S. 172f.

[94] Siehe unten S. 165f.

[95] Siehe unten S. 173f.

[96] Siehe unten S. 176.

[97] Siehe unten S. 173.

[98] Siehe unten S. 175.

[99] Siehe unten S. 163, 165f. mit Anm. 119, 128, 129.

[100] Zu ihr siehe unten S. 175.

[101] Siehe unten S. 169ff.

[102] Sybotho mit Tochter Sophia und Schwiegersohn Hermann von Stettin, Schwiegervater Engilmar und dessen Frau; Heinrich „hinter dem Hospital“; Johannes Copacz; Hermann von Kynsburg; Ludwig von Görlitz; Gabel; die Frau Heinrichs mit Tochter; die Frau Hertlins von Grätz; die Witwe eines Mannes aus Peterwitz; die Weberin Czuscha. Unbestimmt bleibt una inter hereticas captivas, von welcher der Ritter Siegfried von Gerlachsheim einen Ausspruch mitteilt (siehe unten S. 173).

[103] Das sind die sechs Erstgenannten in Anm. 102.

[104] Vgl. P a t s c h o v s k y, Quellen (wie Anm. 25) S. 30ff.

[105] Sybotho, sein Schwiegersohn Hermann von Stettin, Heinrich „hinter dem Hospital“, Johannes Copacz; vgl. unten S. 170, 176.

[106]  Vgl. Hans B a h 1 o w, Schlesisches Namenbuch (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte 3, 1953) S. 75 s. v. Tscheuschner.

[107]  Siehe unten S. 175.

[108] Als Indikatoren des Klassenkampfes und in Anführungszeichen werden recht undifferenziert jedwede Formen von Ketzerei in Schlesien betrachtet von K. M a 1 e c z y ń s k i, Historia Sląska 1 (1960) S. 487ff., 605ff. und      D ł u g o b o r s k i – G i e r o w s k i – M a l e c z y ń s k i, Dzieje Wrocławia do roku 1807 (1958) S. 149ff.

[109] Ludwig von Görlitz und Gabel; siehe oben S. 159 mit Anm. 99.

[110] Vgl. P a t s c h o v k y, Quellen S. 63 ff. Etwas anders („Mittel und Unterbau“) beurteilt K u r z e, Ketzergeschichte S. 88ff. die Sozialstruktur der Brandenburger Waldenser.

Zur Frage der Verbreitung des Waldenserturns in Stadt und/oder Land sei von vornherein davor gewarnt, aus den Schweidnitzer Protokollen den Schluß zu ziehen, das schlesische Waldensertum sei auf den städtischen Bereich beschränkt gewesen. Dem widerspräche bereits die für Schlesien typische Weichbildverfassung seiner Gründungsstädte mit ihrer rechtlich, wirtschaftlich und sozial geradezu konstitutiv engen Verklammerung von Stadt und Umland; vgl. dazu Josef Joachim M e n z e 1, Stadt und Land in der schlesischen Weichbildverfassung, in: Die mittelalterliche Städtebildung im südöstlichen Europa, hg. von Heinz Stoob (Städteforschung A 4, 1977) S. 19-38.

[111] Vgl. zu meinen Anm. 21 und 25 zitierten Arbeiten Rudolf H o 1 i n k a, Sektářství v Cechách před revolucí husitskou [mit Resümee: Les sectes en Bohême avant la révolution hussite], Sborník filosofické fakulty university Komenského v Bratislavě Jg. 6 Nr. 52 (1929) S. 125-312 (selbständige Zählung S. 1-188). Dazu S. Harrison T h o m s o n, Pre-Hussite Heresy in Bohemia, The English Historical Review 48 (1933) S. 23-42. Siehe auch G o n n e t - M o 1 n á r (wie Anm. 9) S. 211-282 (L'internationale valdo-hussite).

[112] Vgl. die Anm. 35 zitierten Arbeiten von Dietrich K u r z e.

[113] Eine brauchbare Darstellung für die Geschichte des Waldensertums in Österreich fehlt. Überholt ist die ältere Darstellung von Godfrid Edmund F r i e ß, Patarener, Begharden und Waldenser in Österreich während des Mittelalters, Österreichische Vierteljahresschrift für katholische Theologie 11 (1872) S. 209-272; am besten H. H a u p t, Waldenserthum (wie Anm. 9) passim.

[114] Siehe oben S. 143 mit Anm. 21 und 22, dazu P a t s c h o v s k y, Anfänge S. 61 und die Anm. 9 zitierte Literatur.

[115] Siehe oben S. 147 mit Anm. 44.

[116] Quelle dafür ist vor allem die Formularsammlung Arnolds von Protzan (wie Anm. 3): S. 40 Nr. 51 wird gegen die Herren von Wusthube, mit denen Bischof Heinrich von Würben 1318 harte Kämpfe auszufechten hatte (vgl. Reg. Sil. 3794-3799), vom Bischof die Waffe des Ketzereiverdachtes ins Feld geführt.

S. 72f. Nr. 89: Der (vor der Priesterweihe stehende) famulus Dycussius des Breslauer Bürgers Matthias von Mühlheim wird beschuldigt, fautor hereticorum zu sein, weil er in Breslau gegen die von Arnold von Protzan namens des Bischofs durchgeführten Ketzerprozesse erbitterten Widerstand zu entfachen verstand.

S. 49f. Nr. 64: Einem Priester der Domkirche namens Helregil wird gleichfalls der Prozeß gemacht (freilich kein Häresieverfahren), weil er in aller Öffentlichkeit vor einer (Diözesan-)Synode in der Breslauer Elisabethkirche zugunsten Häresieverdächtiger Partei ergriffen hatte.

Zum Häresieprozeß gegen den Grüssauer Zisterzienser Martin, der zu dem von Breslauer Bürgern bestellten Mord an dem die Verhandlung führenden Inquisitor Johann von Schwenkenfeld 1341 in Prag führte, vgl. P a t s c h o v s k y, Anfänge S. 61ff. mit weiterführenden Hinweisen.

[117] Daß Bischof Heinrich von Würben 1317/1318 Beginen und Begarden verfolgen ließ, lassen seine Processus contra Beginas erwarten, Arnold von Protzan S. 59ff. Nr. 76-78.

[118] Zur Bedeutung des Wortes (traun”=meiner Treu”, per fidem meam) vgl. Deutsches Wörterbuch von Jacob G r i m m und Wilhelm G r i m m, Bd. 11,1,1 (1935) Sp. 1526ff. Parallelen vgl. für Böhmen bei P a t s c h o v s k y, Quellen S. 217 Z. 1, 222 Z. 2, 230 Z. 3; zur Sache, dem für Waldenser typischen Merkmal der Eidverweigerung, ebd. S. 26 mit Anm. 41. Aus dem brandenburgischen Vergleichsmaterial siehe K u r z e, Quellen S. 117 Nr. 47, 120 Nr. 49 u.ö., dazu K u r z e, Ketzergeschichte S. 69, 86. In den österreichischen Quellen ist das Wort traun” nicht überliefert, hingegen in deutschsprachigen waldensisch-luciferianischen” Ketzerartikeln anscheinend Eichstätter Provenienz in der Münchner Handschrift Clm 4387 fol. 73va-74vb, ed. W a t t e n b a c h, SB Berlin 1887, 2 S. 519-521, hier S. 520 (sehr fehlerhaft auch hg. von D ö l l i n g e r, Sektengeschichte2, S. 613ff; zur Handschrift P a t s ch ov s k y, Passauer Anonymus S. 41ff. Anm. 67).

[119] Er ist im Schweidnitzer Zinsbuch bezeugt; Reg. Sil. 4901a und b. Dort die Angabe seines Berufes: Fleischer; sein Schwager ist Paul der Schuster. Der Beiname leitet sich her von der Burg Kynsburg (Grodno) oberhalb Kynau (Zagórze Sląskie) bei Waldenburg; vgl. Handbuch der historischen Stätten: Schlesien, hg. von Hugo W e c z e r k a (Kröners Taschenausgabe 316, 1977) S. 257f. mit weiterführenden Angaben.

[120] Er ist der in den Verhören am meisten genannte Ketzer, bezeichnet als maior, senior und confessor (siehe unten S. 166, 170); an nicht weniger als vier Stellen wird vermeldet, daß er verbrannt worden ist (siehe unten S. 166, 170, 174, 176). Zu seinem Verwandtenkreis vgl. oben S. 160 mit Anm. 102. Er ist außerhalb der Protokolle nicht bezeugt.

[121] Auch er wird als maior, senior und confessor der Sekte bezeichnet und ist verbrannt worden; siehe unten S. 166, 170. Er gehört über Engilmar, dessen Gevatter er ist, zum Verwandtenkreis Sybothos; siehe oben S. 160 und unten S. 170. Außerhalb der Verhörsprotokolle ist er nicht bezeugt. Sein Beiname bezieht sich auf das Michaelishospital in Schweidnitz, gegründet 1267; vgl. zu Lage und Geschichte S c h u b e r t (wie Anm. 5) S. 152ff.

[122] Zu diesen für die Waldenser typischen Formen von Priesterfeindlichkeit und geistlicher Betreuung der Sektenmitglieder vgl. etwa K u r z e, Ketzergeschichte S. 77ff.; dazu den Kremser Inquisitionsbericht, ed. W a t t e n b a c h, MGH SS 9, 826, ed. N i c k s o n (wie Anm. 74) S. 306.

[123] Hinter der Zahl steht das Apostelvorbild (vgl. Marc. 6, 7ff., Matth. 10, 1ff.), der sich die Waldenser bekanntlich in besonderem Maße verpflichtet fühlten; vgl. etwa S e l g e (wie Anm. 83) Bd. 1, 48ff., 66ff. u.ö. Doch kann es sich hier ebensogut um einen inhaltsleeren Topos gehandelt haben, gleichsam als satanisches Gegenbild zur wahren Apostelkirche; denn auch im Kremser Inquisitionsbericht wird von den österreichischen Ketzern behauptet (ed. W a t t e n b a c h, MGH SS 9, 825; ed. N i c k s o n S. 305): se habere 12 apostolos qui annis singulis universa mundi climata perlustrarent; de quibus duo annis singulis paradysum introirent, auctoritatem ligandi et solvendi ab Elia et Enoch accepturi, et ea accepta continuo reversuri; quam tunc suis communicarent sequacibus prout ipsis divinitus constitutum. (Vgl. zu ähnlichen Vorstellungen der Brandenburger Ketzer K u r z e, Ketzergeschichte S. 82f.). Und schon lange zuvor ist diese Zahl von Augustin für die Organisationsstruktur der Manichäer in Anspruch genommen worden, eine Angabe, die Ekbert von Schönau für die katharischen Neumanichäer” seiner Zeit übernahm und die auch der Passauer Anonymus nachschrieb; vgl. oben S. 150 mit Anm. 56 und 57. Von XLII (offensichtlich eine Verschreibung für XII oder LXXII) Meistern” im Eichstätter Bistum ist in der deutschsprachigen waldensisch-„luciferianischen“ Artikelserie der Münchener Handschrift Clm 4386 die Rede (ed. W a t t e n b a c h, SB Berlin 1887, 2 S. 520).

[124] Jährliche Zusammenkünfte der Waldenserprediger mit Neuverteilung der Seelsorgesprengel sind nördlich der Alpen im Ordinationsmodus der Waldenserprediger aus dem späten 14. Jahrhundert bezeugt (überliefert im Zusammenhang mit Inquisitionsmaterial des Petrus Zwicker), ed. F r i e ß (wie Anm. 113) S. 259. Vgl. im übrigen G o n n e t – M o l n á r (wie Anm. 19) S. 191.

[125] Vgl. die in manchen Einzelheiten ähnliche Beschreibung einer höllischen Trinität und eines satanischen Himmels bei Johann von Winterthur, Chronik, ed. B a e t h g e n – B r u n, MGH SS N.S. 3 (1924) S. 151. Entlarvend freilich die Herkunft der ganzen Szene: Apoc. 7, bes. v. 11, 15-16, teilweise bis in den Wortlaut hinein. Soweit hier nicht tatsächlich endzeitliche Vorstellungen der Schweidnitzer Ketzer dahinterstehen, haben wir es mit der bloßen primitiven Methode zu tun, eine Szene aus dem Reiche Gottes gleichsam durch einfache Änderung der Vorzeichen in Geschehnisse der satanischen Welt zu verkehren.

[126] Diese Vorstellung ist für die angeblichen Luciferianer des Mittelalters außerordentlich häufig belegt und hat ihren Ursprung im dualistischen Weltbild der Katharer und im katharischen Mythos vom Kampfe Michaels mit Lucifer (vgl. oben S. 160 mit Anm. 55); siehe das Geständnis des Ketzers Lepzet in Köln, den vermutlich Konrad von Marburg verhört hat, ed. D ö l l i n g e r, Sektengeschichte 2, 371 (dasselbe in Gregors IX. Vox in Rama”, ed. C. R o d e n b e r g, MGH Epp. Saec. XIII 1, 433 Nr. 537). Für die brandenburgischen Waldenser bzw. Luciferianer” siehe K u r z e, Quellen S. 91f. Nr. 16 und 17, dazu d e r s., Ketzergeschichte S. 55f. Für Österreich vgl. den Kremser Inquisitionsbericht, ed. W a t t e n b a c h, MGH SS 9, 825, ed. N i c k s o n S. 305. Vgl. auch den Bußkeller-Bericht (aus Clm 1329), am einfachsten bei D ö l l i n g e r, Sektengeschichte 2, 341. Dazu das von W a t t e n b a c h, SB Berlin 1887, 2 S. 544 aus der Hs. Greifswald, St. Nicolai XXIII E 100 über Luciferianer Mitgeteilte und die in ihrer Mischung von zweifelsfrei Waldensischem und angeblich Luciferianischem unseren Protokollen nicht sehr fernstehende deutsche Artikelserie (aus der Hs. Karlsruhe, Badische Landesbibl. 349) bei D ö l l i n g e r, Sektengeschichte 2, 701f.; ähnlich die anscheinend Eichstätter Verhältnisse betreffenden deutschsprachigen waldensisch-luciferianischen” Artikel der Münchener Handschrift Clm 4386, ed. W a t t e n b a c h, SB Berlin 1887, 2 S. 520.

Sogar dichterischen Ausdruck hat diese Vorstellung gefunden, und zwar – ähnlich wie bei Konrad von Marburg – in Verknüpfung mit katharischen Lehren in einem der kleineren Lehrgedichte des im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts wirkenden Strickers; vgl. dessen Klage” vv. 511-540, hg. von Heinz M e t t k e, Fabeln und Mären von dem Stricker (Altdeutsche Textbibiliothek 35, Halle 1959) Nr. 30 S. 134f., hg. von Wolfgang Wilfried M o e l l e k e n u.a., Die Kleindichtung des Strickers 5 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 107/5, 1978) Nr. 158 S. 210f. (diesen Hinweis verdanke ich Herrn Dr. Peter Segl, Regensburg).

[127] Die Unzucht schlechthin, speziell dann die widernatürliche Unzucht, gehört zum ständigen Repertoire von Satanskultszenen; vgl. die Berichte des Katharers Lepzet und in Gregors IX. Vox in Rama” (wie Anm. 126), aber das wird schon den Ketzern von Orléans 1022 unterstellt (vgl. Vetus Agano [wie oben Anm. 53] S. 112). Ähnliches behauptet Cäsarius von Heisterbach von den Zusammenkünften der Veroneser Ketzer (Dialogus miraculorum dist. 5 c. 24, ed. S t r a n g e [1851] Bd. 1, 308), und in den deutschsprachigen waldensisch-„luciferianischen” Artikeln, anscheinend aus Eichstätt, in der Münchener Handschrift Clm 4386 wird auch eine derartige Szene ausgemalt (ed. W a t t e n b a c h, SB Berlin 1887, 2 S. 520). Vgl. im übrigen die Beispiele unten S. 172 Anm. 166.

[128] Ludwig von Görlitz ist 1311 September 29 als Schweidnitzer Schöffe bezeugt; Reg. Sil. (Cod. dipl. Sil. 16, 1892) Nr. 3225.

[129] Er dürfte identisch sein mit dem 1315 August 22 bezeugten Schweidnitzer Schöffen Hertwich von Gabil; Reg. Sil. 3525. Die Form Gabel begegnet in manchen schlesischen Ortsnamen (Neugabel, Neu Gablenz) [poln. Nowa Jabłona, Jabłoniec] usw.), geht hier vielleicht auf Gaablau (Jabłów) bei Waldenburg oder Göbel (Jabłonka) im Kreise Neumarkt zurück.

[130] Er ist außerhalb unseres Verhörsmaterials nicht nachzuweisen (vgl. noch unten S. 170). Der Beiname dürfte sich von Kopatsch (Kopacz; am 1.9.1939 Schneebach) bei Goldberg herleiten.

130a Gemeint ist das (nichteidliche) Gelöbnis, wie unten S. 170 Z. 1.

[131] Vgl. auch unten S. 175, wo ähnliches berichtet wird. So unzweifelhaft es nun ist, daß die Waldenser wie jede Glaubensgemeinschaft ihre Neophyten nur Schritt für Schritt in ihre Lehren eingeführt haben werden, so sehr gehört das Bild einer allmählichen Verführung und immer tieferen Verstrickung zum Topos ketzerischer Verruchtheit, wird schon den Ketzern von Orléans 1022 nachgesagt; vgl. Vetus Agano (wie Anm. 53) S. 110f.

[132] Paul von Banz, Leiter dieser Verhörsfolge; siehe unten S. 167.

[133] Das Bild von der Wiese, über der sich das Paradies öffnet, ist ein Motiv der Mirakelliteratur; vgl. Joseph K l a p p e r, Erzählungen des Mittelalters (Wort und Brauch 12, 1914) S. 264f. Nr. 41. Vgl. auch den campus letitie der Visio Tnugdali (entstanden kurz nach 1149), ed. Albrecht W a g n e r (1882) S. 41.

[134] Er ist außerhalb dieses Protokolls nicht bezeugt.

[135] Ähnliche Drohungen werden auch den österreichischen Ketzern nachgesagt; vgl. Kremser Inquisitionsbericht, ed. N i c k s o n S. 308 (dieser Textteil fehlt in Wattenbachs Handschriften): ... quod si quiete nostra fides per quinquennium in suo robore perstetisset nostre fidei efficaciam cogitaveramus publice predicare eamque constitueramus manu valida defensare. Ganz Vergleichbares weiß schon der Passauer Anonymus zu berichten, ed. A. P a t s c h o v s k y – K.-V. S e l g e, Quellen zur Geschichte der Waldenser (Texte zur Kirchen- und Theologiegeschichte 18, 1973) S. 72. Vgl. im übrigen oben S. 156ff.

[136] Heilsgewißheit ist bei Ketzern oft bezeugt; vgl. etwa schon für die Ketzer von Orléans 1022, Vetus Agano (wie Anm. 53) S. 114, oder auch Johann von Winterthur, ed. B a e t h g e n – B r u n, MGH SS N.S. 3 (1924) S. 151.

[137] Siehe auch unten S. 170. Die Ablehnung der Jungfräulichkeit Marias ist besonders kraß von den gleichzeitigen österreichischen Ketzern ausgedrückt worden, die eigene Spottlieder dafür erfanden; vgl. Kremser Inquisitionsbericht, ed. W a t t e n b a c h, MGH SS 9, 825f., ed. N i c k s o n S. 305. Den Weg dorthin ebnete die (biblisch durchaus begründete) Vorstellung jüngerer Geschwister Jesu; dies zeigt der Bußkeller-Bericht, ed. D ö l l i n g e r, Sektengeschichte 341: Beatam virginem post Christi partum dicunt non mansisse castam, sed plures filios habuisse. Die Ablehnung der Jungfräulichkeit Marias wird auch den angeblich luciferianischen Brandenburger Waldensern nachgesagt: vgl. K u r z e, Quellen 91: quod non crederent Christum de pura virgine natum sed ex iuvencula, vulgariter sic: nicht von eyner iuncvrowen sunder von eyner jungen vrowen.

[138] Paul von Banz, Titularbischof von Tiberias; vgl. zu ihm oben S. 142 mit Anm. 19.

[139] Das muß der Vorsteher der Breslauer Franziskanerkustodie gewesen sein, die im Laufe der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts (gemeinsam mit der Goldberger Kustodie) von der polnisch-böhmischen zu sächsischen Franziskanerprovinz gewechselt hat; zum nationalpolitischen Hintergrund dieses Vorgangs zuletzt John B. F r e e d, The Friars and German Society in the Thirteenth Century (1977) S. 69-77, freilich ohne Kenntnis der zwar nicht sonderlich gelungenen, hier aber unbedingt zu beachtenden Arbeit von Czesław Cezar B a r a n, Sprawy narodowościowe u Franciszkanów śląskich w XIII w. [mit Zus.: Nationalitätsfragen bei den schlesischen Minoriten im XIII. Jahrhundert] (Studia historico-ecclesiastica 9, 1954 [ersch. 1955]), bes. S. 77-127; siehe auch Kamil K a n t a k, Franciszkanie polscy [Die polnischen Franziskaner], Bd. 1: 1237-1517 (1937) S. 26ff., 321f. Konrad de Wimia ist höchstwahrscheinlich identisch mit dem unten S. 176 als Verhörsleiter genannten Conradus custos Wratislawensis. Er ist außerhalb unseres Verhörsmaterials nicht bezeugt. Das kann freilich nicht verwundern, denn zwischen 1305 und 1330, wo ein Arnold bzw. Nikolaus in diesem Amt genannt sind, gab es bislang keinen Beleg für einen Breslauer Franziskanerkustos; vgl. die Tabelle bei Chrysogonus R e i s c h, Urkundenbuch der Kustodien Goldberg und Breslau 1: 1240-1517 (Monumenta Germaniae Franciscana, 2. Abt.: Urkundenbücher Bd. 1, 1, 1917) S. 436 (Bezug sind die Urkunden Nr. 114 und 139). Den Herkunftsort Wimia habe ich nicht identifizieren können; vielleicht ist nur die Überlieferung verderbt und man muß Wim(ar)ia = Weimar lesen.

[140] Er ist nochmals unten S. 176 genannt, außerhalb unseres Verhörsmaterials nicht bezeugt. Es ist hier daran zu erinnern, daß die Schweidnitzer Dominikaner sich anheischig machten, die Ketzerverfolgung in der Stadt in Gang gesetzt zu haben; siehe oben S. 138f. mit Anm. 5. Zur Geschichte des 1291 gegründeten und 1311 ins Innere der Stadt verlegten Konvents vgl. S c h u b e r t (wie Anm. 5) S. 178ff. Dazu im Zusammenhang der Geschichte der polnischen Dominikanerprovinz Jerzy K ł o c z o w s k i, Dominikanie polscy na Sląsku w XIII-XIV wieku [mit Resümee: Les dominicains polonais en Silésie aux XIII-XIV s.] (Towarzystwo Naukowe Katolickiego Uniwersytetu Lubelskiego. Rozprawy Wydziału Historyczno-Filologicznego 17, 1956) S. 19, 54, 261; vgl. auch innerhalb des Sammelwerkes „Studia nad historia dominikanów w Polsce 1222-1972“ [Studien zur Geschichte der Dominikaner in Polen 1222-1972], hg. von Jerzy K ł o c z o w s k i, 2. Bde. (1975) den Abschnitt von Paweł K i e l a r, Studia nad kulturą szkolną i intelektualną dominikanów prowincji polskiej w średniowieczu [mit franz. Titel: Etudes sur la culture scolaire et intellectuelle des dominicains de la province polonaise au Moyen Age], Bd. 1, S. 271-515, der erst seit Johann von Schwenkenfeld, dem Nachfolger Gunthers, Lektoren des Schweidnitzer Dominikanerkonvents kennt (S. 282, 320, 326f., 485f.).

[141] Er ist zweimal außerhalb unserer Verhöre bezeugt: 1) 1316 scheint er als Prior des Schweidnitzer Dominikanerkonvents eine Abmachung mit dem Schweidnitzer Pleban Johann von Schöneiche (? siehe unten Anm. 172) getroffen zu haben, die gegen eine Abfindung von 50 Mark zwei Dominkanern das Predigtrecht einräumte; dieses Schreiben ist nur durch eine unbelegte Mitteilung von K o p i e t z, Die katholische Pfarrkirche zu Schweidnitz und ihr Patronat, Zs. des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 15 (1880) S. 191 bekannt, der den Namen des Priors mit Nicolaus Craffecho angab (vgl. auch S c h u b e r t [wie Anm. 5] S. 179 mit Angabe dieser Stelle; in den Reg. Sil. fehlt das Schreiben; auch die dankenswerten Bemühungen von Dr. Kazimierz B o b o w s k i [Universität Breslau] waren vergeblich, das Schriftstück wieder aufzufinden).

2) Beim Verhör der Schweidnitzer Beginen 1332 wird er an der Spitze der dominikanischen Zeugen genannt; ed. B. U l a n o w s k i, Scr. rer. Polon. 13 (1889) S. 239 (der Name ist dort Crascho transkribiert, doch ist diese Schreibweise nach dem Original der Schweidnitzer Beginenverhöre in der Hs. Vat. Lat. 13119 in Craftho [nach dem deutschen Namen „Kraft”] zu korrigieren).

[142] Johannes von Striegau (Strzegom) wird 1315 August 22 (Reg. Sil. 3525) an der Spitze der fünf Schweidnitzer Ratmannen (consules) genannt, bekleidete also im Jahre 1314/15 das Amt des Bürgermeisters; vgl. S c h u b e r t S. 68ff. und die Tabelle S. 80, zur Stadtverfassung speziell Theodor G o e r l i t z – Paul G a n t z e r, Rechtsdenkmäler der Stadt Schweidnitz einschließlich der Magdeburger Rechtsmitteilungen und der Magdeburger und Leipziger Schöffensprüche für Schweidnitz (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Schlesien, 1. Reihe: Deutsche Rechtsdenkmäler aus Schlesien 1, 1939) hier bes. S. 4ff. Johannes von Striegau wird 1332 als bereits verstorben erwähnt; Reg. Sil. 5078b.

[143] Er dürfte identisch sein mit dem als Schweidnitzer Schöffen und Ratmann bezeugten Heinrich von Pitschen (Byczyna; Schreibweisen: Pyschin, Piczin), der von 1311 September 29 bis 1318 August 30 zu belegen ist; Reg. Sil. 3225, 3525, 3831.

[144] Nikolaus von Reichenbach (Dzierżoniów) ist 1308 und 1311 als Schweidnitzer Ratmann bezeugt (Reg. Sil. 2988, 3225) und wird 1320 August 22 als verstorben bezeichnet (Reg. Sil. 4064); über ein früheres Besitztum von ihm wird noch 1325 verfügt (Reg. Sil. 4409).

[145] Er begegnet 1301 als Schweidnitzer Bürger (Reg. Sil. 2661), 1308 und 1311 als Ratmann (Reg. Sil. 2988, 3225) und wird letztmals 1330 erwähnt (Reg. Sil. 4901a). „Schüttewürfel” ist ein Spieler-Übername; vgl. Karlmann B r e c h e n m a c h e r, Etymologisches Wörterbuch der Deutschen Familiennamen 2 (21957) S. 575; Adolf B a c h m a n n , Deutschen Namenkunde 1, 1 (1952) S. 289.

[146] Die Familie de Amore ist in Schweidnitz wiederholt bezeugt (vgl. Reg. Sil. 2988, 2992, 3814, 3831, 4901b). Nikolaus begegnet nur einmal, 1318 Juli 1, gleichsam als Anhängsel seiner Frau Kunigunde, der früheren Witwe des Schweidnitzer Bürgers Konrad Russewyn (Reg. Sil. 3814).

[147] Engilmar gehört zum Verwandtenkreis Sybothos (siehe unten, dazu oben S. 159f. mit Anm. 102 und 103). Er ist außerhalb unseres Verhörsmaterials nicht bezeugt.

[148] Die Zahl 72 bezieht sich auf das Aussendungsgebot Christi an die Apostelschüler, Luc. 10, 1-16. Wie wenig real die Zahl ist, zeigt der Widerspruch zur Apostelzahl der confessores, oben S. 164, die dennoch beide dasselbe besagen: Soweit ein „harter Kern” dahintersteckt, beziehen sich diese Angaben spirituell auf das biblische Vorbild der Waldenserprediger, und soweit sie als wirklichkeitsgetreu gemeint waren, sind sie als ein bloßer Topos der Ketzerliteratur zu bewerten, wie man ihn bei Augustin, Ekbert von Schönau und beim Passauer Anonymus finden konnte; vgl. oben S. 150 mit Anm. 56 und 57 und S. 164 Anm. 123. Selbst die Formulierung qui circuunt mundum ist für diesen Zusammenhang nicht ohne Parallelen; vgl. oben Anm. 123 das Zitat aus dem Kremser Inquisitionsbericht.

[149] Vgl. oben S. 164 mit Anm. 124.

[150] Vgl. Apoc. 20, 1-3; siehe unten S. 173.

[151] Siehe oben S. 164f. mit Anm. 125 und 126.

[152] Vgl. oben S. 167 mit Anm. 137.

[153] Dies wird anderswo (Brandenburg, Österreich, Eichstätt) ausgebaut zu paradiesischen Jenseitsfahrten; vgl. die Belege bei K u r z e, Ketzergeschichte S. 82f.

[154] Siehe auch unten S. 171. Das Abwaschen der sakramentalen Flüssigkeiten Wasser (bei der Taufe) und Öl (vor allem als Viatikum) wird auch von den „luciferianischen” Brandenburger Waldensern behauptet; vgl. K u r z e, Quellen S. 88, 91, siehe auch den Bußkeller-Bericht, ed. D ö l l i n g e r, Sektengeschichte 2, 341. Daß die Waldenser den sakramentalen Charakter der Kindertaufe leugneten (mit der Konsequenz gelegentlicher Wiedertaufe), ist im übrigen gut bezeugt; vgl. für Österreich den Passauer Anonymus, ed. P a t s c h o v s k y – S e l g e (wie Anm. 135) S. 81, Kremser Inquisitionsbericht, ed. W a t t e n b a c h, MGH SS 9, 826, ed. N i c k s o n S. 305; für Böhmen (um 1315) vgl. P a t s c h o v s k y, Anfänge S. 86 Z. 39. Siehe auch für Brandenburg K u r z e, Quellen S. 88. Vgl. im übrigen G o n n e t – M o l ná r (wie Anm. 9) S. 434ff., für die Frühzeit S e l g e (wie Anm. 83) Bd. 1, S. 158f., 163ff.

[155] Siehe oben S. 163f. mit Anm. 122.

[156] Die Nichtbeachtung von Sonn- und Feiertagen ist für Waldenser gut bezeugt. Es genüge hier der Hinweis auf den Waldensertraktat des Passauer Anonymus, ed. P a t s c h o v s k y – S e l g e S. 93f., und den Kremser Inquisitionsbericht, ed. W a t t e n b a c h, MGH SS 9, 827, ed. N i c k s o n S. 307.

[157] Siehe oben S. 145 mit Anm. 35.

[158] Die Bedeutung dieser Aussage ist mir höchst unklar. Bekanntlich hatten die Waldenser keine zentrale Organisation, nicht einmal eine wirklich durchgebildete hierarchische Struktur (trotz mancher Ansätze); vgl. zu diesem immer noch ungenügend untersuchten Problem G o n n e t – M o l n á r (wie Anm. 9) S. 191ff., speziell G o n n e t, Nature et limites de l’épiscopat vaudois au Moyen Age, Communio Viatorum 2 (1959) S. 311-323. Zu denken wäre daher hier allenfalls an vier Waldenserprediger, die den rectores secte Waldensium vergleichbar wären, von denen man 1391 Listen zusammenstellte (sie sind vielfach überliefert und – meist unbefriedigend – abgedruckt worden; vgl. am einfachsten dazu K u r z e, Ketzergeschichte S. 79f. mit einer eigenen Edition S. 94 [zu dieser freilich meine Rezension DA 25, 1969, S. 291f.]).

[159] Siehe auch unten S. 175; contrahere nullum casum wird man als das Vermeiden jedes rechtsförmlichen Geschäfsverkehrs zu deuten haben. Diese Tendenz zur gesellschaftlichen Abschließung ist nicht so sehr ein speziell waldensisches als vielmehr ein in der Natur der Sektenbildung liegendes sozialgeschichtliches Phänomen, vorzüglich beobachtet bei den von Jacques Fournier, dem späteren Benedikt XII., 1318-1325 verhörten Katharern im südfranzösischen Dorf Montaillou von Emmanuel L e R o y L a d u r i e, Montaillou, village occitan de 1294 à 1324 (1975) S. 263ff.

[160] Diese Selbstbezeichnung ist auch bezeugt im Kremser Inquisitionsbericht, ed. W a t t e n b a c h, MGH SS 9, 827, ed. N i c k s o n S. 307: Item nostros presbiteros Romaniolos, suos vero Israeliticos (Israelitos Nickson) appellabant.

[161] Siehe oben S. 170 mit Anm. 154.

[162] Vgl. dazu oben S. 146 mit Anm. 40-42. Daß die verschiedenen Ketzer füreinander keine Sympathie hegten und einander bekämpften, dürfte ebensosehr der Wahrheit entsprochen haben wie es ein ungeprüft weitergereichter Topos der Ketzerliteratur war; vgl. G r u n d m a n n, Typus (wie Anm. 50) S. 320f. Dazu auch Pseudo-Petrus von Pillichsdorf (vermutlich Petrus Zwicker) in seinem Waldensertraktat, ed. Jacob G r e t s e r, in: Lucae Tudensis episcopi scriptores aliquot succedanei contra sectam Waldensium (Ingolstadii 1613) S. 231: Non sic haeretici, quorum quidam alios reprobant et condemnant, sicut Waldenses reprobant, imo nauseant Runcaros et Beghardos et Luciferianos et alios diversos. Den Hinweis auf Runkarier dürfte der Verfasser dieses Traktats der Literatur entnommen habe, denn Runkarier gab es Ende des 14. Jahrhunderts nicht mehr.

[163] Die strikte Beachtung des biblischen Tötungsverbots und dessen Anwendung auch auf die im Mittelalter allgemein übliche Todesstrafe gehört zu den bekanntesten Glaubenssätzen der Waldenser schon aus der Frühzeit der Bewegung; vgl. S e l g e (wie Anm. 83) S. 155ff. Für die spätere Zeit mag der Hinweis auf den Waldensertraktat der Passauer Anonymus genügen, ed. P a t s c h o v s k y – S e l g e (wie Anm. 135) S. 81, 103.

[164] Vgl. zu ihm oben S. 142 mit Anm. 19.

[165] Weder er noch seine Frau sind zu identifzieren.

[166] Daß Ketzer sich in Kellerräumen versammelten, ist gut bezeugt und nur zu verständlich, ist aber auch sehr früh schon topischer Bestandteil des Ketzerbildes geworden mitsamt den damit verbundenen Begleiterscheinungen des Teufelskultes und der sexuellen (möglichst widernatürlichen) Unzucht. Vgl. hier außer den oben S. 165 Anm. 127 gegebenen Beispielen für die angeblich luciferianischen Brandenburger Waldenser K u r z e, Quellen S. 88, 91, dazu den Bußkeller-Bericht, ed. D ö l l i n g e r, Sektengeschichte 2, 341 (vgl. dazu K u r z e, Ketzergeschichte S. 63ff. mit einer freilich etwas mißglückten Etymologie Bußkeller = Kußkeller [gleichsam von „Bussel”]; dagegen H. H e i m p e l, Zwei Wormser Inquisitionen aus den Jahren 1421 und 1422, Abh. Göttingen 3. Folge 73 [1969] S. 80). Ebenso der Kremser Inquisitionsbericht, ed. W a t t en b a ch, MGH SS 9, 827, ed. N i c k s o n S. 307 mit der kryptischen Antwort der Gisela auf die Frage des Richters, ob sie Jungfrau sei: Super terra virgo sum, sub terra vero non. Dazu der Bericht Johanns von Viktring, Liber certarum historiarum V 6, ed. F. S c h n e i d e r, MGH SS rer. Germ. (1910) 2, 129f. über den demonialis sacerdos Walther in Köln 1328 und ebd. über Ketzer in Österreich und Böhmen. Ähnliches auch bei Johann von Winterthur, Chronik, ed. C. B r u n – F. B a e t h g e n, MGH SS N.S. 3 (1924) S. 116 (Köln), 144f. (Österreich). Wie sorgfältig man nach Kellern und unterirdischen Räumen forschte, belegen böhmische Verhörsprotokolle der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, vgl. P a t s c h o v s k y, Quellen S. 45 mit Anm. 118 und 234 mit Anm. 209.

[167] Welches Gebet damit konkret gemeint ist, weiß ich nicht.

[168] Weder Hertlin noch seine Frau sind außerhalb unseres Verhörsmaterials bezeugt. Auch der Herkunftsname ist nicht zu identifizieren. Dahinter könnte sich das bei Schweidnitz gelegene Gräditz (Grodziszcze) verbergen, eher aber wohl einer der bei H. O e s t e r l e y, Historisch-geographisches Wörterbuch des deutschen Mittelalters (1883) s.v. Graetz angeführten Orte (S. 226).

[169] Siegfried von Gerlachsheim (Czepielowice, bei Brieg/Brzeg), Gefolgsmann der Schweidnitzer Herzöge Bernhard (†1326), Heinrich I. (von Jauer, †1346) und Bolko II. (von Münsterberg, †1341), ist von 1310 März 29 (Reg. Sil. 3134) bis 1324 Februar 1 (Reg. Sil. 4318) bezeugt (vgl. auch Reg. Sil. 3162, 3239, 3322, 3416, 3477, 3506, 4409).

[170] Das Bild ketzerischer Falschheit. Es ist biblisch vorgeprägt (vgl. Ps. 61, 5: Ore suo benedicebant et corde suo maledicebant), der Bezug auf Ketzer begegnet früh; vgl. die Manifestatio haeresis Albigensium et Lugdunensium aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts, ed. A. D o n d a i n e, Arch. Fratr. Praed. 29 (1959) S. 271 Z. 110. Das Gegensatzpaar Herz-Mund wird besonders im Bereich der Bußgesetzgebung formelhaft verwendet; Beispiele bei P a t s c h o v s k y, Quellen S. 263 mit Anm. 316 und im Register s.v. cor bzw. os.

[171] Vgl. Apoc. 20, 1-3; siehe oben S. 170.

[172] Kilian von Haugwitz ist bezeugt von 1305 Juli 12 (Reg. Sil. 2853) bis 1328 Dezember 6 (Reg. Sil. 4777); am 8. März 1329 wird bereits sein Tod vermeldet (Reg. Sil. 4815), so daß er dem Heinrichauer Nekrolog zufolge am 30. Januar dieses Jahres gestorben sein muß; vgl. Heinrich G r ü g e r, Der Nekrolog des Klosters Heinrichau (ca. 1280-1550), Archiv für schlesische Kirchengeschichte 32 (1974) S. 59f. mit Anm. 68 (dort freilich falsche Lebensdaten). Zu dem bekannten, aus Meißen stammenden Geschlecht vgl. Eberhard Graf H a u g wi t z, Die Geschichte der Familie von Haugwitz, 2 Bde. (1910), hier bes. Bd. 1, 17ff.; vgl. auch den Artikel in der NDB 8 (1969) S. 92ff.

[173] Der Weihbischof Paul von Banz, siehe oben S. 172.

[174] Er ist entweder identisch mit Johann von Brünn oder mit Johann von Schöneiche (Proszków, bei Neumarkt/Sroda Slaska), zwischen denen in dem hier in Frage stehenden Zeitraum die Schweidnitzer Pfarre gewechselt haben muß. Magister Johann von Brünn war bischöflich Breslauer Notar und Kaplan sowie Kanoniker von Oppeln und begegnet urkundlich seit 1307 Juli 6 (Reg. Sil. 2943; vgl. auch 2951, 2964, 2992, 3045, 3080, 3103, 3108, 3109, 3191, 3346); als Pfarrer von Schweidnitz ist er 1314 November 11 bezeugt (Reg. Sil. 3439), seinem gleichzeitig letzten Lebenszeichen. Die vor diesem Zeitpunkt liegenden Nennungen eines Johann, Pfarrer von Schweidnitz, wird man daher wohl ohne Bedenken auf ihn beziehen dürfen (Reg. Sil. 2766 [1303 Okt. 15], 2831 [1305 März 16], 2988 [1308 Febr. 10], 3250 [1312 Jan. 20]).

Johann von Schöneiche, der in den Jahren 1316/17 gleichfalls den Magistertitel führte (vgl. Reg. Sil. 3640, 3684, 3704) und sich nach seiner ersten Pfarre nannte (vgl. Reg. Sil. 3234 von 1311 November 9), begegnet urkundlich seit 1311 November 4, zunächst als Kaplan (Reg. Sil. 3232), Notar (Reg. Sil. 3372 von 1313 Sept. 28), dann Protonotar (seit 1315 Nov. 30; Reg. Sil. 3537) Herzog Heinrichs VI. von Breslau(-Schlesien) (1294-1333), seit 1318 Dezember 26 (Reg. Sil. 3873) auch als Pfarrer von Schweidnitz. In diesen beiden Funktionen, als herzoglicher Protonotar und Schweidnitzer Pfarrer, ist er wiederholt bis 1321 Mai 13 anzutreffen (Reg. Sil. 3983, 3984, 4103, 4117). 1323 Mai 31 (Reg. Sil. 4268) wird er nochmals als herzoglicher Kaplan, 1325 April 2 (Reg. Sil. 4417) als herzoglicher Protonotar bezeichnet; letzteres Datum (vielleicht auch das erstere, beide sind nur kopial überliefert) ist zweifelhaft, denn als herzoglicher Protonotar begegnet seit 1322 Juni 13 (Reg. Sil. 4224) Otto von Dohna (aus dem Geschlecht der Lausitzer Burggrafen von Dohna), der Johann von Schöneiche auch als Pfarrer von Schweidnitz beerbt hat (erstmals in dieser Funktion bezeugt 1329 März 10 [Reg. Sil. 4816]).

Zwischen dem letzten gesicherten Auftreten Johanns von Brünn (1314 Nov. 11) und der ersten gesicherten Erwähnung Johanns von Schöneiche (1318 Dez. 26) als Inhaber der Schweidnitzer Pfarre liegt ein Zeitraum von fast genau vier Jahren. Für die Zwischenzeit sind zwei Urkunden erhalten, die einen Schweidnitzer Pfarrer namens Johannes, leider ohne Beinamen, nennen: in der Urkunde von 1318 Juli 1 (Reg. Sil. 3812) wird er zusätzlich als herzoglicher Protonotar bezeichnet, dürfte also ohne Zweifel mit Johann von Schöneiche gleichzusetzen sein. Im Diplom von 1316 August 2 (Reg. Sil. 3595) tritt zu Name und Funktion nur noch der Magistertitel, den Johann von Brünn wie Johann von Schöneiche getragen haben. Daß Johann von Schöneiche gemeint war, scheint ein 1316 geschlossenes Abkommen zwischen dem Schweidnitzer Pfarrer und dem Dominikanerprior Kraft (Crafto) zu bezeugen, das leider nur in der unbelegten und daher ungesicherten Mitteilung eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts bekannt ist (siehe oben Anm. 141); dieser gibt den Namen des Schweidnitzer Pfarrers mit „Johannes Schöneich” an, doch könnte diese Identifikation bloße Mutmaßung gewesen sein. Doch selbst wenn sie zuträfe, ließe sich keine Sicherheit über die Identität des oben im Text genannten Inhabers der Schweidnitzer Pfarre Mitte des Jahres 1315 gewinnen, so daß diese Frage offenbleiben muß.

[175] Peterwitz (Pietrowice); es gibt eine Reihe schlesischer Orte dieses Namens, darunter auch im Kreise Schweidnitz. Weder der Mann noch seine Witwe sind zu identifizieren.

[176] Sie ist außerhalb unseres Verhörsmaterials nicht bezeugt. Zur Namensform siehe oben S. 160 mit Anm. 106.

[177] Siehe oben S. 166 mit Anm. 131.

[178] Zur Sache vgl. oben S. 171 mit Anm. 159. Die Bezeichnung alienigena (bzw. alienus, fremder, unbekanter) für den Anhänger der Römischen Kirche im Gegensatz zum waldensischen notus (kunder, erkanter) ist für die deutschen Waldenser sehr oft bezeugt; Beispiele bei G o n n e t – M o l n á r (wie Anm. 9) S. 187f. mit Anm. 287. Dazu P a t s c h o v s k y, Quellen S. 25 mit Anm. 38, 204 Z. 11, 209 Z. 1; Wattenbach, SB Berlin 1887, 2 S. 519 (erkantenvnbekanten; Eichstätt); D ö l l i n g e r, Sektengeschichte 2, 363 (notiignoti/alieni; Augsburg 1393) und 701 (kundenfremden/unkunden; historisch unbestimmt aus Hs. Karlsruhe 349). Vgl. auch oben S. 171 mit Anm. 160 zur Selbstbezeichnung Israhelites.

[179] Aller Wahscheinlichkeit nach identisch mit dem oben S. 167 in ähnlichem Zusammenhang genannten Franziskanerkustoden Konrad de Wimia; vgl. ebd. Anm. 139

[180] Siehe zu ihm oben S. 168 mit Anm. 140.

[181] Vielleicht identisch mit dem 1318 August 30 (Reg. Sil. 3831) genannten Schweidnitzer Bürger Johannes pulcher institor.

[182] Weder Hermann von Stettin noch seine Frau Sophia sind außerhalb unseres Verhörsmaterials bezeugt. Zu ihrem Verwandtenkreis siehe oben S. 160 mit Anm. 102 und 103.

[183] Die Fastenzeit erstreckte sich im Jahre 1315 vom 5. Februar (Aschermittwoch) bis zum 20. März (Gründonnerstag).

[184] Zu dieser bei den Brandenburger Waldensern gut belegten Bußform siehe oben S. 145 mit Anm. 36.



[a] que Hs.

[b] aureos Hs.

[c] quid (gekürzt) diu Hs.

[d] refersurum Hs.

[e] ad Hs.

[f] Lodwicos Hs.

[g] tandem Hs.

[h] folgt durchstrichen quod tanta loquimur ante XXXa annos Hs.; vgl. die folgende Zeile.

[i] que Hs.

[j] wohl dem Text der folgenden Zeile entsprechend pro zu ergänzen.

[k] penitenciam Hs.

[l] maior Hs.

[m] me Hs.; vermutlich schimmert hier die Form eines in wörtlicher Rede wiedergegebenen Berichts über ein Gespräch zwischen Hermann von Kynsburg und Sybotho durch.

[n] instituunt Hs.; vgl. den Schluß des Satzes.

[o] zu ergänzen fidei; vestram Hs.

[p] propinqua Hs.

[q] episcopos Hs.

[r] eher zu lesen: eb(ri)us, was in diesem Zusammenhang keinen Sinn ergibt, zudem andere Emendationen erfordern würde.

[s] Gunthere Hs.

[t] predictorum Hs.

[u] ebensogut ließe sich Strigonia lesen.

[v] so Hs. für circueunt.

[w] scolam Hs.

[x] ergänze baptismi.

[y] vestrum Hs.

[z] quam Hs.

[aa] vestri Hs.

[bb] folgt durchstrichen viderunt d Hs.

[cc] contrahit Hs.

[dd] so Hs.; geläufiger wäre Israhelitas

[ee] fehlt Hs.; siehe unten S. 176 den Einleitungssatz von Nr. 5.

[ff] Ciberand mit Kürzungsstrich Hs.

[gg] „selbviert”; Beispiele für proklitischen Gebrauch von met vgl. bei Patschovsky, Quellen S. 178 Z. 21, 191 Z. 13.

[hh] addit Hs.

[ii] tmm(od)o Hs.

[jj] korrigiert aus tacitas Hs.

[kk] cremati fuisse(nt) Hs.

[ll] hec Hs.

[mm] fehlt Hs.

[nn] fasse Hs.

[oo] confessa Hs.

[pp] doppelt Hs.

[qq] t(ame)n Hs.

[rr] so Hs.; vielleicht für convenimus oder vocamus; der Sinn des ganzen Satzes ist mir dunkel.

[ss] Conrade Hs.

[tt] fehlt Hs.; vgl. oben S. 168 bei Anm. 140.

[uu] folgt relicti Hs.

[vv] conserva Hs.

[ww] oms Hs.