XV. Der Ketzer
als Teufelsdiener
„Wer Eintritt in die ‚Ketzer’-Sekte begehrt, der küßt zuerst die
Altäre aller Heiligen dreimal mit den Arschbacken und widersagt dabei den
kirchlichen Sakramenten. Hat er dann das Haus des Ketzermeisters betreten, wird
ihm befohlen zu küssen, was immer ihm als erstes über den Weg läuft, wenn er
das Haus verläßt. Und sogleich begegnet ihm ein schrecklich großer schwarzer
Mann mit fahlem Antlitz; den küßt er und geht weiter. Dann begegnet ihm eine
riesige Kröte, fett wie ein Suppentopf, mit weit aufgerissenem Maul; die küßt
er ebenso. Auf diese Weise Sekten-Mitglied geworden, kehrt er in das Haus
seines Meisters zurück. Wollen sie nun den Sekten-Ritus ausüben, begeben sie
sich heimlich hinab in ihre Höhle bzw. in ihr Kellerloch. Dort entblößt ihr
Bischof oder Meister als erster von allen seine Arschbacken und klemmt einen
silbernen Löffel dazwischen; hat er dann sein Geschäft darauf verrichtet,
küssen ihm alle das Hinterteil und erweisen ihm Verehrung. Hernach stehen oder
sitzen sie rund um eine Säule. Plötzlich kommt ein riesiger Kater und erklimmt
die Säule bis zu der Leuchte, die da befestigt ist. Dort hängt er eine Weile
und krümmt dann seinen Schwanz bis zum Rücken. Und alle treten heran und küssen
ihm das Hinterteil. Ist das geschehen, löscht der Kater das Licht, und sogleich
treiben sie Unzucht miteinander, Mann mit Mann und Frau mit Frau. Auf diese
Weise ‚vollzieht sich das Mysterium des Bösen’“[1].
Der Ketzer als Teufelsdiener! So wie ihn
Konrad von Marburg hier um 1231/2 schilderte, so sah ihn seine Zeit: wohl schon
um einiges vor Konrad, sicher dann nach ihm. Ob in der Exempla-Sammlung Caesars
von Heisterbach oder in den Gedichten des Stricker - beides Zeitgenossen
Konrads -, ob in den Luciferianer-Schilderungen Schlesiens und der Mark
Brandenburg im 14. Jh., aber auch schon in den Berichten über die 1022
verbrannten Ketzer von Orléans - das Tableau ist stets dasselbe: Abschwören des
Geheiligten, Eintauchen in die Sphäre des Dämonischen in einem geeigneten
Initiationsritus, Satansmesse. Die Akzidentien variieren, die Substanz bleibt
stets dieselbe: Schwarzer Mann, schönes Mädchen als Dämonen in Verkleidung;
Kröte, Frosch, Hahn, Eidechse u.a. als Höllenbrut; der Teufel als riesengroßer
Kater, manchmal aber auch in großer Glorie und Majestät; die kultische
Verehrung Satans geschieht durch obszöne Küsse oder auch durch Schlachtung
eines Kindes, Verbrennen seines Fleisches, Zerstoßung von dessen Asche und (318)
deren Verspeisung durch die Teilnehmer an der Zeremonie. Zum Schluß widernatürliche
Unzucht, das heißt Geschlechtsverkehr von Mann mit Mann, Frau mit Frau, oder
auch Vater mit Tochter, Mutter mit Sohn, Pate mit Patenkind; und das alles
geschieht an finsterem Ort, der das Tageslicht scheut: in unterirdischen Höhlen
oder in Kellern.
In summa: Konstruiert nach dem Prinzip der
verkehrten Welt, wird für die spirituelle Existenz des Ketzers ein Szenarium
entworfen, das ihn in allem als das exakte Gegenbild des wahren Christen
erscheinen läßt. Woran nahm man da Maß? Welche Wirkung hatte das auf das
Ketzerbild des Mittelalters, auf die Ketzer-Quellen dieser Zeit, auf die
Ketzer-Darstellungen der Moderne? Welche Verbindung gibt es schließlich
zwischen dem dämonisierten Ketzer und dem verketzerten Dämon, sprich: der Hexe
oder dem Hexer? Zu all diesen Fragen sollen die folgenden Ausführungen nichts
Abschließendes, aber vielleicht Anregendes bieten.
I.
Beginnen wir mit den Vorbildern, nach denen das satanische
Ketzerbild modelliert wurde! Eine Frage, die - will man es genau wissen - leichter
gestellt als beantwortet ist. Man könnte meinen, da habe die antichristliche
Polemik gegen die frühe Kirche Pate gestanden, wie sie uns als apologetischer
Reflex etwa bei Justinus Martyr, bei Tertullian und besonders detailreich bei
Minucius Felix in seiner Erwiderung auf die Polemik des Heiden Caecilius
entgegentritt: Auch dort ist von Kindermord, von Blutritual, von Blutschande
die Rede[2];
nur ist das alles nicht auf Ketzer, Juden oder Heiden, sondern auf die mit
solcherart Vorwürfen konfrontierten frühen Christen bezogen. Man müßte also
annehmen, wollte man die widernatürlichen Züge des Ketzer-Klischees aus der
apologetischen frühchristlichen Literatur herleiten, daß eine spätere Zeit
kurzerhand nur die Objekte und die Vorzeichen vertauschte, also aus zu Unrecht
verleumdeten Christen zu Recht beschuldigte Ketzer machte. Das ist indessen
sehr wenig wahrscheinlich, denn ganz abgesehen davon, daß man die genannten
Autoren im lateinischen Mittelalter kaum oder gar nicht gelesen hat[3],
wäre Belehrung auch und bisweilen leichter aus genuiner christlicher Polemik
gegen Andersdenkende zu gewinnen gewesen. So wußten die vielverbreiteten
Ketzerkataloge Augustins und Isidors von Sevilla bei aller Knappheit genügend
Anstößiges von den Gegenständen ihres Interesses zu berichten[4].
Namentlich die den Christen so (319) verwandten und als Rivalen
gefürchteten Gnostiker wurden bisweilen von der frühchristlichen Polemik in
einer Weise verunglimpft, wie sie der heidnischen antichristlichen Polemik alle
Ehre gemacht hätte. Der unter dem Namen Panarion bekannte Ketzerkatalog des
Epiphanios von Salamis (+ 403) z.B. weiß von ihnen die abstoßendsten
Scheußlichkeiten zu berichten[5]:
Freie Liebe natürlich, üppige Mähler mit anschließender Orgie, eingeleitet mit
der heuchlerischen Aufforderung: „Komm, leiste Deinem Bruder den Liebesdienst
(Agape!)“! Doch damit nicht genug, wagt sich der Autor auch ins noch
unappetitlichere Detail: Denn nach beendetem Geschlechtsakt wird der dabei
verspritzte männliche Samen von Männlein wie Weiblein gleichermaßen mit den
Händen aufgefangen und mit zum Himmel verdrehten Augen dem Vater aller Dinge
dargebracht, begleitet von den Worten: ‚Wir bringen dir dies Geschenk als den
Leib Christi!’ Sie essen davon und sagen: ‚Dies ist der Leib Christi und das Passahmahl.’
Das gleiche geschieht mit Menstruationsblut, von dem sie sagen: ‚Das ist das
Blut Christi’! Kinderkriegen ist bei dieser Betätigung an sich nicht
vorgesehen, kommt dergleichen aber doch einmal zustande, so wird abgetrieben,
der Foetus - entfernt vergleichbar einer spätmittelalterlichen Hostienmühle -
kleingehackt, gepfeffert und gewürzt und schließlich gemeinsam verspeist. So
gerüstet schreitet man zum Gottesdienst.
Daß diesem Bericht das Prinzip der
verkehrten christlichen liturgischen Welt zugrunde liegt, ist evident. Wie
verbreitet diese und ähnliche Nachrichten waren, ist schwer auszumachen;
zumindest die eben gebrachte Schilderung ist im lateinischen Bereich in derart
detaillierter Form nicht rezipiert worden[6].
Und dennoch: der letztere Punkt, die Verarbeitung eines bei solch ritueller
Unzucht gezeugten Kindes zu kultischer Speise, findet sich auch bei einem der
ersten Berichte über eine originär mittelalterliche Häresie, aufgezeichnet
angeblich nach dem Augenzeugenbericht eines mit dem normannischen
Fürstengeschlecht verwandten Mannes namens Arefast, später Mönch des Klosters
St-Père-en-Vallée in Chartres. Dieser Mann rühmt sich, (320) durch sein
Zutun eine damals ganz Frankreich in Aufregung versetzt habende Häresie hoher
Kleriker und Stadtbürger in Orléans aufgedeckt zu haben, denen König Robert der
Fromme 1022 den Prozeß machen und am Ende verbrennen ließ. In der Sache ging es
- wie die zahlreichen Berichte neben und mit Arefast erkennen lassen[7]
- um eine Häresie, deren Kern ein radikal-spiritualistisches Verständnis der
christlichen Sakramenten-Lehre bildete. Damit aber nun nicht genug, finden in
Arefasts Erzählung auch gewisse topische Elemente schwarzer Messen Erwähnung
wie Promiskuität, Infantizid und Verarbeitung zerstoßener Kinder-Asche zu
eucharistischer Speise. Zum Glück für uns gibt der Autor zu erkennen, woher er
seine Weisheit hat: more antiquorum paganorum sei das nämlich alles
geschehen[8].
Mit anderen Worten: Eine jener Retourkutschen antiheidnischer christlicher
Apologetik bildete für ihn das Muster, an dem er seine Geschichte ausrichtete,
in der Art etwa von Justinus Martyr, der auf die Greuelmärchen seiner Gegner
replizierte, sie sollten doch besser vor der eigenen Türe kehren, jedenfalls
seien solch Blut- und Mord-Rituale den Teilnehmern der Mysterien-Kulte des
Chronos und des Jupiter Latiaris wohl nicht ganz fremd - sehr im Gegensatz zu
den Christen[9].
Wie stark auf den Vorstellungskreis
okkulter Praktiken das christliche Bild des Heidentums in der Tat einwirkte,
zeigt auch unser eingangs angeführtes Beispiel: Der Satan in Kater-Gestalt
springt auf eine Säule und bietet so das pervertierte Bild einer heidnischen
Götterstatue, wie wir sie aus zahllosen spätmittelalterlichen Abbildungen
kennen[10].
Das kann nicht verwundern: Die heidnischen Götter haben sich bekanntlich unter
christlichem Blick in Dämonen verwandelt, und so werden sie, ihre Attribute und
die ihren Anhängern traditionell zugeschriebenen Kulthandlungen tauglich als
Muster zur Beschreibung der Satanswelt an sich. (321)
Welche Wege ging diese Tradition? Das ist
uns heute im einzelnen nicht mehr klar erkennbar. Wenn ich z. B. auf Justinus
Martyr verwies, dann geschah das per analogiam, aber nicht, um das Werk dieses
Kirchenvaters als tatsächliche Auskunftsstelle für mittelalterliche Dämonologen
zu benennen. Einen möglichen Strang der Tradierung der mit häretischem
Teufelskult verbundenen Greuel, Unzucht in jedweder Form und sog. thyesteischer
Kultmäler hat kürzlich Otto Gerhard Oexle bloßgelegt: das Verschwörungssyndrom[11].
Seine Spuren lassen sich in ziemlich kontinuierlicher Folge seit dem berühmten
Senatus consultum de Bacchanalibus von 186 v.Chr. verfolgen, insbesondere in
der bei Livius[12] sich
findenden Ausprägung. Dem Verschwörungssyndrom lassen sich die oben angeführten
wie alle anderen sonst noch bekannten antiken Greuelberichte[13]
über die geheimen Zusammenkünfte von Christen wie Juden und Anhängern
heidnischer Geheimkulte, über die Menschenopfer der keltischen Druiden wie das
schändlich verschwörerische Treiben Catilinas zuordnen (das von Berichtsstufe
zu Berichtsstufe in immer düstereren Farben gemalt wurde), sowie dann seit
karolingischer Zeit die ähnlich lautenden Nachrichten über bruderschaftliche
Schwureinungen wie z.B. Gilden[14].
Ein weiterer Traditionsstrang (322) der Übermittlung von
Greuelpropaganda der beschriebenen Art ist schließlich der Bereich von superstitio
und maleficium, der von antiker wie germanisch-volksrechtlicher
Gesetzgebung unter Strafe gestellt war und im Bewußtsein der Gesellschaft mit
allen Attributen der Schändlichkeit ausgestattet worden ist[15].
Auf verschiedenartigste Gruppen und Fälle angewandt, denen nur eines gemein
war: gesellschaftliche Ächtung, gab es also etwa seit der Zeitenwende einen
festgefügten Vorstellungskanon von strafwürdigem kannibalisch-lasterhaften
Verhalten, dessen Wirkursache Tacitus in die bekannten Worte über die von Nero
verfolgten Christen faßt: odio humani generis convicti sunt[16].
So deutlich sich ein gewisser Formenschatz
zur Brandmarkung gesellschaftlich geächteter Menschengruppen also namhaft
machen läßt, so unklar bleibt, welche der zahlreichen Traditionen konkret das
Modell für die Formung des Teufelskult-Klischees beim mittelalterlichen
Ketzer-Bild geliefert hat. Nicht einmal nach seiner erstmaligen Bezeugung
lassen sich seine Spuren in leidlich kohärenter Tradition verfolgen. So gibt es
zwischen Arefasts um 1078 anzusetzenden Bericht und jenem aus der Feder Konrads
von Marburg offenbar keine unmittelbare Verbindung. Denn daß Konrad Arefasts
Schilderungen mit eigenen Augen las, scheint ausgeschlossen, da dessen Bericht
- in einem Kopialbuch mit Urkunden-Überlieferungen wohlversteckt - von
Zeitgenossen wie Nachwelt wenig oder gar nicht beachtet im Kloster St-Père de
Chartres schlummerte, bis ihn im 17. Jh. der gelehrte Jean-Luc d'Achéry
erstmals einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machte[17].
Konrad von Marburg dürfte auch eine zweite
mittelalterliche Quelle für diesen Vorstellungskreis aufgrund ihrer
verschwindend geringen Verbreitung kaum zugänglich gewesen sein. Das ist die um
1115 entstandene Autobiographie Guiberts von Nogent[18].
Guibert weiß von einem Brüderpaar namens Clement und Everard von Bucy-le-Long
zu berichten, die, vom Bischof von Soissons verhört, hartnäckig leugneten, was
man ihnen vorwarf, und deren Schuld erst dann zutage trat, als sich der eine
von ihnen mit negativem Ergebnis einem Gottesurteil (Wasserprobe) zu
unterziehen hatte. Auf einer Synode sollte daraufhin entschieden werden, was
mit den Überführten geschehen sollte; das freilich wartete der fidelis
populus nicht ab, sondern schritt zur Lynchjustiz. Was nun warf man ihnen
vor? Konventikel-Bildung, geheime Treffen an abgelegenen Orten, Promiskuität,
Infantizid, ‚Euchari(323)stie’-Herstellung aus der Asche des ermordeten
Kindes und Opfermahl. Das sind praeter propter dieselben Greuelgeschichten, die
Paul von St-Père über die Häresie von Orléans verbreitete. Es ist nicht
ausgeschlossen, daß Guibert von Nogent Zugang zu diesem Material besaß und sich
daran orientierte[19];
aber sein Hinweis, daß dies alles gut zu Augustins Manichäer-Schilderungen
passe, zeigt, daß er eher Belehrung in jener Tradition suchte und fand, von der
oben die Rede war und die man auch für Paul von St-Père als Quell des Wissens
anzunehmen hat.
Nach diesen beiden rund um 1100 anzusetzenden
Zeugnissen setzen Nachrichten über den Ketzer als Teufelsdiener für gut ein
Jahrhundert bis zu Konrad von Marburg aus. Seit dem 13. Jh. wird das
Verbreitungsmuster dieser Tradition ein wenig besser überschaubar. Konrads von
Marburg Schilderung nämlich gelangte als Erfahrungsbericht über seine 1231/32
in Deutschland stattfindende Inquisition an die päpstliche Kurie, und Gregor
IX. gab den dort mitgeteilten Greueln ein - wie es scheint - weithin hallendes
Echo in seinem Zirkularschreiben „Vox in Rama“[20].
Caesarius von Heisterbach dürfte davon inspiriert worden sein[21],
die den Luciferianern gewidmeten Verse des Stricker[22]
gehen darauf vermutlich ebenfalls zurück, und schließlich scheinen auch die
Luciferianer-Nachrichten eines fälschlich David von Augsburg zugeschriebenen,
kurz nach der Mitte des 13. Jhs. entstandenen und in zahllosen Handschriften
verbreiteten Tractatus de inquisitione haereticorum davon zu zehren. Unabhängig
von diesem Zweig der Überlieferung fand ein Auszug aus Konrads
Inquisitionsmaterial Eingang in das um 1260/66 verfaßte Inquisitoren-Handbuch
des sog. Passauer Anonymus, ein Werk, das mit einem guten halben Hundert
erhaltener Handschriften im südostdeutschen Bereich relativ weit verbreitet war[23].
Die Früchte dieser geradezu propagandaförmig
ausstrahlenden klischeebildenden Tradition lassen die zeitlich nächstliegenden
Glieder in der Kette der Verbindung Ketzertum und Satanskult erkennen: In
geographisch weit auseinanderliegenden Räumen begegnen in den ersten Dezennien
des 14. Jhs. in Krems in Öster(324)reich, in Prag in Böhmen, in
Schweidnitz in Schlesien sowie in Pommern und der Mark Brandenburg, in Köln am
Rhein, aber anscheinend auch im süddeutschen Raum Ketzer, die der moderne
Historiker meist als Waldenser identifizien oder aber keiner fest umrissenen
Sektengruppierung zuordnen kann[24],
die aber in den Quellen trotz markanter Unterschiede im einzelnen alle mit dem
Vorwurf des Lucifer-Kultes bedacht wurden, wenn man sie nicht geradezu als
Luciferianer apostrophierte. Bei den Ketzern gab es eine derartige Tradition
nicht (davon wird noch zu handeln sein); vielmehr haben wir es hier mit einer
für und von Inquisitoren geschaffenen Tradition zu tun, in der die
ketzerverfolgende Kirche unter dem seit der Mitte des 13. Jhs. aufkommenden
Luciferianer-Namen das Bild einer angeblich dem Satanskulte einheitlich und
kontinuierlich frönenden Ketzersekte entwarf[25].
II.
Weshalb tat die Kirche das? Übte sie aus Diffamierungssucht
Schmähkritik? Eine solche Annahme hieße das Problem in seiner Tiefe verkennen.
Der Luciferianer-Vorwurf an die Ketzer-Adresse ist vielmehr ein Indiz für einen
fundamentalen Wandel im religiösen Weltbild der mittelalterlichen
Intellektuellen. Man könnte sagen, daß die Kirche in ihren zur Wahrung des
rechten Glaubens bestellten Vertretern bis etwa zur Mitte des 13. Jhs. die
Auseinandersetzung mit neuen religiösen Strömungen offensiv geführt hat, die
dabei gebrauchten Argumente an der Sache selbst orientiert waren. Man kann
darüber streiten, ob die dabei kirchlicherseits gezeigte Kraft zur Integration
divergierender Strömungen sonderlich groß gewesen ist, aber der Wille zum
eindringenden Verständnis des Andersgläubigen ist schon an der schieren
Tatsache ablesbar, daß man ihn zu widerlegen suchte. Das Jahrhundert von etwa
1170 bis 1270 ist jedenfalls die große Zeit der argumentativ-polemischen
Auseinandersetzung mit breite Schichten erfassenden kirchensprengenden
religiösen Erscheinungen wie etwa den Katharern und Waldensern. Danach versiegt
der Strom der polemisierenden Summen und Traktate, wird abgelöst durch die die
Glaubensgegner etikettierenden und ihre Irrtümer katalogisierenden
inquisitorischen Handbücher[26].
Das geschah nicht abrupt von einem Tag auf den anderen, auch gab es
Übergangsformen: Inquisitorische Handbücher setzen bereits seit den 1230er
Jahren (325) ein, vermengen noch in den 1260er Jahren genuine Polemik
mit katalogisierender Kompilation, um dann freilich nur noch vom gnadenlos mit
Feuer und Schwert verfolgten Glaubensgegner mitzuteilen, woran man ihn erkennen
könne, aber nicht mehr, worin er - angeblich oder wirklich - irrt.
Wer sich mit dem Gegner nicht mehr geistig
auseinandersetzt, sieht ihn nur noch durch eine Scheubrille. Wer ihm eine
Schablone überstülpt, hat nur noch Masken vor sich. Das Teufelsdiener-Klischee
ist eine solche Maske. Wer Satan dient, den muß man nicht widerlegen; aber im
Ketzer den Satansdiener zu sehen, setzt voraus, daß man aufgehört hat, mit ihm
zu streiten. Kurzum: das Luciferianer-Klischee setzt sich nicht zufällig in dem
Augenblick durch, wo die geistige Auseinandersetzung mit dem Häresie-Phänomen
einen gewissen Abschluß erreichte. Diesen Abschluß muß man aber noch präziser
bestimmen: Er betraf das Häresie-Phänomen, soweit es in Gestalt einer
vermeintlich klar faßbaren Sekte als wider-christlich benennbar und damit aus
der Kirche ausgrenzbar erschien. Vor Augen hatte man dabei Katharer und
Waldenser, später dann die radikal-mystischen ‚Freigeister’ und manche der in
ihrem und im Umfeld der verketzerten Franziskaner-Spiritualen anzutreffenden Strömungen;
selbst den Templer-Prozeß könnte man in diesen Zusammenhang einreihen. Anders
verhielt man sich bei innerkirchlicher Radikalkritik, wie etwa bei Ockham,
Wyclif und bei Hus und dessen Gefolgsleuten; da polemisierte man wieder - und
ließ den Teufelsdiener-Vorwurf in der Schublade.
III.
Daß der nach vorgegebenen Schablonen urteilende Inquisitor an die
Stelle des Maßstäbe setzenden Theologen tritt, ist aber nicht das einzige
Element, das den Weg vom Ketzer als - wenn auch hartnäckig und damit heilsverwirkend
- irrendem Bruder in Christo zum Teufelsanbeter anzeigt. Auch die iustizielle
Behandlung des Ketzers hat sich um die Mitte des 13. Jhs. grundlegend
gewandelt. Noch ein Wazo von Lüttich (1042-1048) konnte sich mit Hinweis auf
das Gleichnis Christi vom Unkraut und dem Weizen (Matth. 13, 24-30), die man
beide wachsen lassen müsse bis zur Ernte, nachdrücklich gegen Gewaltmaßnahmen
gegen Ketzer aussprechen, und dementsprechend fand Wazos Biograph Anselm von
Lüttich harsche Worte der Kritik am Verhalten Kaiser Heinrichs III. und der ihn
beratenden Geistlichkeit, die ein paar als Manichäer qualifizierte
lothringische Ketzer 1051 in Goslar hatten aufhängen lassen. Das hätte Wazos
Segen nicht gehabt, meinte sein Biograph, sondern er hätte wohl gehandelt wie
der hl. Martin, der sich nicht zu schade dafür gewesen sei, beim Kaiser sogar
für Priscillianisten ein gutes Wort einzulegen[27].
Thomas von Aquin hingegen rechtfertigte zwei Jahrhunderte später die von Kaiser
Friedrich II. eingeführte generelle Todesstrafe für Ketzer mit dem zynisch
anmutenden Argument, die Verurteilung von Ketzern setze ja gerade voraus, daß
man das Unkraut vom Weizen (326) habe unterscheiden können; es sei daher
nicht nötig, mit der Ketzerverbrennung bis zum Jüngsten Tage zu warten[28].
Man muß sich klarmachen, was dieser
Schritt bedeutete, nicht nur für die Opfer, sondern mehr noch für die Täter:
War es bis zu diesem Zeitpunkt - ungeachtet der Tatsache, daß schon vor
Friedrichs II. Gesetzgebung viele Ketzer, nicht selten in Form der Lynchjustiz,
zu Tode kamen[29] - die
allgemeine Überzeugung, daß Ketzersein kein character indelebilis war, sondern
eine bei Lebzeiten revidierbare Einstellung, so daß es die geistliche Pflicht
des Seelenhirten gewesen wäre, den Ketzer zur Umkehr zu bewegen, aber nicht,
ihn physisch zu vernichten und damit der Hölle auszuliefern, so verrät der
Denkhorizont, daß Ketzerei als ein unsühnbares Verbrechen an der Majestät
Gottes mit der Todesstrafe zu ahnden sei, eine fundamental andere Einstellung.
Natürlich führte man dafür auch das Argument ins Treffen, daß der unbußfertige
Ketzer wie ein räudiges Schaf eine Gefahr für die ganze Herde darstellte und
man sich folglich aus Fürsorge für die noch nicht Angesteckten seiner
entledigen müsse[30]. Aber das
ist nicht der entscheidende Punkt, denn diesen Zweck hätte man (und hatte man
vorher) auch mit Einkerkerung oder Exilierung erreicht, was Zeit zur Umkehr
gelassen hätte. Der kompromißlose Wille zur Ausmerzung offenbart vielmehr
anderes: Zunächst einmal markiert er jurisdiktionell den Übergang vom Buß- zum
Vindikativsystem in der Aburteilung des Häresiedelikts[31]
und damit den Wandel der Anschauung geistlicher Sünden zu profanen Verbrechen,
womit ein Moment der seit dem 12./13. Jh. allgemein feststellbaren zunehmenden
Konvergenz der geistlichen und der weltlichen Sphäre im Rechtsbereich greifbar
wird[32].
(327)
Aber ich meine, hier noch mehr erkennen zu
können. Eine Zeit, die in hartnäckig praktizierter Ketzerei einen irreversiblen
Schuld-Zustand zu sehen begann, todeswürdig selbst dann, wenn zweifelsfreie
Zeichen der Reue erkennbar wurden, offenbart einen Wandel der Einstellung vom
Ringen um den rechten christlichen Glauben als einem dynamischen Prinzip
offener Übergänge zwischen heilskonformer und heilsverwirkender Existenz zu
einem statischen Zuordnungsmuster, wo der Sündenfall ‚Häresie’ den Schuldigen
ein für allemal derart zum Teil der Welt Satans werden ließ, daß eine
Reintegration in die Welt Gottes ausgeschlossen erschien. Wer als reus
maiestatis Dei verurteilt und auf dem Scheiterhaufen wie Unkraut verbrannt
wurde, das der Böse Feind gesät hatte, an dessen Schicksal wurde nach dieser
Denkweise nur offenbar, was längst verborgene Wirklichkeit gewesen war. Es
vollzog sich lediglich - um Konrads von
Marburg Worte zu gebrauchen – ‚das Mysterium des Bösen’, dem sich der Ketzer
mit dem Übergang von der Welt Gottes zu jener Satans längst anheimgegeben
hatte. Im Bewußtsein der Zeitgenossen korrespondierte die Einstufung der
Ketzerei als eines todeswürdigen Verbrechens also aufs engste mit deren
Definition als Teufelsdienst.
IV.
Wie wenig es da im einzelnen um Tatsachenschilderung ging, sondern
um typologisierende Charakterisierung, belegen einige Momente des angeblichen
Lucifer-Kultes seit dem 14. Jh. Konnte man sich vorher gar nicht genug damit
tun, die Teufelssphäre mit Attributen wie Kot, Obszönitäten, häßlichen Tieren
und perversen Handlungen als recht widerwärtig erscheinen zu lassen, so
befinden sich Gottes- und Satanswelt bisweilen nun mit gleichen Waffen in einer
echten Konkurrenzsituation. Die angeblich teufelsgläubigen Schweidnitzer
Waldenser von 1315 zum Beispiel tauchten jedenfalls die Zusammenkünfte ihrer
Sektenführer - 12 an der Zahl wie Christi Jüngerschar oder 72 wie die
Apostelschüler - in ein recht rosiges Licht: Erscheint nämlich ‚ihr Gott’ in
ihrer Mitte, so „kommt es ihnen vor, als sei dann alles golden, und es
erscheinen ihnen der Himmel und ein goldener Thron und Lucifer in großer
Erhabenheit, umschwebt von Engeln, und solange sie dort Lucifer verehren,
empfinden sie nicht Hunger noch Durst“; das ist schon ein etwas gefälligeres
Tableau als der Höllenrachen der Endgerichtsdarstellungen mit seiner bizarren
Dämonenwelt. Ein wenig bekommen neben den Sektenführern auch die einfachen
Gläubigen von der Glorie (und nicht dem Kot!) Lucifers mit: Seien sie mittels
Beichte ihrer Sünden entsühnt, würden sie „auf eine schöne Wiese geführt, wo
sie das Paradies sähen und ihren Gott in großer Herrlichkeit“[33].
Geradezu verlockend klingt das, und darüber braucht man sich nicht zu wundern, denn
die Szene von Lucifers Herrlichkeit ist bis in den Wortlaut hinein nach der
Schilderung von Gottes Herrlichkeit in der Apokalypse (7, bes. vv. 11, 15-16)
modelliert, und das Paradies sucht man ja nun auch nicht gerade in der Hölle.
Dort wollen diese Luciferianer auch keineswegs am Ende der Zeiten versammelt
sein, sondern sie planen analog zum (328) mythischen Kampf Lucifers mit
Michael einen Aufstieg in den Himmel, wo dann sie es mit ihrem Gotte schön
haben sollen im Gegensatz zu den Kirchenchristen mit ihrem Matador Jesus
Christus.
Ich will nicht ausschließen, daß diese
Einzelheit im Luciferianer-Bild letztlich als ein Reflex auf eine authentische
Ketzer-Lehre zu beurteilen ist, nämlich auf das von Origenes entwickelte
Konzept der Apokatastasis, der ‚Wiederherstellung aller Dinge’[34],
demzufolge selbst Satan einmal Erlösung finden werde. Im Niederrheingebiet
wirkende Katharer des frühen 13. Jhs. scheinen diese Lehre tatsächlich
verkündet zu haben. Den Schweidnitzer Waldensern im 14. Jh. war sie ganz sicherlich
fremd. Und so entlarvt sich die ihnen in den Mund gelegte Schilderung von
Lucifers Glorie erneut als das simple Klischee von der verkehrten Welt, wo
alles, was - weil ketzerisch - nicht Gottes sein kann, eo ipso Teufelswelt sein
müsse. Orientierungsmuster für dieses Klischee - gleichgültig ob zum Perversen
oder zum Gloriosen hin - ist stets die Welt Christi, sind damit die
Lebensformen wahrer christlich-kirchlicher Existenz. Ketzersein ist folglich
seinem Wesen nach rein anti-christliche Existenz, ist in keinem Punkte
schöpferisch, sondern bloß negierendes Prinzip; so lehrte und lernte man es -
und nach diesem Grundsatz malte man sich die Welt des einzelnen Ketzers aus,
völlig unabhängig von dem, was er tatsächlich dachte, glaubte, lehrte - und,
peinlich befragt, verriet.
V.
Ist es aber so, daß man kraft Weltzuordnung zu wissen meinte, daß
ein Ketzer Teufelsdiener war und also Teufelskult betrieb, dann mußte man
irgendwann einmal die Teufelsdiener im engeren Sinne, sprich: Hexen und Hexer,
mit Ketzern ineinssetzen; dergestalt daß Ketzereien wie Waldensertum,
Katharismus u.a.m. als besondere Spielarten eines allgemeinen
teufelsdienerischen Grundprinzips erschienen oder umgekehrt vermeintliches
Teufelsdienertum als Katharismus oder als Waldensertum, d.h. als Ketzerei
schlechthin galt. Mit Papst Innocenz' VIII. Bulle „Summis desiderantes
affectibus“ vom 5. Dez. 1484 sowie des
Heinrich Institoris ‚Hexenhammer’ (Erstdruck 1487) ist diese Konvergenz
der Sphären manifest geworden[35].
Das in mehr als zwei Jahrhunderten perfektionierte Instrumentarium der
Ketzergesetzgebung fand seither volle Anwendung auf das Hexereidelikt, ja
dieses selbst galt nunmehr rechtlich als Sonderform des Ketzerei-Verbrechens.
Man hat dieses Phänomen bisweilen so
gedeutet, daß die arbeitslos zu werden drohende Ketzer-Inquisition, vielleicht
gar unter dem Druck einer krisenhaft ge(329)stimmten und partout nach
Sündenböcken Ausschau haltenden Öffentlichkeit, ein neues Betätigungsfeld
suchte und in den hexerischen Ketzern bzw. ketzerischen Hexern glücklich fand[36].
Ich halte diese Interpretation für verfehlt. Denn ganz davon abgesehen, daß die
Ketzerinquisition im engeren Sinn nie unter Legitimierungsschwierigkeiten litt
und schwerlich als das Sprachrohr einer breiteren Öffentlichkeit gelten kann,
übersieht diese Interpretation vollkommen den allmählichen Prozeß der
Konvergenz des Ketzer- und des Hexenbildes in der Vorstellungswelt
mittelalterlicher Menschen.
An der Entwicklung eines einzigen Wortes
wird diese Konvergenz klar bis zur Evidenz: Noch Mitte des 14. Jhs. heißen im
westschweizerisch-burgundischen Raum ‚vaudoisie’, ‚vauderie’ und verwandte
Worte soviel wie ‚Häresie’; Mitte des 15. Jhs. aber bedeuten sie ‚Hexerei’.
‚Vaudoisie’ aber meinte ursprünglich nichts anderes als – ‚Waldensertum’[37]!
Wie und wann kommt es zu diesem Wandel?
Das läßt sich minutiös beobachten: 1430 gab es in Fribourg einen
Waldenserprozeß, bei dem nach dem bekannten Muster der Teufelsdiener-Vorwurf
laut wurde; 1438-1442 fanden im selben Raume mit denselben Inquisitoren und mit
Opfern aus denselben Orten Verfolgungen statt - aber als Reflex in den Quellen
ist jetzt nur mehr noch der Teufelsdiener-Vorwurf greifbar, nichts mehr vom
Waldensertum im ursprünglichen, sozusagen bloß häretischen Sinn[38].
Das bereitete der Forschung Kopfzerbrechen, wo denn das Moment der Veränderung
liege: im Glauben der Verfolgten? in der Vorstellungswelt der Verfolger? oder
im bloßen Austausch der Etiketten für ein und dieselbe Sache[39]?
Die Antwort kann nach dem Gesagten nicht zweifelhaft sein: Der Ketzer als
Teufelsdiener ist als Teufelsdiener zum Ketzer geworden. Nicht daß die
Waldenser früher oder (330) später jemals Satanskult betrieben hätten,
aber sie als die im 14. und auch noch im 15. Jh. größte Ketzergruppe
sektenförmiger Prägung gerieten ganz zwangsläufig am meisten vor
Inquisitionstribunale, und da erging es ihnen immer wieder wie in Schweidnitz
oder in Fribourg: Einmal als Ketzer dingfest gemacht, war einer kirchlichen
Autorität, die in nurmehr schablonenhafter Weise die Welt des Glaubens zu
ordnen pflegte, klar, daß diese waldensischen Ketzer wie alle Ketzer vor allem
eines waren - Teufelsdiener[40].
VI.
Daß also die Sphären Ketzer/Hexen schon lange vor dem Malleus
maleficarum zu konvergieren begannen, ist keine Frage. Aber wo konvergierten
sie? Nicht im Kopfe und im Kult der Ketzer, wie manche Gelehrten das Phänomen
deuten, wie wenn Ketzerei jedweder Form offen oder versteckt eine Spezies des
Genus Satanskult gewesen wäre[41].
Ihr Kardinalfehler: Sie nehmen die Quellen wörtlich. Doch sie belegen, genau
genommen, nicht die reale Welt der Ketzer, sondern die imaginäre
Vorstellungswelt ihrer Verfolger. Dort also verschmolzen Satanskult und Häresie
ineins, und wie ich zu zeigen suchte, geschah das in zusammenhängender
Tradition erst etwa seit dem ersten Drittel des 13. Jhs., schriftlich
festgehalten und propagiert in der von und für Inquisitoren geschaffenen
Literatur.
Das kann aber weder der zeitliche Anfang
noch das einzige Medium zur Bildung dieser Vorstellungswelt gewesen sein, denn
die von berufs wegen verfaßten und gesammelten Inquisitionsprotokolle und deren
Ableitungen treten uns stets als Reflexe eines bereits voll ausgebildeten
Klischees entgegen, niemals aber als dessen Artikulationsursprung. Es ist
gegenwärtig völlig dunkel, wo die Keimzellen für die Bildung des Klischees vom
Ketzer als Teufelsdiener zu suchen sind, wo die Sphären von Hexensabbat und
ketzerischem Teufelskult zusammenflossen, so daß nicht mehr unterscheidbar war,
aus welchem der beiden ursprünglich getrennt gewesenen Bereiche die Muster für
den jeweils anderen genommen wurden. Ich vermute populäres Massenschrifttum aus
Katechese und Exegese, in Sermonaren, Exempla-Samm(331)lungen und Summen
vom Typ „De vitiis et virtutibus“; Zufallsfunde geben solch einer Vermutung
Nahrung[42],
aber systematische Zugriffe auf dieses Schrifttum stecken noch völlig in den
Kinderschuhen, so daß sich gegenwärtig keinerlei verbindliche Aussage machen
läßt. Erst wenn wir dieses Schrifttum ein wenig besser übersehen gelernt haben,
werden wir vielleicht wissen, in welchen Küchen das Bild vom Ketzer als
Teufelsdiener und der Hexe als Ketzerin zusammengebraut worden ist.
VII.
Ich habe eingangs eine Übersetzung geboten, in der ich
absichtsvoll die Bezeichnung Katerus meiner Quelle nicht mit dem Namen
der Sekten-Species ‚Katharer’, sondern mit der Genus-Bezeichnung ‚Ketzer’
wiedergab („Wer Eintritt in die ‚Ketzer’-Sekte begehrt ...“). Ich glaube nicht,
daß ich dabei die Intentionen des Autors dieses Berichtes verkannt habe. Denn
nicht nur, daß das deutsche Wort ‚Ketzer’ sich etymologisch in der Tat von
‚Katharer’ herleitet, weil sie als die erste Haupterscheinung der
mittelalterlichen Ketzerszene in Deutschland dem ganzen Genus den Namen gaben[43],
sondern weil das Wort ‚Katharer=Ketzer’ für den mittelalterlichen Menschen
etwas ganz anderes evozierte als für den heutigen Betrachter.
Die Forschung ist geneigt anzunehmen, daß
Katharer von griech. katharos kommt[44],
und sie kann sich in dieser Ableitung bestätigt sehen durch Isidors
Ketzerkatalog[45] wie durch
Alans von Lille Definition: Cathari quasi casti, quia se castos et iustos
faciunt[46]. Das ist
aber nicht die einzige Worterklärung, die Alan von Lille gibt; eine zweite ist,
Katharer käme von catha, quod est fluxus, weil sie in Laster zerflössen[47]
- eine mir rätselhafte Etymologie. Sehr viel leichter zu verstehen ist eine
dritte und letzte: „Katharer nennt man sie nach dem Kater, weil, wie man sagt,
sie das Hinterteil des Katers küssen, in dessen Gestalt, wie sie behaupten,
ihnen Lucifer erscheint“[48]
- womit wir wieder bei Konrad von Marburg wären. Hält man sich vor Augen, daß
der Name ‚Katharer’ keine Selbstbezeichnung der Sekte war[49],
daß er nicht allzu (332) lange vor Alan (+ 1203) erstmals um 1163 durch
Ekbert von Schönau bezeugt ist[50]
mit dem expliziten Hinweis, so würden die von ihm beschriebenen Kölner
Häretiker vulgo in Deutschland genannt im Unterschied zu Frankreich, wo
man sie Texerant, ‚Weber’, nenne, und Flandern, wo sie Piphles
hießen (ein gleichfalls undeutlicher Ausdruck), so wird klar, daß Alans Ableitung
vom Griechischen gelehrte Konstruktion sein muß, am Anfang aber die
diffamierende Bezeichnung ‚Ketzer’ stand, d.h. Kater- oder Teufelsdiener.
Mit der ‚vulgären’ Gleichsetzung von
Häretiker und Teufelsdiener = Katharer/Ketzer stehen wir, so meine ich, am
Ursprung der Tradition, die auf uns heute nicht erkennbaren Wegen zu Konrad von
Marburg gelangt sein muß und deren frühe Exponenten Ekbert von Schönau mit den
von ihm beschriebenen Kölner Katharern sowie der hochgelehrte Alan von Lille
gewesen sind.
VIII.
Wer das weite Feld der Glaubensabweichung schon vom Begriff her
nur als Teufelswerk begreifen konnte, von dem darf man keine wertfreie
Unterrichtung über diesen Gegenstand erwarten. Das klingt banal und
selbstverständlich, aber die Forschung ist - trotz wegweisender Ansätze vor
allem durch Herbert Grundmann[51]
- immer noch weit davon entfernt, aus diesem Umstand mit hinreichender
Rigorosität die Konsequenzen zu ziehen. Man nimmt die Quellen nach wie vor gern
beim Wort und achtet viel zu wenig auf ihr Bauprinzip.
Was heißt hier ‚Bauprinzip’? Das meint
zuerst den Verständnisansatz des Autors einer Quelle bezogen auf das Objekt
seiner Beschreibung, das meint sodann die Tendenz, aus der heraus er schreibt,
und den Effekt, den er erzielen will, und das meint nicht zuletzt das
literarische Genus selbst mit der ihm innewohnenden Formungskraft, dessen er
sich bei seiner Schilderung bedient. (333)
Es kann nicht meine Aufgabe sein, an
dieser Stelle das Gemeinte in großer Breite zu erläutern. Ein Beispiel mag
genügen: Kürzlich tauchte eine unbekannte Quelle auf, die in höchst erwünschter
Weise eine bis dahin reichlich mysteriös gebliebene Angelegenheit beträchtlich
aufzuhellen in der Lage ist. Es handelt sich um das Verhör eines Begarden
namens Johann von Brünn, den der für die Prager Diözese lange Zeit zuständige
Inquisitor Gallus von Neuhaus aus dem Orden der Dominikaner irgendwann zwischen
1335 und 1348/58 vor sein Tribunal zog, zu weitreichenden Geständnissen über
das wilde Treiben der Sekte vom Freien Geist zwang, womit der Inkulpierte seine
Haut rettete, ja was ihn sogar angeblich zu so radikaler Umkehr bewog, daß aus
dem libidinösen begardischen Freigeist ein Mitglied des solche Leute in
heiligem Eifer verfolgenden Dominikaner-Ordens wurde[52].
Ob aus dem begardischen Saulus wirklich
ein dominikanischer Paulus wurde, ist indessen sehr die Frage. Das berichtet
die bislang allein bekannt gewesene Quelle über das Ereignis, die Wilhelm
Wattenbach im Kontext einer bestimmten Überlieferung des verbreiteten
Inquisitoren-Handbuchs von Nikolaus Eymericus gefunden und 1888 herausgegeben
hatte[53].
Zu dieser Quelle tritt nunmehr eine zweite in einer Augsburger Handschrift[54],
die in eigentümlicher Weise mit dem Wattenbachschen Texte übereinstimmt und von
ihm doch wieder signifikant abweicht. Ein Vergleich zeigt nun, daß beide Texte
zu beurteilen sind als voneinander unabhängige freie Bearbeitungen der in den
originalen Verhörsakten festgehaltenen Aussagen des Inkulpierten. Von ihnen ist
die eine, die neu entdeckte Augsburger Fassung, eine ihre Vorlage im
wesentlichen nur verkürzende Version, während die von Wattenbach edierte
stärker in den Kontext eingreift und den Aussagen eine ganz bestimmte
Zuspitzung gibt.
In welche Richtung? Sehr einfach: Sie
unterstreicht vergröbernd alles, was Lebensform und Ideologie der
Frei-Geist-Häresie als konträr zum Sittengesetz erscheinen läßt: Lüge,
Heuchelei, Diebstahl, Unzucht in jeglicher Form, garniert mit dem stets
wiederkehrenden Refrain: „Und darüber empfinden sie“ - die freigeistigen Begarden
– „keinerlei Gewissensbisse und beichten es keinem Priester“[55].
Kein Zweifel: Hier wird ein Bild
entworfen, ein Typus modelliert - das Monster Freigeist. Daß das Material für
solch Porträt mit einem gewissen Druck erhoben wurde, der Beschuldigte vor die
Wahl gestellt war: Geständnis oder Tod, und keineswegs aus augustinischem
Konfessionsdrang redete, läßt die Augsburger Fassung klar erkennen; die
Wattenbachsche hat es absichtsvoll verschwiegen, und nur sie weiß von dem
Übertritt des Geständigen zum Dominikaner-Orden zu berichten. Die
quellenkritische Folgerung ist klar: da diese Konversion Teil eines auf
Klischee(334)bildung zielenden Konzeptes ist, hat man sie zu verwerfen,
solange sie sich nicht an anderer Stelle verifizieren läßt.
Aber diese Folgerung gilt nicht nur für
diese Einzelheit: Das gesamte Material von Johanns von Brünn ‚Geständnis’ steht
bei der Wahrheitsfindung zur Disposition, nicht nur weil Lebensangst die
Aussagen des Geständigen lenkten, sondern vor allem weil ein borniertes
Weltbild dem Inquisitor die Fragen in den Mund legte. Denn sein
Erwartungshorizont bestimmte die Fragen, erzwang die Antworten, und was in das
schon fertige Schema paßte, wurde plakativ in Umlauf gebracht: als Beleg für
ketzerischen Greuel, als Rechtfertigung für inquisitorische Verfolgung - und
als Materialgrundlage für neue Verhöre, Geständnisse, Berichte. Ein
geschlossener Kreis sich reproduzierender Nachrichtenträger, zirkulierend in
einer geschlossenen Gesellschaft von Ketzer-Experten. Wir fassen hier nur
schattenhaft die wahre Welt der ‚Ketzer’, aber in aller Deutlichkeit die
Vorstellungswelt ihrer Verfolger.
IX.
Ein letztes: Weshalb ertrug man es nicht, im Ketzer nur den
Andersdenkenden zu sehen? Warum mußte man ihn erst zum Ausbund aller
Perversitäten machen: zum Teufelsdiener, um seiner - ihn physisch und moralisch
vernichtend - mächtig zu werden? Eine schwierige Frage! Niemand wird darauf von
mir eine verbindliche Antwort erwarten. Aber wenigstens eine Richtung,
in der man die Antwort suchen sollte, glaube ich doch angeben zu können:
Wer im Ketzer den Andersdenkenden hätte
suchen wollen, hätte die Pluralität von Wahrheit für möglich halten müssen. Das
Prinzip einer doppelten Wahrheit aber ist bekanntlich in der
Averroisten-Diskussion des 13. Jhs. sogar ausdrücklich verworfen worden. Eine
Welt nun, die nur eine einzige heilswirkende Wahrheit für denkbar hielt, mußte
im gleichen Maße zur Verteufelung jeder Gegenposition neigen, in der sie Mühe
hatte, sich der absoluten Richtigkeit der eigenen Position zu versichern. Von
daher gewinnt die Beobachtung Gewicht, daß sich im Blick auf Ketzer das
abgeschmackte Teufelskultklischee im selben Augenblick durchsetzt, wo die
geistige Welt des Mittelalters infolge der Rezeption von Aristoteles und seiner
arabischen Kommentatoren in Bewegung gerät, wo bis dahin undenkbare geistige
Horizonte in Sicht geraten und das reine Denken unerbittliche Formen anzunehmen
sich anschickt, dem man als Devise den berühmten Ausspruch Gregors VII.
unterlegen könnte, der, auf den möglichen Einwand mangelnder Übereinstimmung
mit der hergebrachten Tradition erwiderte: „Der Herr hat gesagt: ‚Ich bin die
Wahrheit und das Leben’ [Joh. 14, 6]; er hat nicht gesagt: ‚Ich bin die
Gewohnheit’, sondern: ‚die Wahrheit’“[56].
So paradox es klingen mag: Der Sieg des Klischees vom Ketzer als Teufelsdiener
ist ein bloßes Rückzugsgefecht auf dem langen Weg zu etwas mehr Aufklärung der
Geister.
[1] Text der Passauer-Anonymus-Version vom
Bericht Konrads von Marburg nach Alexander Patschovsky,
Zur Ketzerverfolgung Konrads von Marburg, DA 37 (1981) S. 653f. Das Zitat
zuletzt ist eine Kontraktion aus 2. Thess. 2, 7 (Nam mysterium iam
operatur iniquitatis) und Apoc. 10, 7 (sed in diebus vocis
septimi angeli, cum coeperit tuba canere, consummabitur mysterium
dei), beides Stellen, die auf das Jüngste Gericht vorausweisen.
[2] Justinus Martyr, Apologia c. 26, 7,
Appendix zur Apol. [sog. zweite Apol.] c. 12, 1-4, Dialog mit Trypho c. 10, 1,
alle drei Texte am besten ediert bei Edgar J. Goodspeed,
Die ältesten Apologeten (1914) S. 44, 87, 101; Tertullian, Apologeticum 2 §§ 4,
5, ed. E. Dekkers,
CC 1 (1954) S. 87f. Minucius Felix, Octavius c. 9 und 30/31, ed. Bernhard
Kytzler (1982) S. 7f., 29f. Vgl.
zur Sache Hermann Strack, Der
Blutaberglaube in der Menschheit, Blutmorde und Blutritus (41892) S.
153ff.
[3] Der Octavius des Minucius Felix ist gerade
in 2 Hss. überliefert: Paris, BN lat. 1661 (9. Jh.); Brüssel, Cod. 10847 (11.
Jh.). Justinus Martyr hatte im lateinischen Bereich keine eigene
Wirkungsgeschichte, wurde dort nur über Irenäus und Tertullian rezipiert. Von
Tertullians Apologeticum gibt es aus dem gesamten Mittelalter ca. 40 Hss.
[4] Vgl. Augustin, De haeresibus c. 1
(Simoniaci; Promiskuität), 5 (Nikolaiten; Promiskuität), 6 (Gnostiker; nimia
turpitudo quam suis mysteriis exercere dicuntur; dies ist der Reflex auf
den Bericht des Epiphanios v. Salamis [s.u. bei Anm. 6]), 20 (Archontici; operantur
quandam turpitudinem), 26/27 (Cataphryges/Pepuziani; Kinderblut zur
Eucharistie-Herstellung), 31 (Adamiani; Nacktheit), 37 (Valesii; allgemein turpia),
46 (Manichäer; § 9: Eucharistie-Herstellung cum semine humano), 70
(Priscillianisten; sordes, sentina, contaminationes, turpitudines);
Text nach CC 46 (1969) S. 290ff. - Bei Isidor ist alles knapper, finden sich
die Amoralitäten in eher nur verhüllter Gestalt: Etymol. VIII v §§ 2, 5, 6, 13,
27, 14, 31, 54 [es fehlen die Valesii], ed. W. M. Lindsay (1911) [= Gratian, Dekret C 24 q. 3 c. 39; Friedberg 1, 1001-1006].
[5] Epiphanios von Salamis, Panarion c. 26, 4-5, ed. Karl Holl, GCS 25 (1915) S. 280-282. Vgl.
auch Strack (wie Anm. 2) S. 71.
Die ebd. S. 70-72 sich findenden Ausführungen zur Sache dürften der Kritik
schwerlich standhalten.
[6] Das Panarion des Epiphanios ist in Antike
und Mittelalter nie ins Lateinische übersetzt worden; Augustin freilich kannte
das Werk, hat davon in De haeresibus ausgiebig Gebrauch gemacht, spielt in
seinem Gnostiker-Kapitel auch offensichtlich auf des Epiphanios Bericht an,
ohne freilich in die Einzelheiten zu gehen (c. 6; CCL 46, S. 292; s.o. Anm. 4).
An der zitierten Stelle scheint Epiphanios ganz aus eigenem geschöpft zu haben,
jedenfalls kann er diese Passage nicht aus dem Werk Adversus haereses des
Irenaeus von Lyon übernommen haben, das uns vollständig überhaupt nur in einer
um 400 entstandenen lateinischen Fassung vorliegt. Vgl. zur Stelle Richard
Adelbert Lipsius, Zur
Quellenkritik des Epiphanios (1865) S. 108f.
[7] Raoul Glaber, Historiae III 8, §§ 26/27,
ed. Guglielmo Cavallo - Giovanni Orlandi, Rodolfo il Glabro, Cronache
dell'anno mille (Storia) (Scrittori greci e latini, 1989) S. 158ff.; der
unmittelbar unter dem Eindruck der Affäre abgefaßte Brief des Mönches Johannes
aus Fleury an Abt Oliba von Ripoll, ed. Robert-Henri Bautier und Gillette Labory,
André de Fleury, Vie de Gauzlin, abbé de Fleury (Sources d'histoire médiévale
2, 1969) S. 180/182; dazu der Bericht des Andreas von Fleury in der Vita
Gauzlini c. 56, ebd. S. 96ff. Zur Sache
Robert-Henri Bautier, L'hérésie
d'Orléans et le mouvement intellectuel au début du XIe siècle.
Documents et hypothèses, in: Actes du 95e Congrès National des
Sociétés Savantes, Reims, 1970, Section de philologie et d'histoire jusqu’à
1610, Bd. 1: Enseignement et vie intellectuelle (IXe-XVIe
siècle) (1975) S. 63-88; Huguette Taviani,
Du refus au défi: Essai sur la psychologie hérétique au début du XIe
siècle en Occident, in: Actes du 102e Congrès National des Sociétés
Savantes, Limoges, 1977, Section de philologie et d'histoire jusqu'à 1610, Bd.
2: Études sur la sensibilité (1979) S. 175-186; zuletzt Renate Gorre, Die ersten Ketzer im 11. Jahrhundert:
Religiöse Eiferer - soziale Rebellen? Zum Wandel der Bedeutung religiöser
Weltbilder (Konstanzer Dissertationen 4, 1982), hier S. 56ff.
[8] Paulus monachus S. Petri Carnotensis, Vetus Agano VI 3,
ed. M. Guérard,
Cartulaire de l'abbaye de Saint-Père de Chartres Bd. 1 (Collection des
Cartulaires de France 1, 1840) S. 108-115, hier S. 112, aus der im 2. Weltkrieg
verbrannten Hs. Chartres 1061 als dem einzigen Textzeugen.
[9] Justinus Martyr, Appendix zur Apol. c. 12, 5-6, ed. Goodspeed (wie Anm. 2) S. 88. Vgl. Strack (wie Anm. 2) S. 154.
[10] Reiches Material bei Michael Camille, The Gothic Idol. Ideology and Image-making in
Medieval Art (1989).
[11] Otto Gerhard Oexle, Conjuratio und Gilde im frühen Mittelalter. Ein
Beitrag zum Problem der sozialgeschichtlichen Kontinuität zwischen Antike und
Mittelalter, in: Gilden und Zünfte. Kaufmännische und gewerbliche
Genossenschaften im frühen und hohen Mittelalter, hg. von Berent Schwineköper (VuF 29, 1985) S. 151-214,
hier bes. S. 154f., 162ff.,
173ff., 203ff., 207ff. Dazu ders.,
Gilden als soziale Gruppen in der Karolingerzeit, in: Das Handwerk in vor- und
frühgeschichtlicher Zeit, hg. von Herbert Jankuhn
u.a., Bd. 1 (Abh. Göttingen, 3. Folge 122, 1981) S. 284-354, bes. S. 314ff., 321ff.
[12] Livius 39, 8-19.
[13] Reiches Material bei Elias Bickermann, Ritualmord und Eselskult.
Ein Beitrag zur Geschichte antiker Publizistik, Monatsschrift für Geschichte
und Wissenschaft des Judentums, N.F. 35 (1927) S. 171-187, 255-264, bes. S.
173ff.; Franz Dölger,
„Sacramentum infanticidii.“ Die Schlachtung eines Kindes und der Genuß seines
Fleisches und Blutes als vermeintlicher Einweihungsakt im ältesten Christentum,
Antike und Christentum 4 (1934) S. 188-228; Rudolf Freudenberger, Der Vorwurf ritueller Verbrechen gegen die
Christen im 2. und 3. Jahrhundert, Theologische Zs., hg. von der Theologischen
Fakultät der Universität Basel 23 (1967) S. 97-107 sowie ders., Das Verhalten der römischen
Behörden gegen die Christen im 2. Jahrhundert, dargestellt am Brief des Plinius
an Trajan und den Reskripten Trajans und Hadrians (Münchener Beiträge zur
Papyrusforschung und antiken Rechtsgeschichte 52, 1967), bes. S. 164ff., ein
Werk, bei dem es um Herausarbeitung des jurisdiktionellen Hintergrundes der
Greuelpropaganda geht (vgl. auch ebd. S. 86ff. zu Roms Vorgehen gegen die
Druiden); Jakob Speigl, Der
römische Staat und die Christen (1970), hier S. 58ff., 70ff., 150ff. sowie
Joachim Molthagen, Der römische
Staat und die Christen im zweiten und dritten Jahrhundert (Hypomnemata 28,
1970) S. 13ff., beide im Hinblick auf den Plinius-Brief an Trajan mit der
problematischen Deutung, es sei bei den Christen kein eigentliches Verbrechen,
sondern nur das nomen ipsum als todeswürdig angesehen worden. Mit etwas anderen
Akzenten als die drei zuletzt angeführten Werke Herbert Nesselhauf, Der Ursprung des Problems „Staat und Kirche“
(Konstanzer Universitätsreden 14, 1975).
[14] Oexle (wie
Anm. 11) S. 352, verweist auf den um 1020 entstandenen Bericht Alperts von
Metz, De diversitate temporum II 20 (ed. Hans van
Rij - Anna Sapir Abulafia,
Alpert van Metz, Gebeurtenissen van deze tijd, en Een fragment over bisschop
Diederik I van Metz [1980] S. 80), über die Kaufleute von Tiel am Niederrhein
und ihre Gilde, von deren mores et instituta er nichts zu vermelden weiß
als Ehebruch, Sodomie und Trunksucht. Eine gewisse Ähnlichkeit zu dem, was über
die zeitgleiche Häresie von Orléans kolportiert wurde, ist unverkennbar.
[15] Vgl. Dölger
(wie Anm. 13), bes. S. 211ff. sowie Dieter Harmening,
Superstitio. Überlieferungs- und theoriegeschichtliche Untersuchungen zur
kirchlich-theologischen Aberglaubensliteratur des Mittelalters (1979), hier
bes. S. 36ff., 62ff., 305ff.
[16] Tacitus, Annales 15, 44; dazu Freudenberger, Verhalten (wie Anm. 13)
S. 180ff.
[17] Jean-Luc d'Achéry,
Veterum aliquot scriptorum ... spicilegium Bd. 2 (Paris 21681) S.
670-676 [nachgedruckt 1723, Bd. 1 S. 604-606], aus der Ausgabe von 1681
übernommen von Bouquet 10 (1874)
S. 536-539.
[18] Guibert von Nogent, Monodiae [oder: De vita sua] III 17,
ed. Edmond-René Labande (Les
Classiques de l'Histoire de France au Moyen Age 34, 1981) S. 428-432. Der
Ersteditor auch dieser Schrift war Luc d'Achéry, der seine Ausgabe auf einer
Abschrift von André Duchesne fußen lassen mußte, da dessen Vorlage, eine
ehemals der Kathedralbibliothek von Laon gehörige und wohl dem 14./15. Jh.
zuzuweisende Handschrift, nicht mehr aufzufinden war. Dies ist die einzige
mittelalterliche Überlieferung der vollständigen Schrift, von der wir Kenntnis
haben.
[19] Das suchte Constant J. Mews, Guibert of Nogent's Monodiae
(III, 17) in an appendage to the De haeresibus of Augustine, Revue des Études
Augustiniennes 33 (1987) S. 113-127, hier S. 117f., zu erweisen. Mews gibt im
übrigen die für uns einschlägige Textpartie der Monodiae unter Heranziehung
eines Exzerpts aus der Zeit um 1300 in der Hs. Durham Cathedral Library B. III. 7 neu heraus (S.
123f.).
[20] Text: MGH Epp. saec. XIII 1, 433. Rodenbergs
Edition beruht bekanntlich allein auf den päpstlichen Registern; die außerhalb
davon stehende Überlieferung ist nicht zu übersehen.
[21] Vgl. im Dialogus miraculorum dist. 5 c.
24, ed. Josef Strange (1851) Bd.
1, S. 307f. die Geschichte von einem jungen Mann, den ein verführerisches
junges Mädchen in Verona zu einer praeter propter wie bei Konrad und in „Vox in
Rama“ beschriebenen Sektenzusammenkunft lockt, wo es ihm ganz gut gefällt, er
sich aber zu irgendwelchen dogmatischen Zugeständnissen nicht bereitfindet;
gefragt warum, sagt er, ihm hätten es nicht die Häresien, sondern die hübschen
Mädchen angetan.
[22] Vgl. des Strickers Klage vv. 511-540, hg.
von Heinz Mettke, Fabeln und
Mären von dem Stricker (Altdeutsche Textbibliothek 35, 1959) Nr. 30 S. 134f.,
hg. von Wolfgang Wilfried Moelleken
u.a., Die Kleindichtung des Strickers Bd. 5 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik
107/5, 1978) Nr. 158 S. 210f.
[23] Den Nachweis dieses
Überlieferungszusammenhangs glaube ich in dem Anm. 1 zitierten Aufsatz S.
651ff. geführt zu haben.
[24] Belege bei Alexander Patschovsky, Waldenserverfolgung in
Schweidnitz 1315, DA 36 (1980) S. 165 Anm. 126/127 und 172 Anm. 166.
[25] In einem bislang unbekannt gebliebenen
Inquisitoren-Handbuch aus Südostdeutschland in der Hs. Linz, Studienbibliothek
Nr. 177, entstanden in der Zeit des Pontifikats Johannes' XXII. (1316-1334),
wird die Vorstellung von dem Wiederaufstieg Lucifers in den Himmel, von wo er
auf hinterhältige Weise vertrieben worden sei, als eigener Lehrsatz deutscher
Ketzer beschrieben. Hier wird also in einer für die Hand von Inquisitoren
eigens gefertigten Schrift das charakteristische Element der oben aufgezählten
Einzelfälle als typisches Gruppenmerkmal gekennzeichnet.
[26] Vgl. Arno Borst, Die Katharer (MGH Schriften 12, 1953) S. 21;
grundlegend zum Genus der Inquisitoren-Handbücher Antoine Dondaine, Le Manuel de l'Inquisiteur,
Archivum Fratrum Praedicatorum 17 (1947) S. 85-194.
[27] Anselm von Lüttich, Gesta episcoporum Tungrensium,
Traiectensium et Leodiensium II 62-64, ed. R. Koepke,
MGH SS 7 (1846) S. 226-228. Anselm schrieb zwischen 1052 und 1056.
[28] Thomas von Aquin, Summa theologiae 2, 2
qu. 11 art. 3, ed. Leonina Bd. 8 (1895) S. 100. - Zur Todesstrafe für das
Häresiedelikt grundlegend, wenn auch keineswegs abschließend, Julius Ficker, Die gesetzliche Einführung der
Todesstrafe für Ketzerei, MIÖG 1 (1880) S. 177-226, 430f.; dazu Julien Havet, L'hérésie et le bras séculier au
moyen age jusqu'au treizième siècle, BECh 41 (1880) S. 488-517. Vgl. weiterhin
Kurt-Victor Selge, Die
Ketzerpolitik Friedrichs II., in: Probleme um Friedrich II. (VuF 16, 1974) S.
309-343.
[29] Beispiele, die sich leicht vermehren
ließen, bei Ficker (wie Anm. 28)
S. 180ff.
[30] So etwa Friedrich II. in seiner
Konstitution „Commissi nobis celitus“ vom März 1232, mit der er reichsweit die
Todesstrafe für Häresie verkündete (MGH Const. 2, 196 Z. 24f.): ...
maleficos vivere non passuri, per quorum scientiam seductricem mundus inficitur
et gregi fidelium per oves has morbidas gravior infligitur corruptela.
[31] Vgl. die gedankenreiche Studie von Viktor Achter, Geburt der Strafe (1951), hier
bes. S. 19f., 97ff., 132ff. Vgl.
auch noch Rudolf His, Das Strafrecht
des deutschen Mittelalters, 2 Teile (1920-1935), hier Teil 1, 343f. und 2,
18ff.
[32] Zum Zusammenhang zwischen der Ahndung des
Häresiedelikts als Majestätsverbrechen und der Konvergenz der weltlichen mit
der kirchlichen Sphäre im Jurisdiktionsbereich grundlegend Othmar Hageneder, Der Häresiebegriff bei den
Juristen des 12. und 13. Jahrhunderts, in:
The Concept of Heresy in the Middle Ages (11th-13th C.) (Mediaevalia Lovaniensia, ser. 1, studia 4, 1976) S.
42-103, bes. S. 88ff.; ders., Die
Häresie des Ungehorsams und das Entstehen des hierokratischen Papsttums,
Römische Historische Mitteilungen 20 (1978) S. 29-47, hier bes. S. 46f. Über
die entgegen älterer Forschungsmeinung relativ früh einsetzende Rezeption
römischer Rechtsvorstellungen in deutsch-rechtlichen Bereichen mit Vermittlung
kanonisch-rechtlich geschulter Geistlicher jüngst Dietmar Willoweit, Rezeption und Staatsbildung
im Mittelalter, in: Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, Frankfurt am
Main, 22. bis 26. September 1986 (Ius Commune, Sonderheft 30, 1987) S. 19-44,
hier bes. S. 27f., 42f.
[33] Patschovsky (wie Anm. 24) S. 148 sowie
S. 164, 166.
[34] Leopold Kretzenbacher,
Versöhnung im Jenseits. Zur Widerspiegelung des Apokatastasis-Denkens in
Glaube, Hochdichtung und Legende, SB München 1971, 7 (1972).
[35] Vgl. zur Sache zuletzt mit weiterführenden
Angaben Jürgen Petersohn,
Konziliaristen und Hexen. Ein unbekannter Brief des Inquisitors Heinrich
Institoris an Papst Sixtus IV. aus dem Jahre 1484, DA 44 (1988) S. 120-160,
hier bes. S. 134ff.; Peter Segl
(Hg.), Der Hexenhammer. Entstehung und Umfeld des Malleus Maleficarum von 1487
(Bayreuther Historische Kolloquien 2, 1988), insbesondere Peter Segl selbst über Heinrich Institoris
(S. 103-126, bes. S. 116f. zur alleinigen Verfasserschaft des Heinrich
Institoris am ‚Hexenhammer’).
[36] Ein gutes Beispiel ist Hugh R. Trevor-Roper, The European Witch-craze of the Sixteenth and
Seventeenth Centuries, in: ders.,
Religion, the Reformation and Social Change and Other Essays (1967) S. 90-192,
hier S. 101-115, bes. S. 103 [deutsche Ausgabe 1970, S. 95-179,
hier S. 105-117, bes. 106f.]. Kritisch zurückhaltend in diesem Punkte schon
Richard Kieckhefer, European
Witch Trials. Their Foundations
in Popular and Learned Culture, 1300-1500 (1976) S. 19f.
[37] Vgl. die Belege bei Walther von Wartburg, Französisches
Etymologisches Wörterbuch. Eine Darstellung des galloromanischen
Sprachschatzes, Bd. 14 (1961) S. 129 s.v. Valdus (so statt: Valdes).
[38] Die Prozeßakten von 1430 publizierte in
Form einer Paraphrase Gottlieb Friedrich Ochsenbein,
Aus dem schweizerischen Volksleben des XV. Jahrhunderts. Der Inquisitionsprozeß
wider die Waldenser zu Freiburg i.Ü. im Jahre 1430, nach den Akten dargestellt
(1881). Eine kritische Edition und historische Untersuchung des reichen, sozialgeschichtlich
ungemein aussagefähigen Materials bereitet Kathrin Utz-Tremp im Auftrag der MGH vor. Vgl. vorderhand ihren
Beitrag „Das Fegfeuer in Freiburg. Erste Annäherung an die Akten des Freiburger
Waldenserprozesses von 1430“, Freiburger Geschichtsblätter 67 (1990) S. 7-30.
Dazu Andreas Blauert, Frühe
Hexenverfolgungen. Ketzer-, Zauberei- und Hexenprozesse des 15. Jahrhunderts
(Sozialgeschichtliche Bibliothek bei Junius 5, 1989), bes. S. 37ff., 44ff.
[39] Vgl. Blauert
(wie Anm. 38) S. 45, 48ff. - Eine ganz ähnliche Entwicklung läßt sich für den
westschweizerisch-piemontesischen Bereich für den Katharer-Begriff beobachten.
Dorthin läßt sich jedenfalls ein im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts
entstandener Traktat lokalisieren, an dessen Titel „Errores Gazariorum seu
illorum qui sobam vel baculum equitare probantur“ sich die Verschmelzung von
Katharer- und Hexenbegriff ablesen läßt. Vgl. zu dem Text ebd., S. 62ff.
[40] In sehr ähnliche Richtung gehen die
Überlegungen von Arno Borst,
Anfänge des Hexenwahns in den Alpen, in: Barbaren, Ketzer und Artisten. Welten
des Mittelalters (Serie Piper 1183, 1988) S. 262-286, bes. S. 263f., 278ff.
[41] So etwa Jeffrey Burton Russell, Witchcraft in the Middle Ages
(1972); vgl. dazu meine Kritik DA 31, 622f. Ähnlich, allenfalls noch konfuser, ders., Lucifer. The Devil in the Middle Ages (1984). Zweifelnd,
daß Luciferianismus stets bloße Fiktion gewesen sei, auch Peter Dinzelbacher, Die Realität des Teufels
im Mittelalter, in: Segl (wie
Anm. 35) S. 151-175, hier S. 172f. Zu diesen Fragen, bei denen es auch um die
vielschichtige Problematik der sog. mittelalterlichen Volkskultur geht,
beherzigenswerte Bemerkungen bei Blauert
(wie Anm. 38) S. 31f. - Man muß sich bei der Beurteilung von Quellenzeugnissen
dieser Art über zwei Dinge im klaren sein: 1) Nichts ist unmöglich; 2) Alles
muß bewiesen werden. Folgt man mit der nötigen Portion Quellenkritik Fall für
Fall diesen einfachen Maximen, kommt man bezüglich der im Verdacht des
Luciferianismus stehenden mittelalterlichen Ketzereien unausweichlich zu einem
negativen Resultat. Ob dieses selbe Ergebnis auch für alle Hexerei-Prozesse
gilt, ist möglich, bedarf aber auch hier in jedem einzelnen Fall der
Verifikation oder der Falsifikation.
[42] Vgl. etwa die Beispiele aus den
lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg, gesammelt bei Anton E. Schönbach, Studien zur Geschichte der
altdeutschen Predigt, Drittes Stück: Das Wirken Bertholds von Regensburg gegen
die Ketzer, SB Wien 147, 5 (1904); oder Guillaume Peyraut, Summa de virtutibus
II ii (de fide) c. 8-24, III iii (de temperantia) c. 14; oder Caesarius von
Heisterbach, Dialogus miraculorum dist. 5
c. 18-25, ed. J. Strange (1851)
S. 296-309.
[43] Wie übrigens auch in Frankreich, wo die
Genus-Bezeichnung haereticus in aller Regel die Spezies ‚Katharer’ meint; vgl.
nur Borst (wie Anm. 26) S. 252.
[44] Borst (wie
Anm. 26) S. 240ff., 253 mit Anm. 8; dort Hinweise auch auf die älteren
Ableitungen Gretsers und Gieselers, auf die ich wieder zurückzulenken suche.
[45] Isidor, Etymol. VIII v 28: Catharoe
propter munditiam ita se nominaverunt.
[46] Alan von Lille, De fide catholica contra
haereticos sui temporis I 63, Migne
PL 210, 366.
[47] ...diffluentes per vitia.
[48] Vel Cathari dicuntur a cato, quia, ut dicitur, osculantur
posteriora catti, in cuius specie, ut dicunt, apparet eis Lucifer. Diese Ableitung und die von catha
(nicht von castus!) auch bei Guillaume Peyraut in dessen
weitverbreitetem Werk De virtutibus et vitiis; vgl. Patschovsky (wie Anm. 1) S. 96 Anm. 60.
[49] Anders Borst
(wie Anm. 26) S. 240ff. und Herbert Grundmann,
Ketzergeschichte des Mittelalters, in: Die Kirche in ihrer Geschichte. Ein
Handbuch, hg. von Kurt Dietrich Schmidt
u.a., Bd. 2, Lief. G (1. Teil) (1963 u.ö.) S. 24, dem das „offenbar“ war; seine
Belege stützen seine Ansicht aber nicht, und ich kenne kein Zeugnis, dem das zu
entnehmen wäre.
[50] Ekbert von Schönau, Sermones contra
Catharos, Prolog und Sermo I c. 1, Migne
PL 195, 13/14: Hi sunt quos vulgo Catharos vocant... Hos nostra Germania
Catharos, Flandria Piphles, Gallia Texerant ab usu texendi appellat.
Scheinbar anders Sermo 5 c. 6, ebd. Sp.
31: Hinc et hoc nomen sibi assumpserunt primi magistri vestri, ut se
vocarent Catharistas, id est purgatores, et Catharos, id est mundos. Mit
den primi magistri hatte Ekbert jedoch nur die spätantiken Ursprünge der
Sekte im Auge, und seine Etymologien lassen sich unschwer als Reminiszenz von
Augustins Ketzerkatalog erkennen (Augustin, De haeresibus c. 38 und 46 § 10,
CCL 46 [1969] S. 306, 315; vgl. auch Ekberts Augustin-Exzerpt am Schluß seiner
„Sermones“, ebd. Sp. 101A). Siehe auch Sermo 2, ebd. Sp. 17f.: ... haec
omnia nobis veraciter comperta sunt de omnibus istis, quos nunc Catharos
vocant; et ipsi originem habuerunt a quibusdam discipulis Manichaei, qui olim
Catharistae dicebantur.
[51] Vgl. vor allem die beiden Aufsätze: Der
Typus des Ketzers in mittelalterlicher Anschauung (1929), sowie: Ketzerverhöre
des Spätmittelalters als quellenkritisches Problem (1965), beide nachgedruckt
in: Herbert Grundmann,
Ausgewählte Aufsätze, Bd. 1: Religiöse Bewegungen (Schriften der MGH 25, 1,
1976) S. 313-327 und 364-416.
[52] Dazu eingehender Alexander Patschovsky, Ketzer vor Gericht. Über
das Ketzerbild in deutschen und böhmischen Verhörsprotokollen des 14.
Jahrhunderts, in: Religiöse Laienbildung und Ketzerabwehr im Mittelalter, hg.
von Dieter Harmening (im Druck).
[53] Wilhelm Wattenbach,
Über die Secte der Brüder vom freien Geiste (SB Berlin 1887, 2) S. 517-544,
hier S. 529-537. Es handelt sich um die Hs. Greifswald, Kirchenbibliothek St.
Nicolai XXIII E. 100.
[54] Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, Hs.
2o Cod. 185.
[55] ... nec de hoc debent habere
conscienciam nec debent confiteri sacerdotibus, Wattenbach (wie Anm. 53) S. 534 Z. 5f. (korr. nach Hs.
Krakau, Akademie, 1703).
[56] Das Zitat bei Herbert E. J. Cowdrey, The Epistolae vagantes of Pope Gregory VII (Oxford
Medieval Texts, 1972) S. 151 Nr. 67. Horst Fuhrmann,
Papst Gregor VII., „Gregorianische Reform“ und Investiturstreit, in: Einladung
ins Mittelalter (1987) S. 77-99, 286, hier S. 81, hat diesen Ausspruch zu Recht
als bezeichnend für Gregors Sendungsbewußtsein gewertet - ein
Sendungsbewußtsein mit revolutionären Zügen.