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GOTTFRIED BENN'S (1886-1956) EXPRESSIONIST MORGUE
POEMS (1912) FORMULATE, IN BROKEN SYNTAX, A BROKEN
NEO-BAUDELAIREAN VIEW OF MAN: MAN-PIG AS THE IRONIC
CROWN OF CREATION, A SOULLESS AND DE-INDIVIDUALIZED
MASS OF SEPARATE ORGANS ON THE ANATOMIST'S TABLE, IN
A WORLD WHERE FLOWERS AND ANIMALS ARE MORE COLOURFUL
AND COMMAND MORE SYMPATHY THAN HUMAN BEINGS (WHOSE
LIVES ARE A MEANINGLESS CHAIN OF EVENTS AND DISAPPOINTMENTS
BETWEEN THE BIRTH-CRY AND THE DEATH-RATTLE). THE SPIRITUAL
DIMENSIONS OF LIFE AND LOVE ARE DENIED.
'Kleine Aster'
Ein ersoffener Bierfahrer wurde auf den Tisch gestemmt.
Irgendeiner hatte ihm eine dunkelhellila Aster
zwischen die Zähne geklemmt.
Als ich von der Brust aus
unter der Haut
mit einem langen Messer
Zunge und Gaumen herausschnitt,
muß ich sie angestoßen haben,
denn sie glitt
in das nebenliegende Gehirn.
Ich packte sie in die Bauchhöhle
zwischen die Holzwolle,
als man zunähte.
Trinke dich satt in deiner Vase!
Ruhe sanft,
kleine Aster!
'Requiem'
Auf jedem Tische zwei. Männer und
Weiber
kreuzweis. Nah, nackt, und dennoch ohne
Qual.
Den Schädel auf. Die Brust entzwei.
Die Leiber
gebären nun ihr allerletztes Mal.
Jeder drei Näpfe voll: von Hirn bis
Hoden.
Und Gottes Tempel und des Teufels Stall
nun Brust an Brust auf eines Kübels
Boden
begrinsen Golgatha und Sündenfall.
Der Rest in Särge. Lauter Neugeburten:
Mannsbeine, Kinderbrust und Haar vom Weib.
Ich sah von zweien, die dereinst sich
hurten,
lag es da, wie aus einem Mutterleib.
Quoted from:
Gottfried Benn, Gedichte in der Fassung der Erstdrucke, Frankfurt/Main:
Fischer, 1982, pp. 21, 25.
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