Max
Delbrück
Fachliche Leistung
Bereits 1933 war
Delbrück Mitglied einer Forschungsgruppe aus Physikern, Biochemikern
und Genetikern, die verschiedene Typen von Mutationen an Bananenfliegen
untersuchte, die durch Bestrahlung hervorgerufen waren. Sein Interesse an
der Genetik resultierte aus der Idee, dass Gene eine molekulare Struktur
besitzen
und daher physikalischen Einflüssen unterliegen.
In Pasadena erkannte Delbrück bei der genetischen Forschung an der
Taufliege Drosophila, dass Viren, die Bakterien angreifen (Bakteriophagen),
aufgrund ihres einfachen Aufbaus besonders geeignete Forschungsobjekte für
die Genetik sind. In Tieren und Pflanzen dauerte es oft Tage, bis sich die
Erreger einmal vermehrten. Bakteriophagen aber schafften das Gleiche oft
bereits in wenigen Minuten. Für Experimente mit Viren waren solche
Schnellläufer besonders gut geeignet, da man viele Ereignisse gleichzeitig
erhielt und daher auch mit Methoden der Statistik arbeiten konnte. In den
nächsten Jahren beschäftigte sich Delbrück hauptsächlich
mit der Vermehrung von Viren und Bakteriophagen.
1939 konnten Delbrück und Ellis anhand des Ein-Stufen-Vermehrungs-Experiments
zeigen, dass jedes von wenigstens einem Bakteriophagen infizierte Bakterium
nach einer bestimmten Zeit einige hundert Phagennachkommen freisetzt. Dieser
Befund war Anlass für die Frage, was in dem infizierten Bakterium vor
dem Freisetzen der Phagennachkommenschaft vor sich gehe - eine Frage, deren
Beantwortung zu den wesentlichen Erkenntnissen der Molekularbiologie führen
sollte.
Infizierten zwei
unterschiedliche Bakteriophagen gleichzeitig dasselbe Bakterium, tauschten
beide Erreger manchmal Teile ihres Erbguts miteinander aus. Dieser Mechanismus
ermöglichte es Delbrück und seinen Kollegen, die Struktur des
Viruserbguts genauer zu untersuchen: Da sich bei diesen Neukombinationen
bisweilen verschiedene Eigenschaften des Virus änderten, musste dieses
auch verschiedene Erbinformationen besitzen. Tatsächlich bestätigten
Experimente in den Folgejahren, dass sich viele der zunächst an Bakteriophagen
entdeckten Eigenschaften auch bei anderen Viren fanden. Delbrück und
seinen Kollegen klärten auf, wie sich diese Viren vermehren und erhielten
für diese Leistung den Nobelpreis des Jahres 1969. Mit ihrer Arbeit
hatten die Wissenschaftler grundlegende Probleme der Biologie geklärt
und einen Einblick in die Abläufe bei Virusinfektionen gegeben. Aus
diesem Wissen resultierten etliche Methoden, mit denen Virusinfektionen
besser als zuvor bekämpft werden konnten. Was zum damaligen Zeitpunkt
noch nicht bekannt war, ist die Tatsache, dass solche Bakteriophagen die
wahre Ursache der Cholera, einer der schlimmsten Infektionskrankheiten des
20. Jahrhunderts, sind.
Aus der gemeinsamen Forschungstätigkeit mit dem italienischen Biophysiker
S. Luria resultierte 1943 u.a. der Nachweis des spontanen Auftretens von
phagenresistenten Bakterienmutanten mittels der dafür entwickelten
Methode des Fluktuationstests.
Mit der Fluktuationsanalyse bewiesen Delbrück und Luria, dass sich
bakterielle Gene ändern können und dadurch die Zelle vor dem Virenbefall
schützen. Dies geschieht spontan und zufällig. Wenn es heute gelingt,
einzelne Gene des Menschen zu isolieren, ihre Struktur aufzuklären,
sie anschließend in der Retorte nachzubauen, dann in Bakterien einzubauen
und diese damit zur Bildung menschlicher Genprodukte, zum Beispiel von Insulin
oder Interferon, zu veranlassen, dann basiert all das nicht zuletzt auf
den Pioniertaten von Delbrück, dem Begründer der Molekularbiologie.