Der Nobelpreis für Medizin und Physiologie  


Nach dem Willen Alfred Nobels nominieren die Mediziner des Karolinska Instituts in Stockholm jährlich einen Preisträger für das Gebiet der Medizin oder der Physiologie. Sie wählen seit 1901 denjenigen Forscher aus, dem "die wichtigste Entdeckung auf dem Gebiet der Physiologie oder der Medizin" gelungen ist.
Die medizinische klinische Forschung ist damit z. B. für die Bereiche der Diagnostik und Therapie als ein eigener Forschungsbereich neben der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung anerkannt. Im 20. Jahrhundert wurde der Nobelpreis für Medizin und Physiologie an insgesamt 172 Personen verliehen. Er wurde nur sechsmal an Frauen vergeben, obwohl der Preis in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Teamarbeit und der wachsenden internationalen medizinischen Forschung häufiger geteilt wurde und sich dadurch die Zahl der Preisträger gegenüber der ersten Jahrhunderthälfte nahezu verdoppelt hat.


Seuchenbekämpfung

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Einsicht in die Abläufe der Krankheitsübertragung ein besonderer Schwerpunkt der medizinischen Forschung. So gelang z.B. 1909 Charles Jules Henri Nicolle (1866-1936, ausgezeichnet 1928) die Entdeckung der Übertragung des Typhuserregers durch Läuse. Neue Entdeckungen zur Krankheitsübertragung ziehen auch gegenwärtig das Interesse der Preisverleiher auf sich. 1997 erhielt Stanley B. Prusiner (*1942) den Preis für die Entdeckung des Prions als neuem Prinzip der Infektion.


Antibiotika, Insektizide und Hormone

In den Jahren vor und nach den beiden Weltkriegen wurde mit dem Preis v. a. die Entdeckung von medizinisch und physiologisch relevanten Stoffen und Substanzen gewürdigt, so 1948 die des Insektizids DDT durch Paul Hermann Müller (1899- 1965), so im Jahr 1945 die des Antibiotikums Penicillin durch Sir Alexander Fleming (1881-1955), Ernst Boris Chain (1906-1979) und Sir Howard Walter Florey (1898-1968), die desweiteren Entdeckung der Antigene und die exaktere Erforschung von Verdauung, Blutzirkulation und Atmung. Preisverleihungen zur Erforschung der Regulationsweise des Stoffwechsels ziehen sich dagegen kontinuierlich durch das vergangene Jahrhundert; ein Beispiel ist der 1923 vergebene Preis für die Entdeckung des Hormons Insulin durch Frederick Grant Banting (1891-1941) und John James Richard Macleod (1876-1935).


Genetik und Molekularbiologie

Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden Preise vermehrt auf den Gebieten der Krebsforschung, der Neuro-, Zell- und Molekularbiologie sowie der Genetik verliehen, so z. B. 1962 an Francis Harry Compton Crick (*1916), James Dewey Watson (*1928) und Maurice Hugh Frederick Wilkins (*1916) für die Entdeckung der Molekularstruktur der Erbsubstanz DNA und 1968 an Robert W. Holley (1922-1993), Har Gobind Khorana (*1922) und Marshall W. Nirenberg (*1927) für die Entzifferung des genetischen Codes. Die Bedeutung einiger Arbeiten auf dem Gebiet der klassischen genetischen Forschung wurden jedoch erst sehr spät erkannt; so erhielt Barbara McClintock (1902-1992) erst 1983 den Nobelpreis für ihre Forschung über mobile genetische Elemente, die sie bereits 1944 entdeckt hatte.


Diagnostik und Therapie

Seit den 60er Jahren wurden Nobelpreise für diagnostische und therapeutische Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Chirurgie und Sinnesphysiologie verliehen. So ging der Preis z. B. 1961 an Georg von Békésy (1899-1972) für seine Arbeiten zur physikalischen Stimulierung der Gehöhrschnecke, 1979 an Allan M. Cormack (1924-1998) und Godfrey N. Hounsfield (*1919) für die Diagnostik mittels Computertomographie und 1990 an Joseph E. Murray (*1919) und E. Donnall Thomas (*1920) für ihre Forschungen zur Zell- und Organtransplantation für therapeutische Zwecke.

Marita Hübner