Rudolf
C. Eucken

Fachliche Leistung
Mit Rudolf Christoph Eucken erhielt erstmals ein Philosoph den Nobelpreis
für Literatur, obwohl man seinen Namen kaum mit Literatur oder Sprachkunst
in Verbindung bringen mag. Was Eucken seinerzeit preiswürdig machte,
war die humanitäre Sendung, zu der er sich berufen fühlte, war die
selbst auferlegte prophetische Rolle eines Menschheitsretters.
Das erklärte Ziel seiner Philosophie war die Bemühung um eine ideale
Weltanschauung, deren Grundzüge er bereits in den achtziger Jahren entwickelt
hatte. Er lehnte jede Form des Intellektualismus in der Philosophie ab und
propagierte einen (nachkantianischen) "neuen Idealismus", den er
"schöpferischen Aktivismus" nannte. Nicht das Individuum, sondern
die gemeinsame schöpferische Lebenskraft aller Menschen solle aktiviert
werden, wobei die Philosophie zu dieser Lebensanschauung anhalten solle. Eucken
wurde damit zum Initiator der neuidealistischen Bewegung.
Der Nobelpreis wurde ihm 1908 denn auch nicht für sein literarisches
Werk verliehen, sondern für seine Arbeit an jenem neuen philosophischen
Idealismus. Die Betonung seiner neuidealistischen Philosophie des "schöpferischen
Aktivismus" lag darauf, dass das Leben der persönlichen ethischen
Bemühung bedürfe, und dass der Mensch daran arbeiten müsse,
die natürlichen Instinkte durch Hinwendung zum Geistigen zu überwinden.
Eucken betrachtete die orthodoxe Religion nur als Zufluchtsort, der nicht
in der Lage ist, eine Person in vollständige Einheit mit dem Geistigen
zu bringen.
Der Philosoph aus Jena wurde zu einem der Wortführer der traditionsorientierten
intellektuellen Elite, die im Fin de Siècle vor allem in Deutschland
den Verfall von Kultur und Gesellschaft und die Entfremdung der menschlichen
Arbeit durch die industrielle Technik beklagten. Gegen den Intellektualismus
der Gelehrtenphilosophie und eine dem Technischen verhaftete Scheinkultur
gewandt, forderte er ein auf die substantielle Einheit ausgerichtetes, ethisch
verwurzeltes Geistesleben, dessen absolute Form er im Göttlichen sah.
Nur in einer neuen Weltanschauung sah Eucken die Möglichkeit, die Zivilisation
des Fin de Siècle aus der Richtungslosigkeit herauszuführen und
damit die allgemeine Krise der Moderne zu beenden.
Eucken ging in seinem philosophischen Konzept davon aus, dass das Geistesleben
nicht nur ein eigenständiges, sondern das eigentliche Leben sei, das
eine neue Stufe der Wirklichkeit schaffe. Ihm ging es um eine neuartige Verbindung
von Natur, Geist und All in einem Prozess, den er das "Beisichselbstsein
des Lebens" nannte. Die Vergeistigung der Welt war die kulturelle Botschaft
seiner idealistischen Lebensphilosophie. An diesen Gedanken schloss sich für
ihn die Bemühung um die geistige Zusammenarbeit der Völker an.