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FU Berlin
Digitale Dissertation

Peter Vagedes :
Simulation of enzyme reactions
The influence of protonation on catalysis and on protein-protein association
Simulation enzymatischer Reaktionen

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|Zusammenfassung| |Inhaltsverzeichnis| |Ergänzende Angaben|

Zusammenfassung

Zusammenfassung (German abstract)

In dieser Arbeit wurde die Rolle elektrostatischer Wechselwirkungen in Proteinen bei verschiedenen Prozessen untersucht. Der Schwerpunkt lag auf der Untersuchung des Einflusses elektrostatischer Wechselwirkungen auf katalysierte Reaktionen und auf die Assoziation von Proteinen.

Das Protonierungsmuster des Enzyms Acetylcholinesterase wurde mit einer Monte-Carlo Titrationsmethode auf der Basis elektrostatischer Potentiale an den titrierbaren Gruppen bestimmt. Das berechnete Protonierungsmuster wies nicht alle titrierbaren Gruppen in ihrem Standardprotonierungszustand auf. Dieser Befund ließ vermuten, dass die Funktion von Acetylcholinesterase nicht allein anhand ihrer Struktur und des Standardprotonierungszustandes zu bewerten ist, der alle titrierbaren Gruppen in geladenem Zustand vorsieht, sondern dass darüber hinaus das Protonierungsmuster detailliert ermittelt werden muss.

Besonders die Rolle des Residuums Glu199, das nahe am aktiven Zentrum liegt und zwischen verschiedenen Spezies hochkonserviert ist, wurde stets diskutiert, denn die Glu199Ala Mutation zeigte nicht den deutlichen Effekt, den man erwarten kann, wenn eine geladene Gruppe durch Alanin ersetzt wird. Meine Titrationsrechnung zeigte, dass Glu199 in der Tat sowohl im freien als auch im acylierten Enzym protoniert ist. Dies erklärt den beobachteten kleinen Effekt des Mutationsexperiments sehr klar.

Die daran anschließende Frage war, ob der ungeladene Protonierungszustand von Glu199 mit dem katalytischen Mechanismus von Acetylcholinesterase in Übereinstimmung zu bringen ist. Daher habe ich den geschwindigkeitsbestimmenden Deacylierungsschritt der Acetylcholinesterase untersucht. Die Simulation dieser Reaktion wurde mit dem theoretischen Konzept der empirischen Valenzbindungsmethode (EVB) durchgeführt. Mit dieser Methode kann die freie Energie entlang des Reaktionspfades berechnet werden. Die Möglichkeiten zur Parameterisierung der EVB-Methode ermöglichen einen aussagekräftigen Vergleich der berechneten freien Energien mit experimentellen Werten, die von gemessenen Reaktionsraten abgeleitet werden können. In meinen Untersuchungen konnte ich die experimentell bestimme Reaktionsrate mit einer zufriedenstellend kleinen Abweichung reproduzieren: Die Rate, die in der Simulation berechnet wurde, liegt lediglich um den Faktor 30 unter dem experimentell bestimmten Wert. Dieses Ergebnis konnte nur dann erreicht werden, wenn das Protonierungsmuster der Acetylcholinesterase entsprechend richtig eingestellt war. Als Bestätigung der vorher angestellten Monte-Carlo Titration konnte gezeigt werden, dass Glu199 im geladenen Protonierungszustand die Rate um den Faktor 10^4 erniedrigt. Dieses Resultat unterstreicht, dass es wichtig ist, den korrekten Protonierungszustand einzubeziehen, wenn die Funktion von Enzymen untersucht werden soll.

Die Untersuchungen an Acetylcholinesterase zeigten außerdem, dass das Protonierungsmuster im aktiven Zentrum mit den üblichen Vorstellungen über den Mechanismus von Serin-Hydrolasen übereinstimmt: Das Histidin der katalytischen Triade bildet eine Wasserstoffbrücke mit mit dem Glutamat der katalytischen Triade, wobei die saure Gruppe negativ geladen ist. Aus meinen Rechungen resultierte ein Histidin, das am entsprechenden Stickstoff protoniert war, um mit Glu327 eine Wasserstoffbrücke auszubilden. Der Protonierungszustand von Glu327 wurde als negativ geladen gefunden.

Die Trajektorie der simulierten Reaktion zeigte, dass der tetraedrische Übergangszustand des Deacylierungsschrittes durch ein Oxyanion-Loch stabilisiert wird, wie es auch im Acylierungsschritt der Fall ist.

Die An- oder Abwesenheit des Cholins, dem Reaktionsprodukt des Acylierungsschrittes, beeinflusste in meinen Rechnungen weder den Protonierungszustand des Enzyms noch die Energetik der katalysierten Reaktion. Das Cholin könnte demnach während der Deacylierung noch in der Bindungstasche sein. Dies ist insofern überraschend, als dass Cholin positiv geladen ist und daher einen Einfluss auf die Eigenschaften des aktiven Zentrums haben sollte. Die nicht unterscheidbaren Resultate legen nahe, dass Cholin die Bindungstasche erst nach dem Deacylierungsschritt verlassen könnte. Dies steht im Gegensatz zu den allgemeinen Annahmen.

Ein weiteres Feld, in dem elektrostatische Wechselwirkungen von großem Interesse sind, ist die Assoziation von Proteinen. Hier ist das Enzym Arylsulfatase A (ASA) ein interessantes Fallbeispiel, denn Arylsulfatase A bildet Oktamere bei pH-Werten um 5 und dissoziiert zu Dimeren bei pH Werten über 6. Anhand der Kristallstruktur des Enzyms wurde vorgeschlagen, dass dieses pH-Wert-abhängige Verhalten durch das Protonierungsgleichgewicht von Glu424 kontrolliert wird. Ich habe das Protonierungsverhalten von Arylsulfatase A mit assoziierten und isolierten Dimeren untersucht und festgestellt, dass das Protonierungsverhalten von Glu424 in der Tat signifikant unterschiedlich ist. Die Protonierungswahrscheinlichkeit ist größer, wenn die Dimere assoziiert sind. Dies wurde auch anhand der Struktur vorgeschlagen: Da die Glu424 in der Dimer-Dimer Grenzfläche lediglich einen Abstand von 5 Å aufweisen, wäre es energetisch sehr unvorteilhaft, lägen beide im geladenen Protonierungszustand vor.

Das Titrationsverhalten von Glu424 unterstützt eine weitere Annahme, die anhand der Röntgen-struktur des Enzyms getroffen wurde: Glu424 kann in zwei Konformationen vorliegen. Eine der Konformationen ist für die Bildung einer intermolekularen Wasserstoffbrücke geeignet und würde die Dimer-Dimer Assoziation unterstützen. Die andere Konformation ist für eine intramolekulare Wasserstoffbrückenbindung geeignet, die vorzugsweise in den isolierten Dimeren gebildet würde. Die intermolekulare Wasserstoffbrücke wird mit protoniertem Glu424 gebildet. Die Titrationsrechnungen zeigten, dass die Protonierungswahrscheinlichkeit von Glu424 in der Dimer-Dimer Grenzfläche deutlich größer ist, wenn sich das Glutamat in der Konformation befindet, die die intermolekulare Wasserstoffbrücke ermöglicht.

Um das pH-Wert-abhängige Verhalten der Dimer-Dimer Assoziation von Arylsulfatase zu untersuchen, habe ich die freie Energie der Assoziation mit zwei Methoden berechnet: Mit einer Monte-Carlo Methode, die die Populierungswahrscheinlichkeiten des assoziierten und des isolierten Zustands liefert, sowie mit der Proton-Linkage Methode.

Die erste Methode beruht auf verlässlichen Referenzenergien für den assoziierten und den isolierten Zustand von ASA in Lösung. Die Berechnung dieser Referenzenergien ist jedoch problematisch. Die Resultate sind daher eher qualitativ und zeigen, dass die assoziierte Form bei pH 5 stabiler ist als bei pH 7. Der größte Beitrag zur Assoziation resultiert aus hydrophoben Wechselwirkungen, die über einen Oberflächenfaktor in die Rechnung eingehen. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass elektrostatische Wechselwirkungen der Assoziation eher entgegenwirken. Das Proton-Linkage Modell zeigt die gleichen pH-Wert-Abhängigkeiten der Assoziationsenergien.

Der letzte Teil meiner Arbeit beschäftigt sich mit dem Mechanismus der Sulfatester-Hydrolyse durch Arylsulfatase A. Der Mechanismus könnte über ein geminales Diol im aktiven Zentrum von Arylsulfatase A verlaufen. Diese für ein Enzym ungewöhnliche Gruppe wird durch die Hydratisierung eines Aldehyds gebildet. Diese Hydratisierung muss mindestens ebenso rasch verlaufen wie die Gesamtreaktion von Arylsulfatase A. Das erscheint nur möglich, wenn die Hydratisierung entweder säure- oder basenkatalysiert ist. Aufgrund der Analyse von Titrationsrechnungen erscheint es möglich, dass die Hydratisierung des Aldehyds durch ein Lysin im aktiven Zentrum katalysiert wird. Dieses Lysin-Residuum wurde unprotoniert gefunden und könnte demnach als Base fungieren.

Die in dieser Arbeit untersuchten Systeme zeigen deutlich, dass neben der Struktur eines Enzyms, deren Kenntnis unabdingbar für die Beschreibung seiner Funktion ist, das Protonierungsmuster aufgeklärt werden muss, denn es kann einen starken Einfluss sowohl auf den katalytischen Mechanismus eines Enzyms als auch auf Protein-Protein Assoziationsvorgänge haben. Daher sollten die elektrostatischen Energien, die von den unterschiedlichen Protonierungszuständen abhängen, immer einbezogen werden, wenn quantitative Struktur-Funktionsbeziehungen untersucht werden.



Inhaltsverzeichnis

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1. Introduction 13
2. The protonation pattern of proteins 15
3. Simulation of enzyme catalyzed reactions 29
4. The deacylation step in acetylcholinesterase 41
5. Dimer-octamer equilibrium in arylsulfatase A 57
6. The mechanism of ASA 74
7. Bibliography 103
Appendix

Ergänzende Angaben:

Online-Adresse: http://www.diss.fu-berlin.de/2001/49/index.html
Sprache: Englisch
Keywords: enzymatic reactions, computer simulations, electrostatics
DNB-Sachgruppe: 30 Chemie
Datum der Disputation: 26-Mar-2001
Entstanden am: Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie, Freie Universität Berlin
Erster Gutachter: Prof. Dr. Ernst Walter Knapp
Zweiter Gutachter: Prof. Dr. Wolfram Saenger
Kontakt (Verfasser): vagedes@chemie.fu-berlin.de
Kontakt (Betreuer): knapp@chemie.fu-berlin.de
Abgabedatum:05-Apr-2001
Freigabedatum:05-Apr-2001

 


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