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Kapitel 3 - Herkunft aus öffentlichen Institutionen | Übersicht |


20 Das erste gedruckte Buch mit mathematischen Figuren

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Euklid:
Elementa geometriae, lateinisch.
Venedig: Erhard Ratdolt, 25. V. 1482.
Signatur: 4° Auct. Gr. IV, 3743 Inc.
Provenienz: Stadtbibliothek Nürnberg, 1777/78

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4° Auct. Gr. IV, 3743 Inc. (Ausschnitt)
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Die Elemente der Geometrie sind das älteste mathematische Lehrbuch der Welt, das noch heute im Gebrauch ist. Sein Verfasser war der in Alexandria lebende Mathematiker Euklid (um 365 – um 300 v. Chr.), der das gesamte mathematische Wissen der Griechen seit Pythagoras in ein System brachte, bei dem jedes Theorem logisch aus dem vorhergehenden abgeleitet wird. Die dreizehn Bücher der Elemente behandeln die Geometrie der Flächen (1 – 4), die Verhältnislehre nach Eudoxos und ihre Anwendungen (5 – 6), die Zahlentheorie (7 – 9), quadratische Irrationalität (10) und schließlich die Geometrie der Körper (11 – 13). Das grundlegende Werk wurde im frühen Mittelalter ins Arabische übersetzt. Seine Verbreitung im Abendland basierte auf lateinischen Übersetzungen dieser arabischen Fassungen, die von Adelard von Bath (um 1150) und von J. Campanus (um 1260) angefertigt wurden. Die von Campanus herausgegebene Version liegt auch dem Erstdruck zugrunde, den Erhard Ratdolt (1442 – 1528) 1482 in Venedig veröffentlichte. Erst im 19. Jahrhundert gelang es, einen Teil der von Euklid durch bloße Anschauung gewonnenen Voraussetzungen zu analysieren. Die entscheidende axiomatische Neugestaltung der Euklidschen Mathematik vollzog der Göttinger Mathematiker David Hilbert (1862 – 1943) in seinem Werk über Die Grundlagen der Geometrie (1899), in dem er ein vollständiges System voneinander unabhängiger Axiome aufstellte.

Erhard Ratdolt, der Sohn eines Augsburger Holzbildhauers, ließ sich 1476 in Venedig nieder, wo er eine der bedeutendsten Offizinen der Stadt begründete. Er wurde bekannt als Drucker mathematischer und astronomischer Werke, vor allem von Johannes Regiomontanus (Johannes Müller aus Königsberg in Franken), der selbst als Drucker wirkte. Ratdolt übernahm vermutlich von Regiomontanus eine wichtige Neuerung im Inkunabeldruck: einzigartige Initialen (weiße Buchstaben auf schwarzem Grund, von Rankenwerk umschlungen), Tiefschnittumrahmungen und Zierleisten. Die Zierelemente sind in ihrer äußeren Form ganz dem Stil der italienischen Renaissance verhaftet. Euklids Elemente zeigen auf ihrem ersten Blatt eine weitere Neuerung Ratdolts: Die Erstausgabe ist das erste gedruckte Buch mit Holzschnitten mathematischer Figuren. Ratdolt kehrte im Jahre 1486 nach Augsburg zurück.

(HR)