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Kapitel 6 - Von adliger Herkunft | Übersicht |


50 Der Sonnenkönig und der Bücherfreund: ein Einbandvergleich

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Marcus Tullius Cicero:
Opera. Hrsg. Alexander Minutianus. P. I-IV.
Mailand: Guillaume Le Signerre, [1498].
Signatur: 2° Auct. lat. II,2: 1. 2 Inc.
Provenienz: Pietro Antonio Crevenna, Auktion Amsterdam 1790

Vorschau
2° Auct. lat. II,2: 1,2 Inc. (Ausschnitt)
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Die erste Gesamtausgabe der Werke Ciceros (106 – 43 v. Chr.) erschien erst gegen Ende der Inkunabelzeit im Jahre 1498 in Mailand, während die Drucke einzelner Schriften bereits in den sechziger Jahren auf den Markt kamen und besonders in Italien und Deutschland sehr populär waren. In der Renaissance war Cicero der am meisten gelesene klassische Autor, und aus diesem Grund haben seine Reden und Briefe, aber auch seine politischen und philosophischen Werke inhaltlich und formal tiefere Spuren hinterlassen als die irgendeines anderen Schriftstellers der Antike.

Im hier gezeigten Exemplar sind die Teile I bis IV der Erstausgabe der Werke Ciceros auf zwei Bände verteilt, die beide in rotes, goldverziertes Maroquinleder eingebunden sind. Beide zeigen auf den Deckeln einfache Rahmen aus dreifachen Goldlinien; die Buchrücken haben sechs Bünde. Die unterschiedliche Herkunft wird erst bei genauerer Untersuchung der beiden Rücken deutlich. Bei Band 1 liegt in den fünf Feldern zwischen den Bünden ein Zierstück, welches zwei in sich verschlungene „L“ mit einer aufgesetzten Krone aufweist. Dieses Ornament wurde für die Einbände des französischen Königs Ludwig XIV. (1638 – 1715) verwendet. Hinweise auf den Besitzer von Band 2 sind mehrfach im äußeren Buchschmuck versteckt. Zum einen findet sich auf dem Buchrücken zwischen den Bünden fünfmal ein Zierstück, das hier aus einer Krone und dem Monogramm „JBC“ zusammengesetzt ist; im Deckel ist im Mittelfeld ein prächtiges Wappensupralibros mit einer Schlange eingeprägt. Dass es sich bei dem Vorbesitzer um den Wirtschaftspolitiker und Büchersammler Jean Baptiste Colbert (1619 – 1683), den Begründer des Merkantilismus, handelt, macht auch eine handschriftliche Eintragung auf Bl. 2a deutlich („Biblio- theca Colbertina“). Colbert hat sich einen Namen als Reorganisator der königlichen Bibliothek gemacht und Ludwig XIV. vermutlich auch beim Aufbau seiner Bibliothek unterstützt.

Da kaum anzunehmen ist, dass der König und sein Minister das zweibändige Werk unter sich aufgeteilt haben, kann man heute nur darüber spekulieren, wo die beiden jeweils fehlenden Bände sich befinden, ob sie gar in einer anderen Bibliothek eine zweite komplette Ausgabe bilden. Auf jeden Fall hat Pietro Antonio Crevenna (1735 – 1792), ein aus Mailand gebürtiger und in Amsterdam ansässiger Kaufmann, Geschick bewiesen, als er die beiden Bände für seine große Inkunabelsammlung erwarb. Schon 1774 musste er einen Teil der Sammlung aus finanziellen Gründen wieder abstoßen, was noch übrig blieb, kam schließlich 1790 unter den Hammer.

(HR)