Kapitel 7 - Göttinger Gelehrte | Übersicht |
63 Humanistische Studienausgabe des Horaz
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Quintus Horatius Flaccus:
Opera, lateinisch.
Venedig: Filippo Pincio, 1495 oder 1505.
Signatur: 4° Auct. Lat. III, 348 Inc.
Provenienz: Johann Matthias Gesner, 1764
Das Leben des römischen Dichters Quintus Horatius Flaccus (67 v. Chr. – 8 v. Chr.) wurde entscheidend von den politischen Umwälzungen seiner Zeit geprägt. Der Sohn eines freigelassenen Sklaven aus Venusia erlebte den Aufstieg Caesars und den Untergang der römischen Republik, die Bürgerkriege und die Errichtung des Prinzipates durch Augustus. Der junge Horaz erhielt eine überdurchschnittliche Bildung und war ehrgeizig; in den politischen Wirren erlebte er manche Erfolge, aber auch Tiefpunkte seiner Karriere. Eine dauerhafte Konsolidierung in seinem Leben trat erst mit dem Zugang zum Kreis des Maecenas durch Vermittlung von Vergil ein. Horaz war jetzt nicht nur ein angesehener und materiell abgesicherter Dichter, sondern gehörte auch zum Kreis jener Künstler, die die augusteische Kultur entscheidend mitprägen sollten. Als anerkannter Poet und Vertreter der klassischen römischen Literatur stand Horaz von Beginn an im Mittelpunkt des Interesses bei der Wiederentdeckung antiker Autoren durch die Humanisten in der Renaissance. Neben den Bemühungen um die Herstellung eines möglichst authentischen Textes stand für die Philologen der beginnenden Neuzeit die Abfassung von Kommentaren im Zentrum ihrer Arbeit.
In der hier gezeigten Ausgabe sind außer dem Horaz-Text gleich vier Kommentare enthalten, von denen zwei noch aus antiker Zeit, zwei aus der Renaissance stammen. Die Texterklärungen von Pomponius Porphyrio und Pseudo-Acro sind die einzig erhaltenen Kommentare zu Horaz aus der Antike, obwohl es zahlreiche Werke dieser Art gegeben haben muss. Die umfangreichen Anmerkungen neuerer Zeit stammen von Antonius Mancinellus und Christophorus Landinus. So wie diese Ausgabe, eine typische Studienausgabe der Renaissance, sahen auch viele andere Werkausgaben der Zeit aus: Einige wenige Textzeilen des antiken Autors werden von umfangreichen Erläuterungen eingerahmt, wie hier beim Anfang der 15. Ode aus dem 2. Odenbuch. Horaz prangert darin die übertriebene Liebe zum Luxus in seiner Gegenwart an und lobt die „gute alte Zeit”, die Bescheidenheit und Sparsamkeit der Vorfahren. Begleitet wird der Beginn des Gedichtes von einer Abbildung, die das einfache Landleben zeigt, für die Römer zu allen Zeiten ein Ideal der Lebensführung.
Der Druck stammt aus der Werkstatt des venezianischen Druckers Filippo Pincio (1490 – 1530), der die Herstellung des Werkes für Benedictus Fontana übernommen hat. Venedig hatte sich am Ende des 15. Jahrhunderts zu einer Hochburg der Renaissance entwickelt, in der das Buchwesen eine heraus- ragende Bedeutung einnahm. Nirgendwo sonst gab es so viele Buchdrucker, nirgendwo sonst so viele kaufkräftige Kunden und wissen- schaftlich interessierte Leser.
(JM)