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Kapitel 7 - Göttinger Gelehrte | Übersicht |


70 Der Kronzeuge des
mittelalterlichen Rittertums

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Jean Froissart:
Chroniques de France, d’Angleterre, d’Escoce. Band 4.
Paris: Antoine Vérard, [um 1499].
Signatur: 2° Hist. Gall. un. II, 2310 Inc.
Provenienz: Hofrätin Richter, 1780

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2° Hist. Gall. un. II, 2310 Inc. (Ausschnitt)
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Der französische Hofdichter und Geschichtsschreiber Jean Froissart (1337 – um 1410) schilderte in den vier Bänden seiner Chronik die Ereignisse der jüngeren Zeitgeschichte seit 1325. Dabei konnte er auch auf eigene Erfahrungen und Einblicke zurückgreifen, denn ein ununterbrochenes Reiseleben führte ihn an sämtliche wichtigen europäischen Höfe, auch an den englischen und den spanischen. Während Froissart für die Jahre 1325 bis 1356 im wesentlichen eine Chronik des Lütticher Kanonikers Jean le Bel als Vorlage diente, der er eigenes Material hinzufügte, war er nach 1369 somit in der Lage, ausschließlich selbst gesammelte Aufzeichnungen zu verwenden. Der vierte, unvollendete Band entstand am Hof Albrechts von Bayern und beschreibt den Zeitraum zwischen 1388 und 1400. Im Mittelpunkt stehen die Wirren am französischen Hof nach 1390 und die Vorgeschichte der Absetzung des englischen Königs Richard II., aber auch weitere wichtige Ereignisse der europäischen Geschichte werden in breiter Anlage einbezogen.

Froissarts Werk wurde wegen seiner lebendigen Schilderung der ersten Hälfte des Hundertjährigen Krieges zwischen England und Frankreich berühmt. Sein Hauptaugenmerk richtete der häufig als „größter Chronist des Mittelalters“ gefeierte Dichter auf kriegerische Ereignisse, die Beschreibung ritterlicher Taten und die Charakterisierung großer Helden, wobei er zahlreiche stilistische und stoffliche Anregungen aus der höfischen Literatur verarbeitete. Als Ideal galt Froissart das zu seiner Zeit schon zum Mythos gewordene mittelalterliche Rittertum, das er mit seiner Chronik wieder zum Leben erwecken wollte.

Erstmalig wurden die Chroniques im Jahre 1499 von Antoine Vérard in Paris veröffentlicht. Vérard war als Drucker von Stundenbüchern bekannt geworden: In seiner Druckerei entstanden mehr als 200 Ausgaben, die durch ihren zierlichen Satz, elegante Randleisten und filigrane Illustrationen bald zu begehrten Sammelobjekten wurden. Die Chroniques sind in nur wenigen Bibliotheken mit allen vier Bänden nachgewiesen. In Deutschland ist das Werk neben Göttingen nur in Weimar vorhanden. Pergamentexemplare wie das vorliegende sind jedoch in deutschen Bibliotheken sonst überhaupt nicht anzutreffen. – Aufgeschlagen ist die ganzseitig gemalte Illustration einer Turnierszene. Sie gehört zu den schönsten Beispielen französischen Buchschmucks, die der Göttinger Bestand zu bieten hat.

(HR)