Kapitel 7 - Göttinger Gelehrte | Übersicht |
74 Entzifferung von Keilschriften aus Persien
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Georg Friedrich Grotefend:
De cuneatis, quas vocant, inscriptionibus Persepolitanis legendis et explicandis relatio.
Papierhandschrift, um 1802/1803.
Signatur: 2° Cod. Ms. hist. 37a: VIIIa Cim.
Provenienz: Ernst Ludwig von Leutsch, 1878
Georg Friedrich Grotefend wurde 1775 in Hannoversch Münden geboren und starb 1853 in Hannover. Als Gymnasiallehrer war er in Göttingen, Frankfurt am Main und seit 1821 als Direktor des Lyzeums in Hannover tätig. Seine Interessenschwerpunkte waren die lateinische Sprache und die Alte Geschichte. Bleibenden Ruhm hat er sich jedoch als Außenseiter der Orientalistik erworben, wobei ihm seine philologischen Kenntnisse und Neigungen sehr zugute kamen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die überlieferten Dokumente der alten persischen Sprache noch nicht entschlüsselt. Obwohl der Forschung schon im 18. Jahrhundert Schriftzeichen bekannt gemacht worden waren, waren alle Bemühungen um ihre Deutung vergeblich geblieben. Da unterhielten sich 1802 bei einem sommerlichen Spaziergang Grotefend und sein Freund Johann Dominicus Fiorillo (1748 – 1821) über die Frage, ob die Schrift einer unbekannten Sprache nur aus sich selbst, also ohne Hilfsmittel und Kenntnis des Inhalts, gedeutet werden könne. Grotefend bejahte, der skeptische Fiorillo forderte den Beweis.
Das ist die von Grotefend selbst überlieferte Vorgeschichte zu einer sprachgeschichtlichen Sensation: der Entzifferung der altpersischen Keilschrift, bzw. eines Teiles davon, in kürzester Zeit. In der wissenschaftlichen Welt wurde das allerdings nur über kurze, zusammenfassende Nachrichten rezipiert, die an verschiedenen Stellen erschienen. Die Ausführungen Grotefends, die all dem zu Grunde lagen, blieben zunächst unpubliziert. Sie waren 1802 und 1803 während der eigentlichen Entschlüsselungsarbeit entstanden und wurden der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften als Manuskript vorgelegt. Über den Kreis der anwesenden Akademiemitglieder hinaus wurden sie nicht bekannt. Erst 1893 gab Wilhelm Meyer im Nachrichtenorgan der Gesellschaft die so bedeutenden Dokumente heraus – allerdings auf der Basis von Kopien, die er im Archiv der Gesellschaft vorfand.
Das Original des frühesten Aufsatzes von Grotefend wurde im Bestand der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek erst 1974 von Prof. Dr. Riekele Borger entdeckt. Grotefend beschrieb darin, wie er – nach heutigem Wissen annähernd richtig – die altpersische Namensform der Achämeniden- Könige Dareios, Xerxes, Hystaspes sowie den Titel König erkannte. Die Keilschrift, Ende des 4. Jahrtausends v. Chr. von den Sumerern als Bilderschrift benutzt, hatte sich in die Richtung zu einer Silbenschrift entwickelt und wurde – regional unterschiedlich – auch noch parallel zu den späteren Buchstabenschriften verwendet. Im Unterschied zu den frühen Keilschriften, die einen Vorrat von mehreren hundert bis zu etwa 2.000 Zeichen benötigten, kam das Altpersische mit rund 40 Schriftzeichen aus.
(JM)