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Kapitel 8
Auswärtige Wissenschaftler



Gottsched
Johann Christoph Gottsched (1700 – 1766)

Dank ihrer großzügigen Mittelausstattung im 18. Jahrhundert konnte die Göttinger Universitätsbibliothek in großem Umfang nicht nur den Grundbedarf einer Universalbibliothek unter den jährlichen Neuerscheinungen decken; sie war darüber hinaus in der Lage, noch vorhandene Lücken zu schließen und antiquarische Erwerbungen zu tätigen, die zur allmählichen Verdichtung der historisch-philologischen Quellenliteratur des 15. bis 17. Jahrhunderts führten. Besonders ergiebig in dieser Hinsicht waren Bibliotheken auswärtiger Gelehrter, die nach 1750 zum Verkauf kamen. Selbst wenn diese Gelehrtenbibliotheken nach Inhalt und Umfang sehr unterschiedlich waren, so trugen sie dennoch dazu bei, die Göttinger Bibliothek bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zur größten wissenschaftlichen Gebrauchsbibliothek in Deutschland zu machen.

Der Leipziger Professor der Poesie, Logik und Metaphysik Johann Christoph Gottsched (1700 – 1766) ist besonders durch die Herausgabe ästhetisch-literarhistorischer Zeitschriften (z. B. Die vernünftigen Tadlerinnen) und durch die Veröffentlichung einiger grundlegender Lehrbücher zur deutschen Literatur (z. B. Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen) hervorgetreten. Auf der Auktion seiner Bibliothek am 13. Juli 1767 in Leipzig wurden zwar nur zehn Titel in acht Bänden ersteigert, aber darunter waren vier Inkunabeln aus dem Bereich der älteren deutschen Literatur. Gottsched hatte seine literaturwissenschaftliche und literaturpflegerische Tätigkeit aus der Gegenwart in die Vergangenheit übertragen: Er stellte einen Nöthigen Vorrath zur Geschichte der deutschen Dramatischen Dichtkunst von 1450 an zusammen und sammelte für seine Privatbibliothek alte deutsche Literaturdenkmäler. Die erste gedruckte Ausgabe von Wolfram von Eschenbachs Parzival, gedruckt von Mentelin in Straßburg 1477, ist ein hervorragendes Beispiel für Gottscheds Vorrath. Mit dieser Auktion des Jahres 1767 begann die Göttinger Bibliothek, systematisch frühe Ausgaben deutschsprachiger Literatur zu sammeln.

Thomasius
Katalog zur Bibliothek von Gottfried Thomasius
(1660 – 1746)

28 Jahre nach seinem Tode wurde 1769 der zweite Teil der Büchersammlung des Altdorfer Professors Christian Gottlieb Schwarz (1675 – 1751) verkauft: 61 Handschriften und 1.011 Drucke (davon 138 undatierte Ausgaben, 612 datierte Inkunabeln, 260 Drucke des 16. und ein Druck des 17. Jahrhunderts). Schwarz war seit 1709 Professor der Beredsamkeit, Poesie und Geschichte an der Universität Altdorf, an der er 42 Jahre lang lehrte. Der Schwerpunkt seiner Bibliothek lag in ihrem Bestand an Wiegendrucken, wie es auch der Verkaufskatalog formuliert: „... continens codices manuscriptos vetustos et libros saeculo XV ab incunabulis impressos ...“. Die Göttinger Bibliothek erwarb 55 Nummern (40 Titel), darunter 39 Inkunabeln, die am 15. März 1770 in der Bibliothek eintrafen. Von besonderem Wert unter den Wiegendrucken war die erste Ausgabe des Eunuchus von Terenz in deutscher Sprache, die Conrad Dinckmut 1486 in Ulm druckte.

Insgesamt acht Jahre, von 1765 bis 1773, dauerte der Verkauf der umfangreichen Bibliothek des Nürnberger Mediziners und Polyhistors Gottfried Thomasius (1660 – 1746), des Bruders des berühmten Hallenser Juristen Christian Thomasius (1655 – 1728). Es handelte sich um eine riesige Privatbibliothek universalen Charakters (29.844 Nummern, davon 253 Handschriften) mit vielen Raritäten vor allem aus dem Bereich der älteren deutschen Literatur. Göttingen hat aus dieser Sammlung 1770 neben vielen anderen Werken 175 Inkunabeln erworben. Bemerkenswert sind die zahlreichen deutschsprachigen, oft mit Holzschnitten geschmückten Ausgaben. Diese Erwerbung war der erste umfangreiche Zuwachs an Wiegendrucken seit Gründung der Göttinger Bibliothek.

Am 27. November 1776 erwarb die Universitätsbibliothek auf der Auktion der Büchersammlung des Helmstedter Professors Rudolf Anton Fabricius 33 Inkunabeln. Diese zweite Ergänzung der Inkunabelsammlung im Jahre 1776 enthielt vorwiegend wissenschaftlich-theologische Werke, Literatur des Humanismus sowie erbauliche Schriften mittelalterlicher Autoren. Zu letzteren zählt Stephan Fridolins Schatzbehalter der wahren Reichtümer des Heils aus der Werkstatt des Großverlegers Anton Koberger in Nürnberg. Am Ende dieses Kapitels werden Einzelerwerbungen aus den Bibliotheken verschiedener Gelehrter vorgestellt, darunter Johan Lundblad aus Lund (1792) und Heinrich Philipp Conrad Henke aus Helmstedt (1811).

(HR)