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Kapitel 8 - Auswärtige Wissenschaftler | Übersicht |


86 Der erste Druck eines antiken
Schauspiels in einer Volkssprache

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Publius Terentius Afer:
Eunuchus, deutsch.
Ulm: Conrad Dinckmut, 1486.
Signatur: 4° Auct. Lat. I, 4202 Inc.
Provenienz: Christian Gottlieb Schwarz, 1769/70

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4° Auct. Lat. I, 4202 Inc. (Ausschnitt)
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Die antike Komödie Eunuchus des römischen Dichters Publius Terentius Afer (ca. 190 v. Chr. – nach 160 v. Chr.) wurde 161 v. Chr. bei den Megalensischen Spielen von der Schauspieltruppe des Lucius Ambivius Turpio uraufgeführt. Das Publikum nahm das Stück mit Begeisterung auf. Bereits am ersten Spieltag musste es zweimal wiederholt werden und brachte insgesamt die Riesensumme von 8.000 Sesterzen ein. Der Kern des Schauspiels liegt in den Bemühungen der Hetäre Theis, das Mädchen Pamphila, welches als Kind entführt und als Sklavin verkauft wurde, wieder mit seiner Familie zusammenzuführen. Um diesen Handlungsstrang bauen sich zwei unterschiedliche Liebesgeschichten auf. In der ersten wetteifern der Soldat Thraso und der Jüngling Phadria um die Gunst der Hetäre Theis. Thraso bietet ihr die Sklavin Pamphila als Geschenk für die Abwendung von Phadria. Dieser wiederum sendet ihr einen Eunuchen als Liebesbeweis. Zeitgleich verliebt sich Chaerea, der Bruder von Pha- dria, in die vermeintliche Sklavin Pamphila. Mittels der Kleidung des Eunuchen gelangt er in ihre Nähe und verführt sie. Als sich herausstellt, dass Pamphila eine Freigeborene ist, darf Chaerea seine Geliebte heiraten. Der prahlerische Thraso ist der doppelte Verlierer des Stücks: Er verliert nicht nur die teuer erkaufte Sklavin, sondern auch die Gunst der Theis, die sich Phadria zuwendet. Die wirkungsvolle Intrigen- und Wiedererkennungskomödie verzichtet auf derb-lustige oder reißerische Anspielungen. Die Glaubwürdigkeit und die humane Gesinnung der handelnden Personen machten dieses Schauspiel zu allen Zeiten erfolgreich. Ihr Verfasser Terenz, ein wichtiger Vertreter der altlateinischen Komödie, gehörte im Altertum und im Mittelalter zu den beliebtesten Schriftstellern.

Die deutsche Übersetzung des Eunuchus stammt von dem vermögenden, humanistisch gebildeten Ulmer Patrizier Hans Neithart. Dieser veranlasste und finanzierte den Druck durch Conrad Dinckmut. In der Schlussschrift heißt es kurz: „Dise Comedia hat Hanns Nythart zu Vlm lasse trucken den Cunrad Dinckmut“. Das Werk ist mit 28 ganzseitigen Holzschnitten verziert. In der Vorrede wird deutlich, dass diese Illustrationen Originalschöpfungen sind, an deren Gestaltung Neithart maßgeblich beteiligt war. Der deutsche Eunuchus ist der erste Druck eines antiken Schauspiels in einer Volkssprache und die erste illustrierte Ausgabe eines Schauspiels. Die Ausgabe erschien im Jahr 1486 und stellt den Höhepunkt der Druckertätigkeit der Dinckmutschen Offizin dar.

(HR/KN)