Kapitel 9 - Aus den Bibliotheken privater Büchersammler | Übersicht |
89 Der vierte Bibeldruck
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Biblia, lateinisch.
Mainz: Johannes Fust und Peter Schöffer, 14. VIII. 1462.
Signatur: 2° Bibl. I, 6002 Inc. Rara
Provenienz: Friedrich Wilhelm von Duve, 1782
Nach dem Bruch mit Johannes Gutenberg führte Johannes Fust die Arbeit der Druckerei in Mainz fort mit Hilfe von Gutenbergs Mitarbeiter Peter Schöffer, der im Streit zwischen Fust und Gutenberg auf Fusts Seite getreten war und der technische Leiter der neuen Firma wurde. Schöffer stammte aus Gernsheim am Rhein, wo er um 1425 geboren wurde. In Erfurt immatri- kulierte er sich für Theologie und Recht, be- tätigte sich jedoch danach als Schreiber und wirkte unter anderem als Kalligraph in Paris. 1452 stieß er zu Gutenberg, dessen wichtigster Schüler er wurde. Auch wenn die Details nur schwer zu ermitteln sind, so deutet doch viel darauf hin, dass Schöffer die Erfindungen Gutenbergs sehr eigenständig und konstruktiv weiterentwickelte. Das gilt nicht nur für die technischen Aspekte des neuen Handwerks. Auch bei der Gestaltung neuer Schriften zeigte sich Schöffer einfallsreich und stilsicher. Nicht zuletzt die Perfektion des Mainzer Psalters mit seinen vielen innovativen Elementen zeigt die Meisterschaft des Gutenbergschülers.
Zu den prächtigen liturgischen Drucken dieser Jahre gehört auch die sogenannte 48zeilige Bibel von 1462. Für sie hatte Schöffer eine sehr schöne Gotico-Antiqua hergestellt, die gefälliger und leichter lesbar war als die konservative Textura der B42. Berühmt ist dieses Buch auch für das erste in einem Druckwerk enthaltene Signet der Produzenten. Fust und Schöffer begründeten damit eine sehr wirkungsmächtige Tradition in der Buchgeschichte. Ihre Erzeugnisse waren – im Gegensatz zu denen Gutenbergs – damit nicht mehr anonym. Das deutet vor allem auf ein gut ausgeprägtes Selbstbewusstsein hin. In der Tat wusste Schöffer, was er konnte, und wurde darin durch seinen anhaltenden Erfolg auch regelmäßig bestätigt. Er ist einer der wenigen Frühdrucker, die mit handwerklichem Können, einer glücklichen Hand bei der Auswahl der Texte und kaufmännischem Geschick eine glänzende Karriere machten. Nach dem Tode Fusts 1466 und der Heirat mit dessen Tochter war er seit 1476 alleiniger Inhaber des erfolgreichen Unternehmens und engagierte sich – wiederum mit günstigem Ausgang – auf ganz anderen Geschäftsfeldern. Insgesamt hat Schöffer rund 250 Werke gedruckt und dabei das Niveau stets hoch gehalten. Als er kurz nach der Jahrhundertwende starb, waren drei seiner Söhne in seine Fußstapfen getreten und ebenfalls im Druckgewerbe tätig.
Das Göttinger Exemplar der B48 gehört mit dem Catholicon des Johannes Balbus zu den ältesten und wertvollsten Stücken der Sammlung Duve. Es hat einen Einband aus rotem Maroquin mit einer Vergoldung, die an den Harleian Style erinnert, doch stammt es wahrscheinlich nicht aus der Sammlung Harley.
(HR/JM)