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Kapitel 10 - In Dankbarkeit verbunden – Schenkungen Ehemaliger | Übersicht |


106 Fotografien der Indianer Nordamerikas

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Edward Sheriff Curtis:
The North American Indian: Being a series of volumes picturing and describing the
Indians of the United States and Alaska.
Cambridge, Mass.: 1907-1930.
Signatur: gr. 2° Hist. Am. II, 12 Rara und 4° Hist. Am. II, 12 Rara
Provenienz: Pierpont Morgan Foundation

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gr 2° Hist. Am. II, 12 Rara (Ausschnitt)
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Edward Sheriff Curtis (1868 – 1952) stammte aus einfachen Verhältnissen. Er scheint sich aber schon früh autodidaktisch mit der Fotografie befasst zu haben und eröffnete 1897 ein expandierendes Fotostudio. Als Curtis zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf seinen ausgedehnten Reisen durch den nordamerikanischen Kontinent mit dem Aufbau einer umfangreichen Fotodokumentation begann, war die Verdrängung der „native Americans“ bereits in vollem Gange. Über Jahrzehnte hinweg waren sie aus ihren angestammten Siedlungsgebieten vertrieben, ihrer Lebensgrundlage beraubt und schließlich in Reservaten angesiedelt worden. Ihre Bevölkerungszahl war stark rückläufig und erreichte um 1920 mit 350.000 ihren tiefsten Stand. Sie schienen tatsächlich eine „vanishing race“ zu sein, wie es Curtis auf einem seiner Bilder nannte.

Mit seinen Aufnahmen plante der Fotograf, Eindrücke aus dem Leben der indianischen Völker festzuhalten, so lange dies noch möglich war. Doch Curtis, der mit über 2.200 Fotos die umfangreichste Sammlung an Aufnahmen zu diesem Thema anzulegen begann, sah lediglich das, was er sehen wollte. Gerade in seinen frühen Fotografien spiegelt sich eher eine zeittypische Betrachtungsweise „der Indianer“ als die Realität. Eine romantisierende Sicht, verbunden mit dem Gestaltungswillen des fotografierenden Künstlers, schuf zwar stimmungsvolle, atmosphärische Momentaufnahmen, blendete aber die harte Wirklichkeit weitgehend aus. Die Tatsache, dass zahlreiche indianische Völker mit ganz eigenen Kulturen, Sprachen und Lebensweisen um ihr Überleben kämpften, trat hinter dem Ideal des echten, traditions- und naturverbundenen Indianers zurück.

Während der 25 Jahre, in denen Curtis über 80 verschiedene Stämme besuchte, lernte der Fotograf viel über die Menschen, die er ablichtete. Und im selben Maß, in dem seine Fotos an dokumentarischem Wert gewannen, erfuhr er mehr Achtung und Unterstützung durch die Indianer selbst. Es ist tragisch, dass die Öffentlichkeit zu dieser Zeit, Ende der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts, das Interesse an Curtis’ Werk bereits verloren hatte. Als Autor und Indianerforscher findet Curtis erst in jüngerer Zeit stärkere Beachtung. Die Zeitgenossen reagierten noch sehr unterschiedlich auf sein Projekt. Den etablierten Ethnologen und Anthropologen war Curtis’ Tätigkeit suspekt. Der Fotograf konnte keine akademische Ausbildung vorweisen, war aber bekannter als mancher Professor. Die Wissenschaftler an den amerikanischen Universitäten wollten Kunst und Wissenschaft streng getrennt sehen. Die Abbildung entstammt einer von 20 Mappen, die Curtis zur Ergänzung der 20 Textbände zwischen 1907 und 1930 publizierte. Die Mappen mit den über 700 großformatigen Fotodrucken sind in Deutschland vollständig nur in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen nachweisbar.

(JM)