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Kapitel 10 - In Dankbarkeit verbunden – Schenkungen Ehemaliger | Übersicht |


109 Von Florenz nach Göttingen

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Gianfrancesco Poggio Bracciolini:
De varietate fortunae.
Pergamenthandschrift
Florenz, 1450.
Signatur: 4° Cod. Ms. theol. 136 Cim.
Provenienz: Georg Erich Barnstorf, Mitte 18. Jahrhundert

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4° Cod. ms. theol. 136 Cim. (Ausschnitt)
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Gianfrancesco Poggio Bracciolini (1380 – 1459) schrieb sein Buch über die Wechselfälle des Schicksals zwischen März 1447 und Februar 1448. Karriere hatte der aus einfachen Verhältnissen stammende Student der alten Sprachen in den Diensten verschiedener Päpste gemacht. Schon mit 22 wurde er apostolischer Sekretär bei Bonifatius IX., und diese Position behielt er auch unter den Nachfolgern auf dem Stuhl Petri. Poggio nahm am Konzil von Konstanz (1414 – 1418) teil und übernahm in den letzten Jahren seines Lebens die Leitung der florentinischen Kanzlei der Medici. Zeitlebens blieb Poggio seiner Liebe zu den antiken Autoren und zum Altertum treu. Ständig war er auf der Suche nach noch nicht wiederentdeckten klassischen Texten und kümmerte sich um deren Vervielfältigung und Übersetzung, wobei ihm die Sache auch schon mal einen Diebstahl wert war. Dessen ungeachtet sind seine humanistischen Leistungen unbestritten. Da er auch den mehrjährigen Aufenthalt in Konstanz für seine Forschungen nutzte und zahlreiche Bibliotheken der Region besuchte, brachte er als einer der ersten das Denken und die Ziele der italienischen Humanisten nach Mitteleuropa.

Poggio hat sich auch als Autor einen Namen gemacht. Im vorliegenden Traktat griff er ein seit der Antike wohlbekanntes Thema auf, über das sich auch schon andere Zeitgenossen verbreitet hatten. In einem fiktiven Dialog mit dem Humanisten Antonio Loschi geht es um die Unzuverlässigkeit des Glücks. Neu dabei ist bei Poggio, dass er auf die üblichen Exempla der ferneren Vergangenheit verzichtet und Beispiele aus den letzten 100 Jahren ausführt. Mit Exkursen und erzählenden Passagen gewinnt Poggios Werk damit den Rang einer zeithistorischen Abhandlung.

Die Göttinger Handschrift ist ein wichtiger Zeuge für die Überlieferung des Textes. Sie wurde 1450 in Florenz von Gherardo di Giovanni del Ciriagio angefertigt. Typisch florentinisch ist die Art des Buchschmucks, vor allem aber zeigt die (hier nicht abgebildete) Ausmalung von Blatt 1r das Wappen der Familie d’Este. Möglicherweise war Lionello d’Este erster Eigentümer der Handschrift. Auf nebenstehender Abbildung ist der eigentliche Beginn des Textes nach der Vorrede zu sehen. Georg Erich Barnstorf, der zu den ersten Studenten in Göttingen gehörte und sein Medizinstudium hier begann, brachte das Stück aus Italien nach Göttingen mit. Über Vermittlung des hiesigen Professors Jakob Wilhelm Feuerlein kam die Handschrift in die Universitätsbibliothek.

(JM)