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Kapitel 10 - In Dankbarkeit verbunden – Schenkungen Ehemaliger | Übersicht |


112 Eine solide Abstammung sichert die Zukunft

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Adelsbrief des Juan de Salcedo aus Atienza (Provinz Guadalajara, Spanien).
Pergamenthandschrift,
Spanien, 2. III. 1585.
Signatur: 2° Cod. Ms. hist. 635m Cim.
Provenienz: H.W. Förster, nach 1894

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2° Cod. Ms. hist. 635m Cim. (Ausschnitt)
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Der in der Regierungszeit Philipps II. entstandene Adelsbrief ist eine reich illustrierte Pergamenthandschrift mit schwarzem, ehemals goldgepresstem Ledereinband. An einer gelbroten Schnur hängt das Bleisiegel des Königs. Juan de Salcedo, für den diese Urkunde erstellt worden ist, stammt aus einer alten Adelsfamilie der Stadt Atienza in der Provinz Guadalajara. Dem jungen Juan geht es in der Urkunde darum, seinen Blutsadel auf Grund seines Stammbaums nachzuweisen und sich rechtlich durch den König bestätigen zu lassen.

Die hier gezeigte Seite 18v des Adelsbriefes ist inhaltlich und künstlerisch von großem Interesse. Es geht einerseits um die stammbaummäßige Absicherung der direkten Vorfahren väterlicherseits des Juan de Salcedo. Ein namentlich nicht genannter Zeuge bestätigt, dass Antonio de Salcedo und Catalina Goncales de Heredia Juans Eltern waren und dass Francisco de Salcedo wiederum eheliches Kind von Pedro de Salcedo (Urgroßvater von Juan) und Maria de Contreras war. Die Wappen der väterlichen Linie und die der Groß- und Urgroßmutter erscheinen in der Umrahmung des Textes. Andererseits fallen die Figuren aus der dämonischen Bildwelt des Hieronymus Bosch (um 1450 – 1516) auf, die die Wappen halten. Imitationen Boschs wie diese wurden zwar während des ganzen 16. Jahrhunderts produziert, doch warum ziert ein solches Bild einen Adelsbrief? Man mag an die Tradition der Drôlerien in Randleisten mittelalterlicher Handschriften denken und an eine Art stilistischer Aktualisierung der grotesken Einfälle, an ein originelles Zitat. Doch die Höllenwelt Boschs ist eben nicht grotesk, sondern die als real geglaubte, wenn auch visionäre Folge eines Lebens in Sünde. Weshalb also dieses Zitat? Juan de Salcedo, der eine Bestätigung seines Erbadels durch Philipp II. erwartete, wird in Text und Bild versucht haben, sich den König gewogen zu machen. Aber kann man sich Ihre allerkatholischste Majestät mit einem auf dem Rücken liegenden und sein Hinterteil zeigenden Dämon gewogen machen (Mitte der oberen Leiste)? Die Antwort ist: Ja, wenn man aus einem Gemälde zitiert, das sich im Besitz des Königs befindet. Philipp II. war ein geradezu manischer Sammler von Werken Boschs (oder was dafür gehalten wurde). Fray José de Sigüenza berichtet darüber in seiner Historia de la Orden de San Jerónimo (1605), und die Inventare der königlich spanischen Sammlungen legen eindringlich Zeugnis ab von der Leidenschaft, die Philipp II. für Gemälde Boschs hegte.

Wir werden daher die Miniatur von Seite 18v als Huldigung des Bittstellers an den Kunstgeschmack seines Königs verstehen dürfen: gleichsam als ästhetische Wurst, die nach der nützlichen Speckseite Adelsbrief geworfen wurde.

(GU/HF)